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Was Reutlinger Bundestagsabgeordnete zur dramatischen Lage in Afghanistan sagen

Taliban
Mitglieder der Taliban gehen durch Kabul. Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan haben Deutschland und andere westliche Staaten begonnen, in großer Eile ihre Staatsbürger und gefährdete afghanische Ortskräfte auszufliegen. Foto: -/XinHua/dpa
Mitglieder der Taliban gehen durch Kabul. Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan haben Deutschland und andere westliche Staaten begonnen, in großer Eile ihre Staatsbürger und gefährdete afghanische Ortskräfte auszufliegen. Foto: -/XinHua/dpa

REUTLINGEN/KABUL. Das Horrorszenario ist eingetreten. Schneller, als die größten Pessimisten es befürchtet haben. Die militant-islamistischen Taliban sind in Afghanistan nach einem rasenden Eroberungsfeldzug, bei dem sie auf kaum Widerstand getroffen sind, in den Präsidentenpalast in Kabul eingezogen - noch bevor der letzte US-Soldat das Land verlassen hat. Der geordnete Abzug, den die Nato sich vorgenommen hatte, wird zur Flucht. Und selbst die droht nun zum Desaster zu werden.

Am Flughafen der Hauptstadt Kabul spielten sich dramatische Szenen ab. Hunderte oder vielleicht auch Tausende verzweifelte und verängstigte Menschen versuchten, auf Flüge zu kommen, wie Videos in Online-Medien zeigten. Für Entsetzen sorgten insbesondere Aufnahmen, die zeigen sollen, wie Menschen aus großer Höhe aus einem Militärflugzeug fallen. Es wurde gemutmaßt, dass sie sich im Fahrwerk der Maschine versteckt hatten oder sich am Flieger festhielten. Diese Angaben konnten zunächst nicht unabhängig verifiziert werden.

Angesichts der dramatischen Entwicklung reagieren Reutlinger Bundestagsabgeordnete auf GEA-Anfrage mit Bestürzung und mit Kritik.

Michael Donth (CDU): Viel Vertrauen zerstört

Der Reutlinger CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Donth.
Der Reutlinger CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Donth. Foto: Privat
Der Reutlinger CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Donth.
Foto: Privat

Zutiefst erschüttert zeigt sich der Bundestagsabgeordnete Michael Donth über die Bilder und das Geschehen in Afghanistan. »Als ich vor einigen Jahren selbst in Masar-i-Sharif war, konnte ich erleben, welches hohes Ansehen gerade wir als Deutsche bei der einheimischen Bevölkerung hatten und welche Verbesserungen vor allem für Frauen und Mädchen wir mit angestoßen haben. Ich befürchte, dass der Westen und auch wir als Deutschland mit der Art, wie unser Engagement dort geendet hat, viel von diesem Vertrauen zerstört haben.« Bislang seien schon fast 1 400 Menschen aus Afghanistan, »die unserer Polizei und der Bundeswehr vor Ort geholfen hatten«, nach Deutschland gekommen, weitere 1 000 haben bereits Visa. D»iese und wahrscheinlich auch noch weitere Helfer müssen wir nun schnellstmöglich zu uns holen.«

Beate Müller-Gemmeke (Grüne): Das war absehbar

Beate Müller- Gemmeke (Grüne) FOTO: GEA
Beate Müller- Gemmeke (Grüne) FOTO: GEA
Beate Müller- Gemmeke (Grüne) FOTO: GEA

Beate Müller-Gemmeke sagt, "es ist unerträglich, dass die afghanischen Ortskräfte jetzt von Terror, Verfolgung und Tod bedroht sind. Sie haben sich in Gefahr gebracht, um Bundeswehr und NGOs zu unterstützen und jetzt werden sie alleinegelassen. Am 23. Juni haben Union und SPD im Bundestag unseren grünen Antrag zur schnellen Aufnahme bedrohter Ortskräfte abgelehnt. Mehr noch – vor gut zwei Wochen wollten die Bundesminister Seehofer und Scholz Menschen sogar noch nach Afghanistan abschieben. Es war absehbar, was in Afghanistan passieren wird. Das wurde aber einfach ignoriert, und deshalb ist es ein dramatisches Versagen von Bundesminister Heiko Maas, dass keine Vorsorge getroffen wurde, die Ortskräfte frühzeitig nach Deutschland zu holen. Mein Fazit – das ist eine verantwortungslose Politik ohne Haltung und Werte.

Pascal Kober (FDP): Keine Strategie für Abzug

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Pascal Kober.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Pascal Kober. Foto: privat
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Pascal Kober.
Foto: privat

"Die Bilder aus Afghanistan erschüttern. Seit Langem hat die FDP gefordert, den möglichen Abzug in einer militärischen und diplomatischen Strategie vorzubereiten. Wie wir jetzt sehen, ist das nicht geschehen." Die Vorgänge der letzten Tage müssten aufgearbeitet werden, sagt der Reutlinger FDP-Bundestagsabgeordnete Pascal Kober. "Aber vor allem müssen nun alle deutschen Staatsbürger und unsere afghanischen Ortskräfte in Sicherheit gebracht werden. Wir brauchen einen EU-Sondergipfel, um uns auf eine mögliche Flüchtlingswelle vorbereiten zu können. Jedem wird nun augenfällig, was unsere Soldaten dort über Jahre geleistet haben: Sicherheit für einen großen Teil der afghanischen Gesellschaft zu gewährleisten. Den nun zur Evakuierung eingesetzten Soldaten wünscht er Erfolg bei ihrer Mission und viel Soldatenglück.

Jessica Tatti (Linke): Stümperhaft und verantwortungslos

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Jessica Tatti.
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Jessica Tatti. Foto: privat
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Jessica Tatti.
Foto: privat

»Die Linke war von Anfang an gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Wir haben uns stets für den Abzug eingesetzt. Aber das hätten wir niemals derart stümperhaft und verantwortungslos getan. Die Bundesregierung ist sehenden Auges in diese humanitäre Katastrophe geschlittert«, sagt die Reutlinger Linken-Abgeordnete Jessica Tatti. Alle Bürgerinnen und Bürger aus den EU-Staaten und die Ortskräfte müssten rausgeholt werden. »Mit Ortskräften meine ich alle Menschen, die für Bundeswehr, Ministerien, Entwicklungsorganisationen und von diesen beauftragten Firmen gearbeitet haben. Das sind wir den Menschen schuldig, die sich für die westlichen Interessen eingesetzt haben«, sagt die Politikerin. (GEA)