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Leistungsschutzrecht: »Es geht um Augenhöhe«

Der Verleger des Reutlinger General-Anzeigers warnt vor dem Scheitern der Gesetzesinitiative

Die Werte, die Europa ausmachen, müssen verteidigt werden. Valdo Lehari jr. kämpft seit Jahrzehnten für unabhängige Medien.  FOT
Die Werte, die Europa ausmachen, müssen verteidigt werden. Valdo Lehari jr. kämpft seit Jahrzehnten für unabhängige Medien. Foto: dpa
Die Werte, die Europa ausmachen, müssen verteidigt werden. Valdo Lehari jr. kämpft seit Jahrzehnten für unabhängige Medien.
Foto: dpa

STRASSBURG/REUTLINGEN. Im Vorfeld der Entscheidung des Europäischen Parlaments in Straßburg zur geplanten Reform des Urheberrechts haben Vertreter der Verlage eindringlich vor dem Scheitern der Gesetzesinitiative gewarnt. »Letztlich geht es um die Frage, ob journalistische Vielfalt erhalten werden kann«, sagt Valdo Lehari jr., Verleger des Reutlinger General-Anzeigers und Vizepräsident des Verbandes der Europäischen Zeitungsverleger (ENPA).

Die Reform sieht die Einführung eines Leistungsschutzrechts in der EU vor, das es bisher nur in Deutschland und Spanien gibt. Danach sollen Internet-Giganten wie Google künftig nicht mehr ohne Honorar journalistische Texte aus den Tageszeitungen übernehmen dürfen. »Markt-Monopolisten wie Google können in Europa dann nicht auf Länder ausweichen, in denen es kein Leistungsschutzrecht gibt.«

»Die Behauptung, kleinere Zeitungsverlage wollten ein solches Schutzrecht nicht, ist eine Frechheit«

In Europa machen sich 5 300 Zeitungstitel und über 15 000 Zeitschriftenverlage mit 50 000 Titeln für diese Reform stark. Verlage könnten mit einem »nennenswerten Betrag« zur Stärkung der journalistischen Arbeit rechnen. »Es geht um Augenhöhe mit den Technologie-Giganten im Internet«, sagt Valdo Lehari. Für den Verleger aus Reutlingen, Vizepräsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), geht es dabei aber nicht nur um berechtigte Interessen von Tageszeitungen, Journalistinnen und Journalisten, es geht letztendlich um Meinungs- und Pressefreiheit in Europa.

Google, Facebook, Amazon, Apple, Microsoft, Twitter – die Hausherren des Internets stemmen sich heftig gegen das Reformvorhaben. »Im Vergleich zu dieser geballten digitalen Macht und Wirtschaftskraft erscheinen selbst die großen europäischen Medienhäuser wie kleine Tante-Emma-Läden. Die Verlage haben allerdings die qualitätsvollen journalistischen Inhalte – relevant, glaubwürdig und ohne Fake News. Diese Inhalte möchten die US-Giganten weiter ohne Bezahlung abgreifen und damit Geld verdienen«, kritisiert Dietmar Wolff, Geschäftsführer des BDZV.

Lehari warnt eindringlich davor, die Reform im Parlament scheitern zu lassen. Vor der Abstimmung scheint die politische Situation angeheizt, die Lage alles andere als entspannt. »Ich glaube, die Lage ist umkämpft, weil von den Gegnern auf dogmatische Weise argumentiert wird, das Internet müsse möglichst unreguliert und frei bleiben«, sagt Lehari im Gespräch mit deutschen Tageszeitungen. Die Film- und die Musikindustrie, auch Fernsehsender verfügen seit langem über ein Leistungsschutzrecht. Lehari: »Für Zeitungen und Zeitschriften war ein solches Recht vor der Digitalisierung nicht notwendig, weil die Produkte auf Papier gedruckt wurden. Das hat sich mit der Digitalisierung verändert. Jetzt ist eine Fernsehshow wie das Dschungelcamp besser geschützt als eine digitale Seite einer Zeitung.«

Der Reutlinger Verleger argumentiert, dass es bei dem Leistungsschutzrecht nicht darum gehe, »die großen Technologieunternehmen zu bekämpfen, sondern allein darum, auf Augenhöhe mit ihnen verhandeln zu können«. Kritiker hatten zuletzt darauf verwiesen, dass das Leistungsschutzrecht in Deutschland zwar eingeführt worden ist, aber nicht funktioniere. Lehari setzt sich vehement gegen diese Argumente zur Wehr: »Diese Schlussfolgerung irritiert mich nicht nur, sie ärgert mich. Hier werden ganz bewusst falsche Behauptungen aufrecht erhalten, um einen Gesetzesvorschlag wegzukriegen. Das Leistungsschutzrecht hat in Deutschland bisher noch nicht gegriffen, weil unter anderem Google Zahlungen verweigert und es seit mehreren Jahren Rechtsverfahren gibt.«

Und es sei eben nicht so, dass ein solches Leistungsschutzrecht nur Großverlagen nutzen würde, die über Marktmacht verfügen. Lehari: »Wie kann man nur an eine solche These glauben? Abgeordnete in Brüssel sollen falschen Informationen auf den Leim gehen. Die kleinen und mittleren Verlage haben ebenso wie große Verlage größtes Interesse an Rechtsklarheit und einer Position, wo wir auf Augenhöhe mit den Technologiegiganten sind. Die Behauptung, kleinere Verlage wollten ein solches Schutzrecht nicht, ist eine Frechheit.«

Politiker wie Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CDU) hatten in einem Offenen Brief an die Mitglieder des Europaparlaments dagegen behauptet, im Koalitionsvertrag hätten sich die Regierungsparteien gegen ein Leistungsschutzrecht ausgesprochen und sich lediglich für eine »Stärkung der Rechtsposition der Verlage« ausgesprochen. »Das ist falsch. Die Bundesregierung hat auch im Rahmen der Abstimmung des EU-Rates klar für ein Leistungsschutzrecht votiert. Eine Rechtsposition gegenüber den Plattformbetreibern bekommt man nur, wenn man über ein entsprechendes Recht verfügt«, argumentiert dagegen Lehari. Sollte sich das europäische Parlament gegen die Reform aussprechen, glaubt Lehari, dass »es gefährlich wird für die Medienvielfalt in Europa. Wir müssen Investitionen refinanzieren können. Man kann auch nicht mehr journalistische Qualität fordern und gegen Fake News kämpfen wollen, wenn man gegen die Reform stimmt. Es geht nicht darum, nur eine neue Einnahmequelle aufzutun, es geht darum, uns Augenhöhe zu verschaffen«. (GEA/DPA)

 

ZUR PERSON

Valdo Lehari jr. (65), Jurist, Verleger und Geschäftsführer des Reutlinger General-Anzeigers. Lehari ist Vizepräsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) in Berlin und der European Newspaper Publishers Association (ENPA) in Brüssel. (GEA)