REUTLINGEN. Der internationale Druck nimmt zu. Israel soll die Militäroffensive in Rafah abbrechen. Das fordert das UN-Gericht mit sofortiger Wirkung. Doch Präsident Netanjahu ist das eigene politische Überleben wichtiger als das Wohl des Landes.
Mit seinem Beschluss will das Gericht einen Völkermord an den Palästinensern verhindern. Die Gefahr ist groß, denn Volk und Gebiet sind klein, in Rafah leben viele Binnenflüchtlinge und die humanitäre Lage vor Ort ist katastrophal. Mit der Militäroffensive riskiert Netanjahu die Unterstützung der Schutzmacht USA, die Normalisierung der Beziehungen zu arabischen Nachbarstaaten und Israels internationales Ansehen. Das Gerichtsurteil reiht sich ein in eine Kette von diplomatischen Tiefschlägen. Voraus gingen die Anerkennung Palästinas als Staat durch drei europäische Länder sowie der Antrag auf Haftbefehl gegen Netanjahu vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Die Militäroffensive kommt Israel international also teuer zu stehen.
Trotzdem hat Netanjahu bislang auf der Offensive bestanden. In Rafah will er die Hamas vernichten. Das ist verständlich: Wer will schon eine Terrororganisation vor der Haustür, die den eigenen Staat vernichten will? Doch es steckt mehr dahinter: Netanjahu will sein politisches Überleben sichern. Er muss einen Erfolg vorweisen, denn bisher hat er versagt: Er hat das Massaker vom 7. Oktober zugelassen, die Geiseln nicht befreit, die humanitäre Versorgung im Gazastreifen nicht gesichert und keinen Plan für eine Nachkriegsordnung vorgelegt. Seine Regierung hängt ab von rechten Koalitionspartnern - und die verlangen die Fortsetzung der Offensive.