LONDON. Es war kein Staatsbesuch, eher ein Zwischenstopp auf dem Weg zum Nato-Gipfel in Vilnius. Dennoch wurde US-Präsident Joe Biden mit einem zeremoniellem Willkommen, einer Ehrengarde und vollen militärischen Ehren empfangen, als er gestern dem britischen König Charles III. auf Schloss Windsor seine Aufwartung machte.
Die Briten wissen, wie sie ihren diplomatischen Gästen schmeicheln können, und dazu gehörte diesmal auch ein Tee-Stündchen mit dem Monarchen. Freilich hatten Biden und Charles auch Wichtiges zu besprechen. Der US-Präsident ist genau wie der König ein langjähriger Öko-Aktivist und ein Kämpfer für den Klimaschutz. Charles informierte seinen Gast über eine Konferenz, die er auf Windsor organisiert hatte, um private Finanzmittel von Philantrophen und Unternehmern für den Klimaschutz in Entwicklungsländern zu mobilisieren. Eine grüne Volkswirtschaft und saubere, klimaneutrale Energiequellen – das sind genau die Themen, denen König wie Präsident gerne größere Prominenz geben wollen.
Am Morgen hatte Joe Biden auch dem britischen Premierminister Rishi Sunak seine Aufwartung in der Downing Street gemacht. Die Gespräche drehten sich hauptsächlich um die Situation in der Ukraine und um den Nato-Gipfel, an dem beide Regierungschefs heute im littauischen Vilnius teilnehmen. So strategisch vereint Biden und Sunak beim Thema Ukraine sind, so gibt es taktische Differenzen. Bauchschmerzen hatte in London die amerikanische Entscheidung gemacht, der Ukraine Streumunition zu liefern. Immerhin, so gab Lord Vaizey, konservatives Mitglied im Oberhaus, zu bedenken, »hat die britische Regierung immer die Kampagne unterstützt, Streumunition auszumerzen.«
Hatte die Referendums-Entscheidung für den Brexit die bilateralen Beziehungen deutlich belastet, so sind sie unter Premier Sunak wieder besser geworden. Washington hatte mit dem erratischen Führungsstil von Premierminister Boris Johnson und dem noch chaotischeren seiner Nachfolgerin Liz Truss nichts anfangen können.
Man war im Besonderen verärgert darüber, dass London bereit war, zugunsten eines harten Brexit-Kurses den Friedensprozess in Nordirland zu gefährden. Sunak hat die Kuh vom Eis holen können, als er im Frühjahr das Nordirland-Protokoll reformierte. »Er hat uns gezeigt«, sagte ein US-Diplomat, »dass wir wieder Geschäfte machen können.«
Die sogenannte »spezielle Beziehung«, also das besonders enge bilaterale Verhältnis zwischen den beiden Ländern seit Ende des Zweiten Weltkriegs, ist vielleicht kein Ausdruck mehr, den beide Seiten noch bemühen wollen. Doch es gibt einen neuen. Das britische Außenministerium nahm begeistert eine Bemerkung des US-Außenministers Antony Blinken auf und spricht jetzt von einer »Partnerschaft erster Ordnung«. (GEA)