Logo
Aktuell Migration

Flüchtlingscamps in Dublin

Zuwanderungskrise in Irland spitzt sich zu. Einheimische machen Migranten für Wohnungsnot verantwortlich

Migranten kampieren in Dublin. Die Zeltstädte werden von den Behörden regelmäßig aufgelöst – an anderer Stelle von den Flüchtli
Migranten kampieren in Dublin. Die Zeltstädte werden von den Behörden regelmäßig aufgelöst – an anderer Stelle von den Flüchtlingen aber sofort wieder aufgebaut. FOTO: LAWLESS/PA WIRE/DPA
Migranten kampieren in Dublin. Die Zeltstädte werden von den Behörden regelmäßig aufgelöst – an anderer Stelle von den Flüchtlingen aber sofort wieder aufgebaut. FOTO: LAWLESS/PA WIRE/DPA

LONDON. Die Republik Irland kämpft mit zwei großen Krisen. Zum einen erlebt das Land einen Ansturm von Immigranten und Asylbewerbern und zum anderen herrscht eine grassierende Wohnungsnot. Beide Krisen zusammen symbolisiert ein Bild: die Zeltstädte von Flüchtlingen in Dublin. Zuerst vor dem zentralen Flüchtlingsamt in der Mount Street, dann am Grand Canal haben Asylbewerber ihre Zelte aufgebaut und campieren unter freiem Himmel. Wenn die Polizei eine Zeltstadt auflöst, entsteht eine weitere ein paar hundert Meter weiter. Die Anwohner sind verärgert über die sanitären Missstände. Das Flüchtlingsthema wird zu einem immer größeren Problem für die Regierung, schließlich finden im Juni Lokal- und Europawahlen statt.

Mit der Wohnungskrise kämpft das Land schon seit Jahren. Obwohl die Wirtschaft boomt und die Arbeitslosigkeit gering ist, können sich immer weniger Menschen eigenen Wohnraum leisten. Die Mieten schießen in den Himmel, und die Immobilienpreise sind für Erstkäufer unerschwinglich geworden. Während vor zwölf Jahren noch ein Drittel der 20- bis 29-Jährigen bei den Eltern wohnte, ist es heute, wie eine Erhebung kürzlich zeigte, glatt das Doppelte: Zwei Drittel der jungen Leute können es sich nicht leisten auszuziehen, eine ganze Generation steckt im Hotel Mama fest. Die Zahl der Obdachlosen hat sich in den letzten zehn Jahren vervierfacht.

Die Flüchtlingskrise ist neueren Datums. Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs reisten monatlich zwischen 2.000 und 4.000 Menschen aus dem überfallenen Staat ein. Heute liegt die Zahl der ukrainischen Einwanderer bei über 100.000. Parallel dazu steigt die Zahl der Asylbewerber. Im Jahre 2023 gab es 13.277 Anträge, mehr als viermal so viel wie im Jahr 2021. Allein seit dem 1. Januar diesen Jahres wurden beim zentralen Flüchtlingsamt in Dublin rund 7.700 Asylbewerbungen gestellt. Und das sind nur die offiziellen Zahlen. Die Geheimdienste schätzen, so berichtete die Sunday Times, dass jährlich 50.000 bis 70.000 Flüchtlinge ins Land kommen.

Pikant dabei ist, dass die meisten via Großbritannien einreisen. Die irische Justizministerin Helen McEntee erklärte, dass schätzungsweise mehr als 80 Prozent der Asylbewerber von der britischen Provinz Nordirland aus ins Land gekommen sind. Zwischen Großbritannien und Irland gibt es seit mehr als 100 Jahren eine gemeinsame Reisezone. In den Brexit-Verhandlungen wurde darum gerungen, dass es dabei bleibt. So sind heute Personenkontrollen nicht üblich, und der Grenzverkehr ist problemlos.

Abschiebung nach Ruanda

Die Flüchtlingssituation verschärfte sich, nachdem die britische Regierung ihren Ruanda-Plan auf den Weg gebracht hatte, mit dem das Königreich droht, irregulär eingereiste Immigranten zwecks Asylabwicklung nach Ruanda abzuschieben. Zurückkehren dürfen sie nicht. Bisher sind noch keine Flüge gestartet, aber schon jetzt setzen viele Bootsflüchtlinge, die es über den Ärmelkanal nach Großbritannien geschafft haben, ihren Weg weiter gen Irland fort, weil sie Angst haben, in Ostafrika zu landen. Die britische Regierung freut das. Das bedeute doch, sagte Premierminister Rishi Sunak, dass sein Ruanda-Plan und die damit beabsichtigte Abschreckung funktionierten. Die irische Regierung ist verärgert, weil das Thema Immigration innenpolitisch immer toxischer wird.

Denn viele Iren machen Immigranten für die Wohnungskrise verantwortlich. Die Stimmung kippt in Fremdenfeindlichkeit um. Die Ressentiments gegenüber Flüchtlingen drücken sich immer drastischer aus. Es kam zu Brandanschlägen auf Zeltstädte und Flüchtlingsheime. Im November letzten Jahres erlebte Dublin nach der Messerattacke eines Mannes aus Algerien die schwersten fremdenfeindlichen Ausschreitungen seit Jahrzehnten. Es finden auch immer mehr Anti-Immigrations-Demonstrationen statt. Beim jüngsten Protest in Dublin wurden Plakate mit rechten Losungen geschwungen: »Irland den Iren«, »Wir wollen unser Land zurück«, »Irland ist voll«.

Für die Regierung von Premierminister Simon Harris, die aus einer Koalition der beiden großen Mitte-Rechts-Parteien Fine Gael und Fianna Fail besteht, wird es gefährlich. Denn die Missstände im Wohnsektor und bei der Einwanderung kreidet man den etablierten Parteien an. Harris hatte kürzlich versprochen, in den nächsten fünf Jahren eine Viertelmillion Häuser zu bauen. Die Immigration versucht er zu bremsen, indem er Sozialhilfekürzungen für Flüchtlinge ankündigt. Ob ihm die Zeit noch reicht, die politische Situation zu entschärfen, ist fraglich: Bis zum März nächsten Jahres müssen Parlamentswahlen stattfinden. (GEA)