STUTTGART. Die hausärztliche Versorgung ist in den Stadtbezirken Stuttgarts sehr unterschiedlich. Aber in manchen Bereichen ist sie schon unzureichend, in den kommenden Jahren droht sie noch schlechter zu werden. Das hat eine Auswertung des Gesundheitsamtes mit der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) ergeben. Es gebe deswegen »zunehmende Beschwerden aus der Bevölkerung«, sagt Christina Cyppel, Sozialplanerin im Gesundheitsamt der Stadt.
Bei der Darstellung der Versorgungslage wurde zunächst das gesamte Planungsgebiet, der »Mittelbereich Stuttgart«, in den Blick genommen. Zu diesem zählen neben der Landeshauptstadt die Gemeinden Ditzingen, Filderstadt, Gerlingen, Korntal-Münchingen und Leinfelden-Echterdingen. Mit 432 Hausarztstellen beträgt der Versorgungsgrad in dem Planungsbereich 96,2 Prozent. Dies sei im Vergleich mit anderen Gegenden im Land noch »ganz gut«, sagt Sven Gnoth von der KVBW.
Viele Hausärzte über 60
Allerdings hat sich die Lage verschlechtert. 2018 hatte die KV für das Planungsgebiet noch 460 Hausarztstellen angegeben, 41 Ärzte hätten sich damals niederlassen können. Ähnlich dürfte es weitergehen. Im Mittelbereich Stuttgart sind heute 189 der aktiven Hausärzte 60 Jahre und älter, das ist ein Anteil von 40,6 Prozent (Land: 38,1 Prozent).
Nun haben das Gesundheitsamt und die KVBW anlässlich eines Fraktionsantrags der SPD den Versorgungsgrad auch für die einzelnen Stuttgarter Stadtbezirke ermittelt. Die errechneten Quoten sind freilich interpretationsbedürftig. So gibt es Bezirke mit einer Zentralitätsfunktion, etwa weil dort die ÖPNV-Anbindung besonders gut ist und man das Gebiet aus anderen Bezirken gut erreichen kann, was die Niederlassung von Ärzten fördert.
So kommen die Innenstadtbezirke bezogen auf die Einwohnerzahl auf einen durchschnittlichen Versorgungsgrad von 133 Prozent (184 Ärzte), der Bezirk Mitte mit 64 Hausärzten sogar auf 364,3 Prozent. Sehr gute Werte erreichen auch Degerloch (151,5 Prozent, 14 Ärzte), West (151,5 Prozent, 53 Ärzte) und Bad Cannstatt (123,5 Prozent, 48 Ärzte). Besonders gering ist der Versorgungsgrad in Plieningen (25,8 Prozent, nur zwei Hausärzte).
Wichtig für die künftige Entwicklung ist der Anteil der Hausärzte, die heute 60 Jahre und älter sind, die ihre Praxen also bald ab- oder eben aufgeben werden. Hier sticht Hedelfingen hervor, das nicht nur einen geringen Versorgungsgrad, sondern dazu einen Ü-60-Anteil bei den Hausärzten von 75 Prozent hat. Darauf müsse man künftige »Maßnahmen gezielt ausrichten«, erklärte Christina Cyppel im Gemeinderat. Niedrige Anteile von über 60-jährigen Hausärzten haben dagegen Vaihingen (13 Prozent), Wangen (20 Prozent) und Möhringen (27,3 Prozent). In vielen Bezirken liegt die Ü-60-Quote der Hausärzte aber bei 50 Prozent und mehr.
Die Reaktionen darauf fielen besorgt aus. »Die hausärztliche Versorgung ist noch schlechter als erwartet – ich bin platt«, sagte Maria Hackl von der SPD. Doris Höh (FDP) ging es ähnlich. Angesichts der Lage müsse man sich nicht wundern, dass »die Notaufnahmen überlastet sind, weil die Leute keinen Hausarzt finden«. Was also tun?
Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann (Grüne) warnte vor zu hohen Erwartungen. Der Sicherstellungsauftrag liege bei der KV, als Kommune habe man »wenig Spielraum«. Themen wie die Erhöhung der Studienplatzzahl oder die Verbesserung der Bedingungen für die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren fallen nicht in die kommunale Kompetenz. Und im Vergleich steht Stuttgart noch etwas besser da. »Andere Regionen sind zum Teil noch schlechter versorgt«, erklärte der Leiter des Gesundheitsamts, Stefan Ehehalt. So sei in Gerlingen die Hausarztversorgung »noch defizitärer«.
Stadt will helfen
Dies gilt auch für die Versorgung mit Kinderärzten, von denen es im Stadtkreis Stuttgart 63 gibt. Ein weiterer Sitz könnte seit Februar vergeben werden, weil die Zahl der Kinder und Jugendlichen gewachsen ist, bis dahin war das Gebiet gesperrt (es gilt mit 100 Prozent als vollversorgt, ab 110 Prozent ist der Planungsbereich zu). Obwohl es nach wie vor Klagen gibt, dass Familien keinen Kinderarzt finden, hat Stuttgart hier einen Versorgungsgrad von 107 Prozent. Allerdings stammt die heute noch angewendete Bedarfsplanung aus den 1990er-Jahren.
Um von städtischer Seite zu helfen, will man auch für die Hausarztversorgung Mittel ergreifen, wie man das schon – wenn bisher auch mit überschaubarem Effekt – zur Verbesserung der Lage bei den Kinderärzten tut. So soll unter anderem der Bedarf von Ärzten an Flächen, die in Stuttgart sehr knapp sind, bei der Stadtplanung mitberücksichtigt werden. Im Aufbau befindet sich bei der Wirtschaftsförderung eine Anlaufstelle für Ärzte, die sich niederlassen möchten. (GEA)