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Premierministerin Liz Truss kündigt Rücktritt an

Vor der 10 Downing Street gibt Liz Truss nach nur sechs Wochen im Amt ihren Rücktritt bekannt.  FOTO: PEZZALI/DPA
Vor der 10 Downing Street gibt Liz Truss nach nur sechs Wochen im Amt ihren Rücktritt bekannt. FOTO: PEZZALI/DPA
Vor der 10 Downing Street gibt Liz Truss nach nur sechs Wochen im Amt ihren Rücktritt bekannt. FOTO: PEZZALI/DPA

BERLIN. Um kurz nach ein Uhr mittags wurde das Rednerpult vor die Tür zur Nummer 10 in der Downing Street, gestellt. Das war das Zeichen, dass die Regierungskrise, die London seit Wochen in Atem hält, auf ihren Höhepunkt zusteuert. Die Premierministerin Liz Truss, die vor gut sechs Wochen von der Queen ernannt worden war, hatte es geschafft, in ihrer kurzen Amtszeit sämtliches Vertrauen zu verspielen – sei es bei den internationalen Finanzmärkten oder in ihrer eigenen Partei, bei den Bürgern des Landes ganz zu schweigen. Truss zog gestern die Konsequenzen. Unter einem grauverhangenen Himmel erklärte sie in der Downing Street ihren Rücktritt.

»Ich sehe es ein«, sagte sie. »Angesichts der Situation kann ich nicht das Mandat erfüllen, mit dem ich von der Konservativen Partei gewählt wurde. Ich habe deswegen mit ihrer Majestät dem König gesprochen«, fuhr sie fort, »um ihn davon zu unterrichten, dass ich als Vorsitzende der Konservativen Partei zurücktrete.« Als Premierministerin bleibe sie noch solange im Amt wie ein Nach-folger oder eine Nachfolgerin gefunden worden sei. Doch schon innerhalb der nächsten Woche sollen die Abgeordne-ten der Regierungsfraktion diese Person bestimmt haben.

Halb so lang wie Rekordhalter

Das war’s. Ein kanpp zweiminütiges Statement beendet die kürzeste Amtszeit eines Regierungschefs, die es jemals in der britischen Geschichte gegeben hat. Der vorherige Rekordhalter war George Canning gewesen, der Anfang des 19. Jahrhunderts Premierminister war und nach 119 Tagen im Amt immerhin die Entschuldigung hatte, an einer Lungenentzündung verstorben zu sein. Jetzt werden die Konservativen erneut einen Regierungschef ohne die Legitimation einer Unterhauswahl bestimmen, wie sie es schon im Fall von Theresa May, der ersten Amtszeit von Boris Johnson und Liz Truss selbst getan haben. Viele Briten sehen das als Affront für die Demokratie. Dagegen lässt sich einwenden, dass Großbritannien eine parlamentarische Demokratie ist, die keinen Premier wählt sondern Parteien. Wer immer die größte Unterstützung im Unterhaus genießt, darf die Regierung anführen. Insofern ist ein Truss-Nachfolger durchaus legitim im Amt. Ob es sinnvoll ist, dass eine ausgelaugte und zerstrittene Partei wie die Konservativen in Krisenzeiten das Land führt, ist eine andere Frage.

Am Mittwochmittag noch hatte Liz Truss bei der Fragestunde im Parlament eine leidlich überzeugende Vorstellung geliefert. Doch danach ging die Regierungskrise unvermindert weiter. Am frühen Abend feuerte Truss ihre Innenministerin Suella Braverman. Offiziell erfolgte die Demarche weil Braverman vertrauliche Regierungsdokumente von ihrem privaten Email-Account an einen Tory-Abgeordneten schickte, der nicht zur Regierung gehört. Das sind gleich zwei Verstöße gegen den ministeriellen Verhaltenskodex. Tatsächlich aber schasste Truss ihre Innenministerin, weil Braverman eine rechte Hardlinerin ist, die nicht zulassen will, dass mehr Immigranten ins Land kommen. Truss und ihr neuer Finanzminister Jeremy Hunt dagegen wollen um des Wirtschaftswachstums willen billige Arbeitskräfte anziehen. Braverman kritisierte die Regierungschefin in ihrem Abschiedsschreiben. »So zu tun, als hätten wir keine Fehler gemacht« – und damit verwies sie auf die zahlreichen Kehrtwenden, die Truss in den letzten Tagen hinlegen musste – »und zu hoffen, dass die Dinge auf magische Weise gut werden, ist keine ernsthafte Politik.«

Das setzte die Weichen für die folgenden Entwicklungen. Immer mehr Abgeordnete kamen aus der Deckung und verlangten den Abtritt von Liz Truss. Ihr Entsetzen über Truss’ Inkompetenz ist kein Wunder. Ausgerechnet das konservative Hausblatt, die Sun, machte gestern mit einem Foto einer verzweifelt wirkenden Premierministerin auf und darunter stand nur ein Wort: »Kaputt«. Gestern forderten mehr als ein Dutzend konservative Parlamentarier ein Ende der Farce. Henry Smith sagte gegenüber Times Radio: »Wir brauchen eine neue Führung, eine solide Führung. Es tut mir leid, aber in den letzten Wochen hat es in der Downing Street daran eindeutig gemangelt.« Andere Tory-Kollegen schrieben unterdessen fleißig Briefe an Sir Graham Brady. Brady ist der Vorsitzende des 1922-Ausschusses, der eine Abwahl des Parteivorsitzes organisiert. Er zog schließlich die Reißleine, suchte Liz Truss in der Downing Street auf und unterrichtete sie, dass sie das Vertrauen der Fraktion verloren habe. Er erwarte, dass bis Freitag nächster Woche ein Nachfolger gefunden worden ist.

Angesichts des Schlamassels, in dem die Konservativen zur Zeit stecken, reibt Labour sich die Hände. Die größte Oppositionspartei liegt um rund 25 Prozent vor den Konservativen und würde bei vorgezogenen Neuwahlen einen Erdrutschsieg einfahren. Genau die fordert jetzt Labour-Chef Keir Starmer. »Das kann so nicht weitergehen«, rief er in einer Rede auf dem Gewerkschaftskongress in Brighton. »Großbritannien verdient Besseres. Großbritannien kann sich das Chaos der Konservativen nicht mehr leisten. Wir brauchen jetzt allgemeine Wahlen.« (GEA)

 

TRUSS GEGEN EISBERGSALAT

Salatkopf hat länger durchgehalten als Premierministerin

Die scheidende Regierungschefin Liz Truss hat nicht nur ihr Amt, sondern auch einen Wettbewerb gegen einen Salatkopf verloren. Das Krawallblatt Daily Star kürte den Salat zum Sieger des hauseigenen Contests, den die britische Boulevardzeitung am vergangenen Freitag ausgerufen hatte. In ihrer damaligen Ausgabe stellte die Redaktion angesichts der enorm unter Druck geratenen Regierungschefin die Frage: »Kann Liz Truss länger halten als dieser Salat?« Zeitgleich startete der Daily Star auf Youtube eine Live-Übertragung, auf der ein Foto der Premierministerin neben einem Salatkopf mit aufgeklebten Augen zu sehen war. Das Magazin Economist hatte Truss zuvor unterstellt, die Haltbarkeitsdauer eines Salats zu haben. Am Donnerstag war in der Live-Übertragung ein noch relativ frisch aussehender Salat neben zwei Union-Jack-Fahnen und einer Flasche Sekt zu sehen – Truss hingegen nicht mehr. »Der Salat wird um 18 Uhr eine Rede an die Nation halten«, war unter der Übertragung zu lesen. (dpa)