BERLIN. Das Chaos im Thüringer Landtag hat die Debatte über ein AfD-Verbotsverfahren neu angefacht. Wie mehrere Medien übereinstimmend berichten, haben sich inzwischen deutlich mehr als die für einen solchen Antrag notwendigen 37 Abgeordneten zusammengetan – und zwar aus SPD, Union, Grünen und Linken. Ziel ist demnach, beim Bundesverfassungsgericht ein Verfahren zu beantragen. Doch es gibt auch Kritik und Warnungen.
Die CSU lehnt ein geplantes Verbotsverfahren aus den Reihen des Bundestags strikt ab. »Ich halte diesen geplanten Antrag für falsch und kontraproduktiv. Man kann die AfD nicht weg verbieten, man kann die AfD nur weg regieren«, sagte der Chef der CSU-Landesgruppe in Berlin, Alexander Dobrindt, gegenüber unserer Redaktion. Ein Verbotsantrag wäre Wasser auf die Mühlen der AfD-Erzählung, dass man die Partei mit anderen Mitteln als der offenen Auseinandersetzung bei Wahlen und in den Parlamenten aus dem politischen Wettbewerb entfernen wolle. Eine solche Verbotsdebatte würde der AfD neue Gelegenheit bieten, sich als Opfer zu inszenieren, um damit zusätzliche Unterstützung zu gewinnen, betonte Dobrindt.
Mehr als 40 Bundestagsabgeordnete von SPD, Union, Grünen und Linken unterstützen den Antrag für ein Verbot der AfD, nicht aber die kompletten Fraktionen dieser Parteien. Der Antrag soll monatelang vorbereitet worden sein, seine Ausformulierung befinde sich auf der Zielgeraden, heißt es unter den Antragstellern. Nun könnte er in den Bundestag zur Abstimmung eingebracht werden. Dafür sind fünf Prozent der Abgeordneten notwendig, also 37 Parlamentarier. Die Initiatoren gehen davon aus, dass sie weit mehr Unterstützer haben. Um einen neuen Verbotsantrag zu beschließen, bräuchte es eine einfache Mehrheit im Bundestag. Ein Parteienverbot unterliegt in Deutschland allerdings hohen verfassungsrechtlichen Hürden.
»Dümmster Antrag des Jahres«
Als Begründung für den geplanten Antrag führen die Abgeordneten an, die AfD wolle die freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen und nehme gegenüber dieser Grundordnung eine »aktiv kämpferisch-aggressive Haltung« ein. Zudem verstoße die Rechtsaußen-Partei mehrfach gegen die Garantie der Menschenwürde aus Artikel 1 des Grundgesetzes. Zahlreiche Äußerungen von Bundes- und Landeschefs der AfD werten die Parlamentarier als Verletzungen der Menschenwürde von Migranten, Muslimen und sexuellen Minderheiten. Die Abgeordneten fordern außerdem einen Ausschluss der AfD von der staatlichen Parteienfinanzierung. Offenbar wollen die Initiatoren den Antrag noch im Oktober offiziell in den Bundestag einbringen.
BSW-Gründerin Sarah Wagenknecht kritisierte den fraktionsübergreifenden Antrag scharf als »dümmsten Antrag des Jahres«. Die Ampelparteien und auch die CDU nähmen die Interessen der Wähler nicht ernst und wollten »den unliebsamen Konkurrenten mit der Verbotskeule erledigen«. Das sei »ein Wahlkampfgeschenk par excellence an die AfD aus der Mitte des Bundestages«, sagte Wagenknecht.
Auch aus der SPD gibt es kritische Stimmen. SPD-Chef Lars Klingbeil sieht zunächst die Experten am Zug. »Die Bewertung ist keine politische, sondern erst mal eine juristische«, sagte er. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte schon Ende Mai klargemacht, dass für ihn ein Parteiverbot der AfD derzeit kein Thema sei.
Der Staatsrechtler Josef Franz Lindner hält ein AfD-Verbot ebenfalls für extrem schwierig. »Materiell sind die Hürden sehr hoch, um einen politischen Missbrauch dieses schärfsten Schwertes in einer Demokratie zu verhindern«, sagte Lindner unserer Redaktion. (dpa)