REUTLINGEN. 135 Menschen ließen bei der Flutkatastrophe allein im Ahrtal im Juli 2021 ihr Leben. Hunderte wurden verletzt, tausende Häuser zerstört. Das menschliche Leid ist bis heute unfassbar. Die Suche nach einem Verantwortlichen ist deshalb verständlich. Viele werden daher vom Ergebnis der Ermittlungen enttäuscht sein. Die zuständige Staatsanwaltschaft gab bekannt, dass sie den ehemaligen Ahr-Landrat Jürgen Pföhler (CDU) und einen seiner Mitarbeiter nicht wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung im Amt anklagt. Juristisch ist das richtig.
Nach Schicksalsschlägen stellen sich Menschen oft die Frage nach dem Warum. So auch nach der Flut im Ahrtal. Nur, dass es hier durchaus Anzeichen gab, wie die Katastrophe hätte begrenzt werden können: Der Katastrophenschutz im Ahrtal war mangelhaft, das Führungssystem unzureichend. Es gab frühzeitige Warnungen. Doch die Frage, die sich die Ermittler und Juristen nun stellen mussten, war nicht, was alles hätte besser laufen müssen. Sondern, ob der Landrat und sein Mitarbeiter die Katastrophe voraussehen konnten. Wussten sie, dass sie Menschenleben gefährden? Hätte ein früheres Ausrufen des Katastrophenfalls diese Menschen gerettet?
Das zweifelsfrei juristisch nachzuweisen ist, so das Ergebnis der Ermittler, nicht möglich. Deshalb ist es richtig, keine Anklage zu erheben. Man kann zu dem Schluss kommen, dass Landrat Pföhler die Lage nicht ernst genug genommen hat. Doch da war er nicht der einzige Politiker. Pföhler hat sein Päckchen möglicherweise ohnehin zu tragen. Er ist seit August 2021 krankheitsbedingt nicht mehr im Amt und inzwischen dienstunfähig. Den Opfern im Ahrtal hilft das nicht. Es gilt nun, so gut es geht mit der Tragödie zu leben.