REUTLINGEN. Olaf Scholz reist in die USA, um mit Präsident Joe Biden über die Unterstützung der Ukraine zu sprechen und die bilateralen Beziehungen zu stärken. Das Treffen kommt zu einer Zeit, in der Biden vom republikanischen Kongress zunehmend außenpolitische Fesseln angelegt werden. Außerdem steht Bidens Wiederwahl und mit ihr auch die westliche Allianz zur Unterstützung der Ukraine infrage.
In der deutschen Außenpolitik gibt es seit dem Zweiten Weltkrieg zwei Denkschulen. Die Transatlantiker - Vorsitzender der Lobbyorganisation Atlantikbrücke war bis 2019 Friedrich Merz - sehen Deutschland in einer Wertegemeinschaft mit den USA. Die Gegenposition ist, dass Deutschland gemeinsam mit Frankreich eine unabhängigere europäische Außenpolitik vertreten soll. Die Konflikte um die unabhängigen Schiedsgerichte in den Handelsabkommen TTIP und CETA oder um die Besteuerung und Kontrolle der großen Internetfirmen haben gezeigt, dass Deutschland und die USA bei vielen wirtschaftlichen Themen gegensätzliche Ansichten haben.
In Bezug auf den Ukraine-Krieg sollten sich die Europäer keine Illusionen machen. Der chaotische Abzug aus Afghanistan hat gezeigt: Wenn in Washington beschlossen wird, die militärische Unterstützung eines Landes einzustellen, dann reichen sowohl die Mittel als auch der Willen der Europäer nicht aus, um den Konflikt dennoch zu gewinnen. Für die Ukraine heißt das nichts Gutes. Sollten die Amerikaner - entweder durch einen Wahlsieg Trumps oder durch eine republikanische Blockade Bidens - ihre Unterstützung einstellen, dann müssen sie mit Putin verhandeln und territoriale Zugeständnisse machen. Auch eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern kann den Wegfall der US-Unterstützung nicht kompensieren.