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Regionale Bundesabgeordnete: Was tun gegen Hass-Zuschriften?

Bundestagsabgeordnete aus der Region über Wut-Kommentare und den richtigen Umgang damit

Politiker werden immer öfter zur Zielscheibe des Protestes. Das Plakat zeigt Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sac
Politiker werden immer öfter zur Zielscheibe des Protestes. Das Plakat zeigt Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, als Häftling mit der Aufschrift »schuldig«. Es wird bei einer Demonstration der rechten Bewegung Pegida gezeigt. FOTO: DPA
Politiker werden immer öfter zur Zielscheibe des Protestes. Das Plakat zeigt Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, als Häftling mit der Aufschrift »schuldig«. Es wird bei einer Demonstration der rechten Bewegung Pegida gezeigt. FOTO: DPA

REUTLINGEN. Schmähzuschriften haben schon immer zum Leben von Politikern dazugehört. Doch seit es das Internet gibt, ist es besonders leicht, Parlamentarier herabzusetzen. Der GEA hat die regionalen Bundestagsabgeordneten gefragt, was für Hass-Zuschriften sie erhalten, und wie sie damit umgehen.

- Michael Donth, CDU

Die Hasskommentare, die unter meinen Posts auftauchen, sind oft persönlich und politisch motiviert, gerichtet gegen mich und andere Abgeordnete verschiedener Parteien. Ein Beispiel ist »Jiddischer Propaganda Lemming« bei einem TV-Diskussions-Post mit Carsten Linnemann. Ein weiterer über Saskia Esken: »Für das Kopfschütteln müsste sie etwas auf die Fresse bekommen.« Die Anzahl dieser Kommentare hat in den letzten Jahren zugenommen, besonders bei kontroversen Themen oder Posts über CDU-Spitzenpolitiker. Auf Instagram ist diese Zunahme besonders spürbar. Zukünftig werde ich solche widerwärtigen Posts, die die Grenzen des Anstands überschreiten, auf meinen Seiten löschen oder zur Anzeige bringen. Meine Fraktion hat das Thema aufgegriffen und auch ich habe mich mit einem Video in den sozialen Medien beteiligt.

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Respekt und Anstand im Umgang miteinander müssen auch in der digitalen Welt gelten!"

- Martin Rosemann, SPD

»Hate Speech« erlebe ich fast täglich bei meiner Arbeit, gerade bei Bürgeranfragen: Gleichsetzungen, wo keine sind, Verschwörungstheorien, Falschaussagen, ein »Wir gegen Die« und diskriminierende Sprache. Noch hat mich niemand tätlich angegriffen, mich privat aufgesucht oder auf der Straße beschimpft. Allerdings verschärft sich der Tonfall deutlich. Es geht häufig nicht mehr um einen konstruktiven Dialog, sondern darum Frust abzulassen. Ziel ist eine Generalkritik an unserem demokratisch-freiheitlichen System. Auch die Auswirkungen von Desinformationskampagnen auf Bürger:innen, lokale Unternehmen oder auch Funktionsträger:innen sind deutlich zu spüren. Trifft man diese Leute direkt, so wird die Tonlage in der Regel gemäßigter. Dank Social Media werden persönliche Begegnungen aber seltener.

Meine Antwort ist häufig ein Ge-sprächsangebot und die Auseinandersetzung mit den eigentlichen Sorgen, jedoch auch eine klare Kante gegen Anfeindungen.

- Beate Müller-Gemmeke, Grüne

Hasskommentare haben definitiv in den letzten Jahren zugenommen und das betrifft auch mich. Auf allen meinen Kanälen und per Mail bin ich mit Hass und Hetze konfrontiert. Da werde ich als »Schwätzerin ohne Ausbildung und ohne Hirn« beleidigt. Mir wurde auch schon mal geraten, ich solle besser »bewaffnet« in den Bundestag gehen. Und doch versuche ich, im Umgang mit Hasskommentaren eine Balance zu finden: Wenn doch noch ein Gespräch möglich ist, gehe ich darauf ein. Wenn ich ausschließlich angefeindet werde, versuche ich den Hass nicht zu nahe an mich herankommen zu lassen.

Für mich nicht akzeptabel ist, wenn sich Hass und Beleidigungen gegen andere Menschen und bestimmte Gruppen richten, etwa gegen erwerbslose Menschen. Solche Verleumdungen und Hassreden dulde ich nicht auf meinen Social-Media-Seiten. Da lösche ich konsequent. Gleichzeitig suche ich vielfältig den Dialog mit den Menschen und versuche unsere Politik zu erklären. Denn genau das ist ja gelebte Demokratie. Und davon lasse ich mich auch nicht durch Hasskommentare abbringen.

- Pascal Kober, FDP

Gezielte Drohungen gegen mich, die als sicherheitsgefährdend eingestuft wurden und sogar bis zu Morddrohungen reichten, gab es nur in meiner ersten Legislaturperiode 2009 bis 2013, heute nicht mehr. Beleidigungen richten sich jetzt gegen Politiker, die Regierung oder Politiker allgemein. Darin spiegelt sich die abnehmende Bereitschaft anzuerkennen, dass Politik in einer Demokratie die verschiedenen Sichtweisen, Sorgen, Nöte, Hoffnungen der verschiedenen Menschen, die zusammen unsere Gesellschaft bilden, widerspiegelt und ausgleicht.

Wer politische Entscheidungen für falsch hält, darf nicht übersehen, dass andere diese vielleicht für richtig halten. Gerade in einer Regierung, in der verschiedene politische Lager zusammenarbeiten, darf das nicht ignoriert werden.

Die Frage ist, inwieweit unsere Gesellschaft noch zu Gemeinsamkeiten und Kompromissen mit sich selbst bereit ist. Demokratie bedeutet nicht nur die eigenen, sondern auch die demokratischen Rechte anderer anzuerkennen.

- Jessica Tatti, BSW

Natürlich habe ich als Politikerin schon Kritik einstecken müssen. Das muss man aushalten können und über andere Meinungen auch dann nachdenken, wenn sie überspitzt formuliert werden. Von Hasskommentaren war ich noch nicht direkt betroffen. Während Corona gab es allerdings auch E-Mails, die bis zum Wunsch nach Erschießungen reichten. Ich habe das aber nicht als gegen mich persönlich gerichtet empfunden, da es sich um Massenmails handelte.

Es gibt auch eine Verrohung der Debatte seitens von Politikern. Da wird über Bürgergeldempfänger gehetzt oder Leute pauschal als rechts, Mob oder Putin-Trolle bezeichnet, die Kritik an der Regierung üben. Das gab es zum Beispiel bei der Diskussion zum Ukraine-Krieg, der Haushaltsdebatte oder den Bauernprotesten. Wenn schon Abgeordnete nicht der gepflegten Kontroverse mächtig sind, muss man sich nicht wundern, dass manchen mal die Hutschnur reißt.

Für seine Kommentare trägt aber auch jeder eigene Verantwortung, egal ob Politiker oder Nicht-Politiker. (GEA)