Der Flughafen Stuttgart ist über die Gründung einer winzigen Tochtergesellschaft im großen Stil in den Genuss von Strompreisrabatten gekommen. Die Ausnahmen wurden möglich, weil der Airport, der mehrheitlich in Landesbesitz ist, seine Energiewirtschaft Mitte 2008 in eine GmbH verlagerte.
Die Tochterfirma hat nach Recherchen der Nachrichtenagentur dpa vom Dienstag nur einen einzigen Angestellten, der gleichzeitig auch der Geschäftsführer ist. Es handelt sich um eine Führungskraft vom Flughafen. Für seine Aufgabe in der ausgegründeten Flughafen Stuttgart Energie GmbH bekam er zumindest im Jahr 2010 kein Gehalt, aber 13 824 Euro geldwerte Vorteile. Bei dieser Vergütung könnte es sich beispielsweise um einen Dienstwagen oder Flüge gehandelt haben.
Die Pressestelle des Flughafens wollte detaillierte Anfragen der
dpa am Dienstag nicht beantworten. Eine Ausgründung dieser Art ist keinesfalls illegal. Entscheidend ist der Antrag auf Rabatte beim zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa), das das Vorhaben überprüft und am Ende für energieintensive Betriebe die Bewilligungen verschickt. Danach ist rein formal alles rechtens. Der Airport teilte lediglich mit, das Bafa habe für 2011 und 2012 alles genehmigt. Und: »Für 2013 können keine Anträge mehr gestellt werden.«
Maßgebend sind Bemessungsgrenzen, die für ein Gesamtunternehmen womöglich nicht, für eine ausgegründete Tochter aber unter Umständen sehr wohl greifen. Das System steht bereits in der Kritik. Inwieweit die Vorgaben für die neue Förderperiode 2013 reformiert worden sind, war am Dienstag bei der Bafa zunächst nicht zu erfahren.
Baden-Württembergs zuständiges Ministerium für Energiewirtschaft sieht Handlungsbedarf. Es sei zwar legitim, dass ein kommunales Unternehmen, das die geltenden Ausnahmevoraussetzungen erfüllt, diese auch in Anspruch nimmt. Ein Sprecher betonte jedoch darüber hinaus: »Wir sind aber der Meinung, dass sich bei der Verteilung der Umlagekosten generell eine Schieflage entwickelt hat und daher bei einer Überarbeitung des EEG die Kriterien für die Ausnahmeregelungen intensiv überprüft werden müssen.« Es könne nicht angehen, dass immer mehr Betriebe befreit werden und die Verbraucher dafür tiefer in die Tasche greifen müssten. Ziel muss es laut dem Ministerium sein, »nur die Unternehmen zu befreien, die gerade durch ihre hohen Energiekosten im internationalen Wettbewerb gefährdet sind«.
Für Baden-Württemberg gelten derzeit 101 Bafa-Ausnahmen - neben dem Flughafen sind weitere Betriebe der öffentlichen Hand darunter. Bei den Ermäßigungen geht es um Erleichterungen für die Belastungen aus der Ökostromförderung im Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG. Bisher ist es dabei offensichtlich möglich, über nur auf dem Papier erfolgte Ausgründungen zu profitieren. Die besagte Flughafentochter beliefert neben ihrem Mutterunternehmen die benachbarte Landesmesse Stuttgart und die Baden-Airpark GmbH - alle beide in öffentlicher Hand.
Ein weiteres Beispiel unter den 101 Profiteuren: Der Zweckverband Landeswasserversorgung ist als energieintensiver Betrieb von der EEG-Umlage seit ihrer Einführung im Jahr 2000 befreit, wie ein Sprecher in Stuttgart sagte. Die Ausnahme gelte bis Ende 2012 und habe jährliche Einsparungen von zwei Millionen Euro gebracht.
Vom kommenden Jahr an falle die Sonderbehandlung aber weg. Der Zweckverband, dem 106 Städte, Gemeinden und Versorgungsunternehmen aus Baden-Württemberg und Bayern angehören, pumpt Trinkwasser in den mittleren Neckarraum. Der eingesetzte Strom werde zum Antrieb der Pumpen benötigt. Durch den Wegfall der Befreiung steigt den Angaben zufolge der Verkaufspreis für das Trinkwasser etwa an die Kommunen.
Er betrage jetzt 42,90 Cent pro Kubikmeter und steige kommendes Jahr auf 46,53 Cent, teilte der Sprecher mit. Der durchschnittliche Wasserpreis für den Verbraucher im Südwesten beträgt den Angaben zufolge 1,96 Euro pro Kubikmeter. Ob die Erhöhung des Zweckverbandes am Ende beim Verbraucher ankommt, war zunächst nicht zu erfahren.
Bei der Bodensee Wasserversorgung hieß es auf Anfrage, dass es noch eine teilweise Befreiung gebe. Die aktuellen Kosten hätten im laufenden Jahr noch mit 1,2 Millionen Euro zu Buche geschlagen. Für 2013 rechnet der Verband nun aber mit 8,2 Millionen Euro - weil man neuerdings von der Umlage voll erfasst werden dürfte, hieß es.
Auch der Energieversorger der Hauptstadt-Flughäfen in Schönefeld und Berlin-Tegel, die Flughafen Energie & Wasser GmbH, besteht erst seit der Jahreswende 2005/2006. In den Jahresabschlüssen heißt es, dass der Chef der Tochterfirma - ein damaliger Airportmanager - die Arbeit neben seiner Hauptaufgabe in Personalunion erledigte. Vergütung dafür: keine. Nach einem Personalwechsel ging die Leitung auf den Nachfolger über. Auch der bekam keine zusätzliche Vergütung. (dpa)
