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Strategisches Dilemma für die Torys

Wohin geht es mit den britischen Konservativen? Nachfolger für Parteichef Sunak gesucht

Ex-Premierminister Rishi Sunak vor Downing Street 10. Bald wird er auch das Amt des Vorsitzenden der Torys los sein.  FOTO: MANN
Ex-Premierminister Rishi Sunak vor Downing Street 10. Bald wird er auch das Amt des Vorsitzenden der Torys los sein. FOTO: MANNING/DPA
Ex-Premierminister Rishi Sunak vor Downing Street 10. Bald wird er auch das Amt des Vorsitzenden der Torys los sein. FOTO: MANNING/DPA

LONDON. Nach ihrer historischen Schlappe bei den britischen Parlamentswahlen gönnen sich jetzt die britischen Konservativen eine längere Auszeit, um ihren künftigen Kurs zu finden. Der Ex-Premierminister Rishi Sunak soll noch mehr als drei Monate auf dem Posten des Parteivorsitzenden der Konservativen verbleiben, bevor am 2. November ein neuer Vorsitzender und Oppositionschef verkündet wird. Über den Sommer entbrennt nun ein Kampf um die Seele der Partei: Will man weiter nach rechts rücken oder steuert man die Mitte an?

Urwahl Ende Oktober

Heute, Mittwoch, beginnt der Nachfolgekampf, bis zum nächsten Montagnachmittag soll die Nominierung von Kandidaten abgeschlossen sein. Aus dem Feld der Bewerber wählen dann die Mitglieder der Fraktion in mehreren Wahlgängen zwei Bewerber aus, und schließlich entscheidet Ende Oktober eine Urwahl der Basis über die Nachfolge. Das Verfahren hat seine Schattenseiten. Im Herbst 2022 hatten die Parteimitglieder die gänzlich ungeeignete Lizz Truss gekürt, weil sie der weit rechts angesiedelten Basis besser gefiel. Nach nur 49 Tagen als Premierministerin musste Truss zurücktreten, nachdem ihre Steuerpläne eine nationale Finanzkrise ausgelöst hatten.

Diesmal geht es nur darum, Oppositionsführer zu werden. Man erwartet, dass sich um den Posten bis zu acht Bewerber melden werden – von der Rechtsauslegerin Suella Bravermann über die ebenfalls rechts angesiedelte Ex-Innenministerin Priti Patel und Ex-Handelsministerin Kemi Badenoch bis zum eher moderaten ehemaligen Staatssekretär für Sicherheit Tom Tugendhat. Auch von James Cleverly, der zuletzt das Amt des Innenminsters bekleidete, und von Robert Jenrick, der für Flüchtlingspolitik zuständig war, werden Kandidaturen erwartet.

Den größten Zuspruch bei der Basis hat Kemi Badenoch, die 43-jährige schwarze Senkrechtsstarterin, die es innerhalb weniger Jahre zum Kabinettsrang gebracht hatte.

Für die Torys bedeutet der Nachfolgekampf nicht nur eine Personal-, sondern auch eine strategische Grundsatzentscheidung. Das katastrophale Wahlergebnis vom Juli war das schlechteste ihrer 190-jährigen Geschichte, man verlor über 240 Mandate. Das war zum einem dem Abwandern von Stammwählern zur nationalpopulistischen Reform UK geschuldet, dessen Parteichef Nigel Farage (»Mister Brexit«) schon seit mehr als einem Jahrzehnt den Konservativen vom rechten Rand aus Konkurrenz macht. Aber zugleich schwenkten konservative Wähler, vom Rechtskurs der Regierung abgeschreckt, zur Mitte um und haben für die Liberaldemokraten gestimmt. Die konnten ein Rekordergebnis von 72 Mandaten erzielen, von denen rund 50 in ehemaligen Tory-Wahlkreisen gewonnen wurden.

Jetzt steht man vor einem strategischen Dilemma. Versucht man, sich einen Batzen der 4,1 Millionen Stimmen zurückzuholen, die Reform erzielt hat, immerhin ein Anteil von 14 Prozent? Oder soll man sich zum Zentrum hin orientieren, wo in der Regel Wahlen gewonnen werden? Der Weg zurück in die Mitte ist sicherlich länger als der in die andere Richtung, nachdem sich die Partei im Streit um den Brexit immer weiter radikalisiert hatte und mittlerweile weit rechts angesiedelt ist.

Strategisches Dilemma

Dazu kommt, dass die innerparteiliche Gravitation, nämlich vor allem die erzkonservative Einstellung der Parteimitglieder, einen Schwenk zur Mitte unwahrscheinlich macht. Es ist nicht nur die große absolute Mehrheit der Regierung von 180 Mandaten, die eine Labour-Dominanz von einem Jahrzehnt nahelegt, sondern auch der Zustand der Opposition: Man wird wohl lange brauchen, sich wieder im Zentrum aufzustellen. (GEA)