SONNENBÜHL. Der Regen prasselt unaufhörlich auf die Blätter, der Wind pfeift. Eigentlich wollten Hermann Walz und Horst Lengnick im Windpark Himmelberg über das Für und Wider der Windkraft sprechen, stattdessen trifft man sich nun in einer Hütte mitten im Wald – gleich am Hohfleck. Hier sollen, wenn es nach den Planungen der Gemeinde Sonnenbühl geht, bald bis zu sieben Windräder stehen. Und zwar nicht so kleine, wie am Himmelberg. Die am Hohfleck sollen eine Nabenhöhe von etwa 140 Metern und einen Rotor-Durchmesser von 135 Metern haben. Mit einer jährlichen Stromerzeugung von 44 000 Megawattstunden soll der Windpark Hohfleck den Strombedarf aller privaten Haushalte der Gemeinden Sonnenbühl, Lichtenstein und Engstingen decken, sowie rund 30 000 Tonnen CO2 einsparen. So lautet zumindest die Planung des Investors Sowitec.
Viel Streit gibt es um die Windkraftanlagen, nicht nur am Hohfleck, sondern deutschlandweit. Klimaschutz und Umweltschutz ja, aber nicht vor meiner Haustür heißt es oft. Der Ausbau der Windkraft in Deutschland stockt daher. Ein spannendes Thema, um sich über die verschiedenen Positionen zur Windkraft austauschen zu können, sollte man meinen. Nach dem Aufruf des GEA melden sich aber lediglich sieben potenzielle Teilnehmer. Alle eint sie der Glaube daran, dass Deutschland mehr Erneuerbare Energien braucht. Nur drei sind darunter, die der Windkraft skeptisch gegenüberstehen. Eine Leserin äußert die Meinung, bisher würde zu einseitig über die Windkraft berichtet, Gefahren würden verschwiegen. Sie will aber letztlich doch nicht an der Diskussion von »Lass uns reden« teilnehmen, weil sie fürchtet, mit einem ideologisch verbohrten Gegenüber zu tun zu bekommen – und auch nicht darauf vertraut, dass ausgewogen berichtet wird. Ein anderer Leser möchte gerne einmal seine kritischen Argumente in der Zeitung lesen. Seinen Namen oder gar sein Bild in der Zeitung sehen will er aber nicht. Er berichtet, bereits Anfeindungen und Drohungen ausgesetzt gewesen zu sein, weil er sich gegen die Windkraft positioniert habe. Das zeigt: Die Fronten sind verhärtet.
Zwei die sich aber trauen, beim zweiten Teil der GEA-Serie »Lass uns reden« miteinander über die Windkraft zu diskutieren sind Horst Lengnick und Hermann Walz. Lengnick ist Tierarzt und passionierter Jäger im Revier in der Nähe des Hohflecks. Er macht sich Sorgen um die Natur, Tiere und Umwelt. Der 75-Jährige meint, der Naturschutz sei in der bisherigen Berichterstattung und von der Politik sträflich vernachlässigt worden. Lengnick kann nicht verstehen, warum ausgerechnet hier im Wald Windkraftanlagen entstehen sollen. Er fürchtet auch um die Einmaligkeit der Alblandschaft, die durch Windkraftanlagen zerstört werde.
Sein Gesprächspartner Hermann Walz will ebenfalls die Natur schützen, vor allem die auf der Schwäbischen Alb. Doch die sieht er nicht so sehr bedroht durch Windkraftanlagen, sondern vielmehr durch den Klimawandel. Regelmäßig führt der Eninger Wanderer über die Alb. Er befürchtet, wenn die Energiewende nicht gelingt, wird die Natur unwiederbringlich zerstört. Daher braucht es dringend erneuerbare Energien, also mehr Windkraftanlagen – und zwar auch hier auf der Alb. Walz weiß zudem, welche Hürden Gemeinden auf sich nehmen müssen, wenn sie CO2-neutral werden wollen. 16 Jahre lang war er Bürgermeister einer Gemeinde im Schönbuch. In seiner Amtszeit hätte er – für den Klimaschutz – gerne mehr Windkraft gefördert. Aber es sei eben nicht so leicht, geeignete Flächen zu finden und die Bürger zu überzeugen, sagt er.
Zwei Männer, zwei Meinungen, ein Ziel: Umweltschutz. Wie der aber gelingen kann, da gehen die Meinungen auseinander.
Hermann Walz kennt die Bedenken der Windkraft-Gegner. "Meine Frau ist auch gegen Windkraftanlagen", sagt er zu Beginn des Gesprächs und lacht. Trotzdem steht Walz zu seiner Meinung. In der kleinen Waldhütte am Hohfleck berichtet er von der Lektüre eines Buchs von Meteorologe Sven Plöger. Das habe ihn alarmiert. "Wir müssen das CO2 in Grenzen halten", sagt Walz. "Das geht nur mit Windkraft – in Kombination mit anderen Möglichkeiten."
Horst Lengnick ist gar nicht gegen erneuerbare Energien. "Wir sind gezwungen, andere Energiequellen zu haben", stimmt der Tierarzt aus Reutlingen seinem Gesprächspartner zu. Dennoch: "Viele negative Faktoren werden aber noch zu wenig beachtet. Es gibt einfach Bereiche, wo Windkraftanlagen nicht hingehören", findet der 75-Jährige. "Ich bin hier zu Hause", sagt er und deutet auf die Umgebung der Hütte. "Wir haben sowieso viel zu wenige zusammenhängende Waldflächen." Er verweist auf das Waldsterben durch trockene Sommer und Schädlingsbefall. "Der Wald killt CO2 und produziert Sauerstoff", sagt er. Ohne Bäume sei der Klimawandel sowieso nicht zu stoppen. So lautet sein Fazit: "Windräder gehören nach Holland, aber nicht in unseren Wald!"
Walz gibt zu, dass er das nachvollziehen könne. Die Diskussion um die Windkraftanlagen auf dem Hohfleck habe sich in der Öffentlichkeit bisher aber vor allem um den Denkmalschutz gedreht. In etwa drei Kilometer Entfernung zum Hohfleck steht das Schloss Lichtenstein. Im Mai entschied der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim: Das Schloss Lichtenstein wird nicht durch den geplanten Windpark beeinträchtigt. Walz findet das richtig: »Denkmalschutz und Windräder, das geht.«
Dass der Standort im Wald trotzdem problematisch sein kann, leuchtet Walz aber ein. Dass die Waldbewohner durch den Bau gestört würden, sei leider so. Aber, dass Vögel von den Rotorblättern der Windräder reihenweise getötet würden, glaubt Walz nicht. »Es gibt Studien, die belegen, dass durch Windkraftanlagen weit weniger Vögel sterben als dadurch, dass sie gegen Scheiben fliegen«, meint der 77-Jährige.
Tierarzt Lengnick sieht das skeptisch. »Tiere gewöhnen sich nicht einfach an solche Anlagen«, sagt er. Sein Beispiel: Wildunfälle auf Landstraßen. Auch an den Verlauf der Straße gewöhnten sich die Tiere eben nicht.
Lengnick ist der Meinung, die Windkraftanlagen auf dem Hohfleck seien vor allem gut für die Gemeindekasse. Walz kann das nicht ganz von der Hand weisen. Jedoch: Die Gemeinden müssten klimaneutral werden und zudem noch die Energieversorgung für ihre Bürger sicherstellen. »Der Wind weht eben kostenlos«, sagt Walz.
Trotzdem versteht er die Sorgen seines Gegenübers, der darauf hinweist, dass die riesigen Anlagen ja auch aufgebaut – und irgendwann wieder abgebaut werden müssten. Dafür würden Bäume abgeholzt, Straßen durch den Wald gebaut, der Flächenverbrauch sei enorm, meint Jäger Lengnick. Allein durch Wiederaufforstung sei das kaum gut zu machen. Hermann Walz nickt.
So sind sich die beiden Männer nach einer knappen Stunde eigentlich einig. Beide ziehen ein positives Fazit aus ihrer Runde »Lass uns reden«. Es sei ein sehr respektvolles Gespräch gewesen, sagt Hermann Walz. Horst Lengnick freut sich darüber, dass sein Gesprächspartner und er schließlich doch zueinandergefunden hätten. Beide finden, es sei wichtig, auch über solch kontroverse Themen wie die Windkraft miteinander reden zu können. »Man muss im Leben immer Kompromisse suchen«, sagt Horst Lengnick. (GEA)




