STUTTGART/BERLIN. Die Bundesregierung hat sich mit ihrem Ziel, im vergangenen Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, offensichtlich übernommen: Lediglich 295.000 Stück wurden fertiggestellt. Von diesen geplanten Immobilien sollten rund ein Viertel Sozialwohnungen werden - also 100.000. Gebaut wurden aber nur 25.000 Stück. Das bedeutet: Die Verfügbarkeit von sozialem Wohnraum verschlechtert sich weiter. Der Bedarf von rund elf Millionen Haushalten, die berechtigt wären, staatlich geförderten Wohnraum deutlich unterhalb des freien Marktpreises zu mieten, kann nicht mal im Ansatz gedeckt werden. Prognosen des Pestel Instituts, die im Auftrag des Verbändebündnisses Soziales Wohnen erstellt wurden, sprechen von mindestens 700.000 fehlenden Sozialwohnungen.
Was sind Sozialwohnungen? Sozialwohnungen sind Wohnungen, die mit staatlichen Fördermitteln gebaut werden - häufig in Form von günstig verzinsten Darlehen oder Zuschüssen. Träger können sowohl Kommunen als auch Privatpersonen, Gesellschaften oder Unternehmen sein. Ziel ist es, einkommensschwachen Bürgern bezahlbaren Wohnraum zu bieten. Deshalb sind die Mieten günstiger gegenüber der ortsüblichen Vergleichskaltmiete, in Baden-Württemberg zwischen 20 und 40 Prozent. Allerdings ist der Status als Sozialwohnung zeitlich befristet - zwischen 10 und 40 Jahren. Nach Ablauf der Frist sind die Immobilien ganz regulär auf dem freien Markt vermietbar. Da zu wenig nachgebaut wird, zeichnet sich seit Jahrzehnten ein Schwund ab: Waren es Ende der 80er Jahre noch über vier Millionen Sozialwohnungen, sind es heute nur noch knapp 1,1 Millionen.
Wie bekommt man eine Sozialwohnung? Da Sozialwohnungen für einkommensschwache Menschen konzipiert sind, dürfen bis zu zwei potenzielle Mieter in Baden-Württemberg zusammen nicht mehr als 55.250 Euro brutto verdienen, um Anspruch auf eine Sozialwohnung zu erheben. Jede weitere Person im Haushalt - dazu gehören auch Kinder - erhöht diese Maximalgrenze um 9.000 Euro, der Gesamtbetrag ist daher auf alle Personen im Haushalt zusammen anzuwenden. Fällt ein Haushalt unter diese Grenze, kann dieser ein Wohnberechtigungsschein bei der zuständigen Kommune beantragen, mit dem er sich dann auf Sozialwohnungen bewerben darf. Wichtig: Ein Wohnberechtigungsschein ist kein Garant dafür, auch eine Sozialwohnung zu bekommen - er bietet lediglich die Möglichkeit der Bewerbung.
Warum werden so wenig Sozialwohnungen gebaut? Die einfache Antwort lautet: Weil es zu teuer ist. Zwar förderte der Bund die Länder im vergangenen Jahr mit jeweils rund einer Milliarde Euro. Trotzdem entscheiden sich viele Investoren beim Bau, auf die Fördersummen zu verzichten, um die Immobilien direkt auf dem freien Markt anzubieten - weil sie dann höhere Mieten verlangen können. Dazu kommen die gestiegenen Bau- und Energiekosten, die den Wohnungsbau allgemein ausbremsen. Um die Fördergelder zu erhalten, müssen sich die Länder mit 30 Prozent der Fördersumme zusätzlich beteiligen - in diesem Fall also mit 300 Millionen Euro.
Warum treten die Kommunen nicht als Bauherren auf und schaffen günstigen Wohnraum? In einem kleinen Rahmen passiert das durchaus - wie beispielsweise bei Azubi- oder Studentenwohnungen. Aber: Viele Kommunen in Deutschland haben nicht mehr genug eigene Flächen übrig, um im benötigten Rahmen Wohnraum zu schaffen. Im Zuge der neoliberalen Wirtschaftsreformen seit den 1990er Jahren haben Städte und Gemeinden viele ihrer Grundstücke und Flächen an Privatleute und Unternehmen verkauft, der soziale Wohnungsbau galt zudem lange als altmodisch.
Was für Konzepte gibt es, um sozialen Wohnraum zu erschließen? Grundsätzlich ist es jederzeit möglich, bereits bestehenden Wohnraum zu Sozialwohnungen umzufunktionieren. Sofern Mittel beim Land vorhanden sind, werden Vermieter im Gegenzug beispielsweise bei Renovierungsarbeiten gefördert. Aber: Der Vermieter bindet sich auf eine festgelegte Zeit bezüglich des Mietpreises und der Belegung. Auf Bundesebene plant Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) für kommendes Jahr, die Fördermenge für die Länder von einer Milliarde Euro auf 2,5 Milliarden Euro zu erhöhen, dazu seien steuerliche Erleichterungen für Neubauten geplant. Die FPD möchte vor allem bürokratische Hürden abbauen. Und das Bündnis Soziales Wohnen fordert ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro bis 2025, um »den zu erwartenden Kollaps auf dem sozialen Wohnungsmarkt abzuwenden«, wie eine Pressemitteilung verlauten lässt. Das wären 380.000 Sozialwohnungen bis Ende der Legislaturperiode der Ampel-Regierung. Außerdem sei diese Summe nötig, um die Bauversprechen überhaupt einhalten zu können.