BERLIN. Die nackten Zahlen zeugen von der Größe des Auftrags. Genau 6.732 Tassen Kaffee, so hat es Generalsekretär Carsten Linnemann gezählt, wurden bei der Erarbeitung des neuen CDU-Grundsatzprogramms getrunken. Es gab 200 Sitzungen der einzelnen Fachkommissionen, zahlreiche Regionalkonferenzen. Auf dem CDU-Parteitag in Berlin folgte das dicke Ende: 2.120 Änderungsanträge mussten durchgeackert werden. Eine Mammutaufgabe, die am späten Abend noch andauerte. Die Verabschiedung des vierten Grundsatzprogramms seit der Premiere 1978 in Ludwigshafen galt indes als sicher. Denn nach 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel und einer verlorenen Bundestagswahl soll es nun heißen: »Die CDU ist wieder da. Die CDU lebt«, wie Linnemann erklärte.
17 Jahre ist das letzte Grundsatzprogramm alt, das Wort Digitalisierung kam darin nicht vor, zu China stand darin nur ein einziger Satz. Die technologischen und geopolitischen Veränderungen finden im neuen Programm mit dem Titel »In Freiheit leben« Niederschlag. Es soll, erklärte CDU-Parteichef Friedrich Merz, zeigen: »Die CDU ist wieder da. Sie ist unterscheidbar.«
Mit dem Grundsatzprogramm im Rücken will die CDU angreifen. Nicht nur nach innen soll es Signale senden, sondern vor allem nach außen. Die Bundestagswahl 2025 fest im Blick, wirbt die Partei um Wechselwähler. Man wolle »diejenigen erreichen, und deren Zahl wird größer, die bei allen Wahlen neu entscheiden, wen sie wählen sollen«, sagte Merz. Ohne die kleine Schwesterpartei, auch das ist in der CDU klar, wird die Rückeroberungen des Kanzleramtes nicht gelingen. Um die Einigkeit zu untermauern, reiste der CSU-Vorsitzende Markus Söder nach Berlin.
Der bayerische Ministerpräsident entfachte eine Begeisterung im Saal, die einige am Vortag womöglich vermisst hatten. »Dass Ihr mich freundlich empfangt, ist mir eine Ehre«, freute sich der Gast aus München und legte nach: »Es ist tatsächlich so: Ohne einander geht es nicht. Wir sind untrennbar miteinander verbunden.« Entsprechend zugewandt fiel der Dank an Friedrich Merz aus. »Wenn wir beide ehrlich sind: Wir hatten beide nicht erwartet, dass es so gut läuft«, sagte Söder. Bei der Entscheidung über die Spitzenkandidatur reklamierte Söder sein Mitspracherecht. Die K-Frage werde man »gemeinsam lösen«, aber natürlich sei ein CDU-Vorsitzender »immer Favorit«. An ihm werde es jedenfalls, zeigte sich Söder friedfertig, nicht liegen. Gemeinsam werde die Union das kommende Jahr »rocken« und die Ampel-Bundesregierung ablösen. Unterschiede zu den politischen Konkurrenten finden sich im Grundsatzprogramm einige. Zu den markanten Themen gehört beispielsweise die seit 2011 ausgesetzte Wehrpflicht. (GEA)