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Aktuell Porträt

»Solide Arbeit für das Land«

STUTTGART/KARLSRUHE. Von Star-Allüren ist SPD-Landeschef Nils Schmid so weit weg, wie seine Partei gegenwärtig von einem Wahlsieg. Doch der Superminister und stellvertretende Ministerpräsident will mit ehrlichen Argumenten punkten, nicht mit aufgeblasenen, hohlen Wahlkampfparolen. »Solide Arbeit für das Land«, lautet sein Versprechen. Solide, ehrlich und schlagfertig – das sind seine Markenzeichen. Sein wichtigstes politisches Ziel ist es, sich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen.

Vom frühen Morgen bis zum späten Abend trägt er seine Botschaften derzeit an die interessierten Wähler. Dabei will er auch wissen, wo die Leute der Schuh drückt. Insgesamt stehen 200 Wahlkampf-Termine auf dem Programm. Auf geht’s zum ersten Einsatz an diesem nass-kalten Februar-Tag.

Wahlkämpfer Schmid ist gut gelaunt. Wie immer steht ein Mammutprogramm auf dem Tagesplan. Zuerst geht es zu einer Arbeitnehmerkonferenz in die Filderhalle nach Leinfelden-Echterdingen, bei der Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles mit von der Partie ist. Dann steht ein Unternehmensbesuch in Ostelsheim bei Calw auf dem Programm. Es geht weiter zum »Tea-Talk« in Ettlingen mit der örtlichen SPD-Abgeordneten, dann zu einer Tür-zu-Tür-Aktion in einem Dorf, dessen Namen man gleich wieder vergisst und schließlich noch zu einem Neujahrsempfang in der herausgeputzten Kulturhalle in Remchingen-Wilferdingen.

Eigentlich müsste der SPD-Mann bei diesen Veranstaltungen leichtes Spiel haben. Als Minister kann er auf eine Bilanz verweisen, die sich sehen lassen kann. So kommt er angesichts glänzender Zahlen im Wirtschaftswunderland Baden-Württemberg zum wiederholten Mal ohne neue Schulden aus. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Wirtschaft brummt und die Steuerquellen sprudeln. Die Staatskasse ist mithin reichlich gefüllt, die Arbeitslosenquote nieder. Im Ländervergleich kann allenfalls noch Bayern mithalten. Doch das interessiert während dieses Wahlkampfes niemanden wirklich.

Auch bei der eigenen Anhängerschaft ist das beherrschende Thema die Flüchtlingskrise. Das wirbelt die Umfrageergebnisse durcheinander und spielt einer neuen Partei namens AfD in die Karten, von der Schmid nichts, aber auch gar nichts hält. Sie sei »menschenverachtend und rechtsextremistisch«. Nach außen würde eine bürgerliche Fassade gewahrt, doch in Wirklichkeit verstecken sich Brandstifter dahinter. Schmid lässt keinen Zweifel: »Die AfD ist eine Partei, die außerhalb der demokratischen Verfassung unterwegs ist.« Der Satz sitzt. Bei der SPD-Klientel gibt es immer großen Beifall, wenn Wahlkämpfer Schmid diesen Pfeil aus dem Köcher holt.

»Wenn meine Frau auf Türkisch schimpft, weiß ich, worum es geht«
Doch genau wegen dieser AfD hatte Schmid zunächst einmal für Verwirrung gesorgt. Wie auch Ministerpräsident Kretschmann wollte er nicht an der sogenannten »Elefantenrunde« des Südwestrundfunks teilnehmen, falls auch die AfD dort vertreten sein würde. Nach einem kleinen Verwirrspiel war dann aber doch bald klar, dass die beiden politischen Schwergewichte kommen würden. Als neues Ziel wurde nun vereinbart, die AfD als ausländerfeindlich zu demaskieren. Die neue Marschroute galt erst recht, nachdem AfD-Chefin Frauke Petry notfalls einen Schießbefehl durchsetzen wollte, um Flüchtlinge an der Grenze zurückzuhalten.

Natürlich geht es bei den Wahlkampf-Veranstaltungen auch um Bildungspolitik, um die Sicherheit im Land und um die Schuldenbremse. Gerade die Konsolidierung des Haushalts hält der Finanz- und Wirtschaftsminister für »ein Großprojekt«, für das er sich auch in der neuen Legislaturperiode mit ganzer Kraft einsetzen möchte. Deshalb lässt er erst gar keinen Zweifel aufkommen, was in der Woche nach der Wahl zu seiner vornehmlichen Aufgabe gehören wird: »Da machen wir Koalitionsverhandlungen«, ist er sich sicher. Am liebsten wäre ihm natürlich, die bestehende Konstellation mit den Grünen fortzuführen. Doch Strippenzieher – sprich: SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel – hat auch eine schwarz-rote Koalition schon mal vorsichtig ins Auge gefasst. Zusammen mit CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf lotete Schmiedel jedenfalls eine überparteiliche Zusammenarbeit in der Flüchtlingsfrage aus. In der CDU zu sein, so Schmiedel bei jenem Schulterschluss mit Wolf, sei ja »keine ansteckende Krankheit«.

Schmid setzt dagegen voll auf Grün-Rot. »Der Rest hängt vom Wahlergebnis ab«, sagt er und fügt hinzu: »Da spekuliere ich nicht.« Er lässt sich auch nicht entlocken, ob notfalls die Liberalen mit ins Boot geholt werden könnten, wenn es für Grün-Rot nicht zu einer eigenständigen Mehrheit reicht.

Schmid ist derzeit gefragt wie selten: Fernsehauftritte, Wahlkampftermine, Hintergrundgespräche mit Journalisten. Kommt er eigentlich auch noch zum Arbeiten ins Ministerium? »Ja, klar«, sagt er. Das Geschäft dort gehe schließlich weiter. Für Rücksprachen ist er regelmäßig dort. Einfachere Akten arbeitet er im Auto durch. Dort sitzt er jetzt mit ein paar Journalisten, gibt geduldig auf alle Fragen eine Antwort. Dann steht schon wieder die nächste Betriebsbesichtigung an. Bei den größeren Veranstaltungen hat er zwar die Chance, mehr Menschen von seiner Politik zu überzeugen. Doch jeder Einzelne zählt. »Bei uns hat jedes Tal ein Fabrikle«, sagt Schmid und freut sich auf das Unternehmergespräch.

Bei dieser Terminfülle kann er vorerst nicht an Urlaub denken. Die eigene Familie ist ihm jedoch ganz wichtig. Seine kleine Tochter ist sein ganzer Stolz. Wenn dann doch etwas Zeit bleibt, greift er gerne zu einem Buch. Aktuell? Da muss er nicht lange überlegen: »Ich lese gerade Claude Levi-Strauss: Tristes Tropiques«, sagt er. Auf Französisch? »Ja klar.« Nils Schmid spricht neben der deutschen Sprache perfekt französisch und englisch. Seine Frau hat türkische Wurzeln. Die Frage nach seinen Türkisch-Kenntnissen liegt nahe. Nein, Orhan Pamuk lese er nicht auf Türkisch, aber er könne sich bei den Besuchen im Heimatland seiner Frau »ganz gut durchschlagen«. Und dann fügt er verschmitzt hinzu: »Wenn meine Frau mit mir in ihrer Muttersprache schimpft, dann weiß ich, worum es geht.« (GEA)