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J.K. Rowling kämpft für Redefreiheit

Harry-Potter-Autorin kritisiert Transgender. Das bringt sie in Konflikt mit neuem schottischem Hassrede-Gesetz

Kämpferin für Frauenrechte oder Hetzerin gegen Transgender? Die Meinungen zur Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling gehen auseinande
Kämpferin für Frauenrechte oder Hetzerin gegen Transgender? Die Meinungen zur Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling gehen auseinander. FOTO: JOEL C. RYAN/INVISION VIA AP/DPA
Kämpferin für Frauenrechte oder Hetzerin gegen Transgender? Die Meinungen zur Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling gehen auseinander. FOTO: JOEL C. RYAN/INVISION VIA AP/DPA

LONDON. Es hat nicht lang gedauert. Am Montagmorgen hatte J.K. Rowling auf X, vormals Twitter, die schottische Polizei aufgefordert, sie wegen des Verstoßes gegen das soeben eingeführte Hassgesetz zu verhaften. Am Dienstagabend erklärten die Gesetzeshüter, dass die genderkritischen und von manchen als transphob empfundenen Twitter-Postings der Harry-Potter-Autorin nicht kriminell seien und sie deswegen nicht strafverfolgt würde. Ein Stoßseufzer der Erleichterung ging daraufhin durch Schottland.

Im Land nördlich des Hadrianswalls wird gerade ein Kulturkampf ausgefochten. Am Ostermontag trat in Schottland ein neues Gesetz zu Hasskriminalität in Kraft, und nicht nur J.K. Rowling hält es für einen schlechten Aprilscherz. Der »Hate Crime and Public Order Act« droht bis zu sieben Jahre Gefängnis denen an, die zum Hass auf geschützte Personengruppen aufhetzen. Neben rassistisch motivierten Anfeindungen sind auch solche aufgrund von Religion, sexueller Orientierung, Behinderung, Alter oder Trans-Identität strafbewehrt. Die Kritiker des Gesetzes sehen eine Gefahr für die Rede- und Meinungsfreiheit.

»Sie hätte schweigen können. Stattdessenist sie für unsalle eingetreten«

Die Befürchtungen sind deswegen groß, weil einige Vorgaben des Gesetzes erschrecken müssen. Es betrifft nicht nur öffentliche Äußerungen, sondern auch, was in den eigenen vier Wänden gesagt wird. Kinder könnten ihre Eltern anzeigen. Sollte jemand sich durch Hassrede angegriffen fühlen, wird er oder sie automatisch zum »Opfer« erklärt. Wer Anstoß erregt, kann unabhängig davon, ob seine oder ihre Tat eine kriminelle Schwelle überschritten hat, in einer Datenbank erfasst werden, was berufliche Konsequenzen haben könnte. Beschwerde erheben dürfen nicht nur direkt Betroffene, sondern auch dritte Parteien, also zum Beispiel Aktivisten, was für Kritiker als eine Einladung zur Hexenjagd aussieht.

Mehr als 400 Beschwerdezentren wurden eingerichtet, wo anonyme Anzeigen gemacht werden können, darunter ein Campingpark und ein Sexshop. Die Opposition ist auch deswegen groß, weil das Gesetz vielleicht gut gemeint, aber schlecht gemacht ist. Zu vage formuliert ist es, beanstanden Kritiker, es sei unklar, wo die Linie gezogen wird zwischen Hassrede und berechtigter Meinungsäußerung.

Was darf man jetzt noch sagen?, sorgen sich daher Autoren, Satiriker, Journalisten, aber auch ganz normale Bürger. J.K. Rowling ist besonders exponiert, weil sie in der Vergangenheit Stellung bezogen hat für Frauenrechte und darauf besteht, dass Geschlecht biologisch determiniert und damit unveränderbar ist. Sie versteht sich als Feministin, die dafür streitet, dass Frauen ihre eigenen Rückzugs- und Schutzräume wie Toiletten oder Umkleiden behalten, zu denen Transfrauen keinen Zugang bekommen sollten. Diese Haltung, die ihre Gegner als »transfeindlich« und als »trans-ausschließenden Radikal-Feminismus« (TERF) bezeichnen, machte J.K. Rowling zu einer Hassfigur für die Translobby.

»Weder Kirche nochStaat sollten Machthaben über das,was Leute sagen«

Für andere wurde sie zur Vorkämpferin der Redefreiheit. »Sie hätte schweigen können«, postete der Liedermacher Billy Bragg auf X, »stattdessen ist sie für uns alle eingetreten«. Und Venice Allen pflichtete bei: »J.K. Rowling lehrte eine Generation das Lesen und dann hat sie sie herausgefordert zu denken.« Der Zuspruch für die erfolgreichste Schriftstellerin der Welt ist jedenfalls groß.

Am Ostermontag protestierten einige Hundert Bürger vor dem schottischen Parlament in Edinburgh. Der Künstler Mark Leslie sagte: »Ich denke, dieses Gesetz ist Munition für Fanatiker. Weder Kirche noch Staat sollten Macht haben über das, was Leute sagen. Das ist das Gegenteil zur schottischen Aufklärung.« Der Journalist Douglas Murray solidarisierte sich mit Rowling und kommentierte ihr Posting auf X: »Wenn sie sie abholen, dann können sie uns alle abholen«.

Letzten Endes werden die Gerichte bei Artikel 10 des Menschenrechtsgesetzes, das Redefreiheit garantiert, abwägen müssen, wo die Grenzen des Sagbaren verlaufen. Doch das kann Jahre dauern. Bis dahin muss die Polizei entscheiden, ob und wie sie einschreiten will. In den ersten 48 Stunden nach Inkrafttreten sind mehr als 3.000 Beschwerden, die angebliche Hassverbrechen melden, bei der Polizei eingegangen. Doch die schottischen Gesetzeshüter sind ohnehin überlastet. Soeben erst gab man bekannt, dass mangels Personals minderen Vergehen wie Ladendiebstahl oder Einbrüchen nicht mehr nachgegangen werden kann. (GEA)