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Aktuell Kommentar

Reform bei Organspende: Der Zweck heiligt nicht die Mittel

Wer nicht widerspricht, ist automatisch Organspender. Die geplante Reform lehnt GEA-Redakteurin Miriam Steinrücken ab. Das wäre ein Übergriff des Staates auf seine Bürger. Denn der Zweck heiligt nicht die Mittel.

Zustimmung oder Ablehnung: Im Online-Register kann sich jeder als Organspender oder Nicht-Spender eintragen lassen.
Zustimmung oder Ablehnung: Im Online-Register kann sich jeder als Organspender oder Nicht-Spender eintragen lassen. Foto: Michael Kappeler/dpa
Zustimmung oder Ablehnung: Im Online-Register kann sich jeder als Organspender oder Nicht-Spender eintragen lassen.
Foto: Michael Kappeler/dpa

REUTLINGEN. Das Sterben auf der Warteliste beenden: Das ist das Ziel einer Gruppe von Politikern. Dafür wollen sie die Regeln für die Organspende ändern: Künftig soll potenzieller Spender sein, wer nicht widerspricht. Aktuell läuft es umgekehrt: Als Spender kommt infrage, wer zustimmt. Den Gesetzesvorschlag haben die Abgeordneten am Montag im Bundestag vorgestellt.

Der Handlungsdruck ist groß: 8.500 Kranken stehen 1.000 Spender gegenüber. Viel zu wenig, um alle zu retten. Daran änderten auch das Onlineregister und die Informationskampagne nichts. Darum warten, hoffen, bangen Tausende Menschen in Deutschland um neue Herzen, Lungen oder Lebern - meist vergeblich. Andere europäische Länder wie Spanien oder Österreich sind erfolgreicher - auch dank Widerspruchslösung. Sie zwingt Menschen zur Entscheidung und schützt Angehörige vor Spekulation. Das macht den Reiz des Systemwechsels aus.

Trotzdem ist der Vorstoß ethisch falsch. Denn wer sich nicht äußert, wird automatisch zum Spender. Der Eingriff des Staates wäre ein Übergriff auf die Bürger. Es gilt das Recht des Einzelnen auf Selbstbestimmung - zu Lebzeiten wie nach dem Tod. Ohne explizite Zustimmung des Betroffenen wäre die Entnahme von Organen Körperverletzung. Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Für religiöse Menschen schließen sich weitere Überlegungen an - etwa zur Unversehrtheit des Körpers im Jenseits. Die Entscheidung ist zu individuell und zu komplex, als dass Fremde sie per Mehrheitsbeschluss treffen könnten. Das musste der Bundestag bereits vor vier Jahren erleben - als der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen ähnlichen Vorstoß wagte - und scheiterte.

miriam.steinruecken@gea.de