ASTANA. Die Hauptstadt Kasachstans ist kein Ort, an dem Freude aufkommt. Astana, im Norden des Landes gelegen, wurde mitten in der Steppe hochgezogen. Im Winter geht das Thermometer auf 40 Grad minus runter, im Sommer auf 40 Grad hoch. Korruption ist hier genauso weit verbreitet wie im gesamten Land. Die ehemalige Sowjetrepublik wird autoritär regiert, Präsident Kassim-Schomart Tokajew hat ein Vetorecht und kann Gesetze verhindern. Wer hier Geschäfte machen will, hat mit vielfältigen Hindernissen zu rechnen. Hier zählt, wer stark ist. Das gilt für Bundeskanzler aus Deutschland nur noch eingeschränkt.
Astana ist die zweite Station für den amtierenden Amtsinhaber Olaf Scholz auf seiner dreitägigen Zentralasien-Reise. Es ist der wiederholte Spagat zwischen Moral und Moneten, den er hier absolviert. Aber viele moralische Bedenken darf er nicht haben, ob es ihm nun gefällt oder nicht. Denn in Deutschland schwächelt die Wirtschaft, die Leute sind unzufrieden, haben Sorge um Job oder Rente – und viele davon wählen aus lauter Enttäuschung seine SPD nicht mehr.
Ein richtiger Knaller könnte helfen, aber in Astana werden Abkommen und Absichtserklärungen unterzeichnet. Darin stehen Sätze wie: »Um den Anforderungen der nachhaltigen Entwicklung ge-recht zu werden, wird die kasachische Seite fortschrittliche, international an-erkannte Standards in der Bergbauindustrie studieren und umsetzen.« Das hört sich nicht nur wachsweich an, das ist es auch. Das knallharte Geschäft machen die anderen. Die Russen und die Chinesen zum Beispiel. Sie dominieren den Handel zusammen zu mehr als 50 Prozent.
Das große Geld bringen die Rohstoffe. Nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges verzichtete Deutschland auf russisches Öl. Kasachstan wurde zu einem wichtigen Öllieferanten. Am Rande des Besuchs wird vereinbart, dass die PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt mehr Öl aus Kasachstan bekommt. Das Geld allerdings zahlt aufs kasachische, möglicherweise auch aufs russische Konto ein. Wie viel von deren Öl in dem kasachischen ist? Niemand weiß es.
Pressekonferenz abgesagt
Scholz wirkt müde, als er am Amtssitz des Präsidenten eintrifft. In der Heimat verfolgt ihn die Migrationsdebatte. Jeden Tag zudem die Frage: Platzt die Ampel? Mit Kasachstan gibt es zumindest in der Asylpolitik keine Diskussionen. Dafür steht das Land immer wieder im Verdacht, Russland bei der Umgehung von Sanktionen behilflich zu sein. Es gab Phasen, da führte die Regierung Unmengen von Waschmaschinen ein. Die wurden, vermuteten Experten im Westen, zum Ausschlachten der Teile direkt an Russland weitergereicht. Präsident Tokajew hat bekräftigt, dass sein Land die internationalen Sanktionen gegen Russland einhält. Gleichwohl gehen die Gerüchte weiter. Fragen kann man den Präsidenten bei der Scholz-Reise nicht. Eine gemeinsame Pressebegegnung wurde kurzfristig abgesagt. Das ist kein Einzelfall mehr. Immer wieder muss Scholz auf seinen Reisen improvisieren. Es gibt dann einen sogenannten O-Ton, bei dem er Fragen deutscher Journalisten beantwortet. Aber das findet im Freien statt oder irgendwo in der Ecke eines Regierungssitzes, ohne Kameras des Gastlandes. Dass man sich der deutschen Gäste schämt, wäre wohl zu stark formuliert. Angeben will man mit ihnen aber auch nicht mehr.
Die Absagehäufigkeit dürfte mit dem schwindenden Ansehen Deutschlands in der Welt zu tun haben. Die Produktivität sinkt, die Wirtschaft schwächelt, auf einmal bekommt Volkswagen massive Probleme, Rechtsextreme werden gewählt. In anderen Ländern wird das mit ungläubigem Staunen beobachtet. Den Deutschen, den Erfinder von Made in Germany, geht die Puste aus? (dpa)