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Ex-Kanzler mit vielen Gesichtern

Die SPD hat ihrem ehemaligen Vorsitzenden viel zu verdanken. Sie ist aber auch oft an ihm verzweifelt

Gerhard Schröder freut sich, dass er nicht aus der SPD ausgeschlossen wurde.  FOTOS: DPA
Gerhard Schröder freut sich, dass er nicht aus der SPD ausgeschlossen wurde. FOTOS: DPA
Gerhard Schröder freut sich, dass er nicht aus der SPD ausgeschlossen wurde. FOTOS: DPA

BERLIN. Leicht hatten sie es nie miteinander – Gerhard Schröder und die SPD. Dem alten sozialdemokratischen Ideal vom Arbeiterführer, bodenständig, klassenbewusst und im Zweifel links, entsprach er schon als Kanzler nicht mehr, und das lag keineswegs nur an den dicken Cohiba-Zigarren, die er rauchte, oder an den teuren Anzügen von Brioni, die er trug. Schröder, aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen als Sohn einer Kriegerwitwe, ist im Herzen vermutlich noch immer ein Genosse – zeigen aber konnte (und kann) er es nur selten. Im Gegenteil: Wer sich unter Unternehmern erkennbar wohler fühlt als in sozialdemokratischen Ortsvereinen, wer elementare Teile des Sozialstaates zur Disposition stellt und viel Geld als Lobbyist für einen russischen Gaskonzern verdient, wird in der SPD allenfalls respektiert. Geliebt wird er nicht. 

Jung und Links: 1979 wird Gerhard Schröder zum Juso-Vorsitzenden gewählt.
Jung und Links: 1979 wird Gerhard Schröder zum Juso-Vorsitzenden gewählt. Foto: Deutsche Presse Agentur
Jung und Links: 1979 wird Gerhard Schröder zum Juso-Vorsitzenden gewählt.
Foto: Deutsche Presse Agentur

Nein zum Irak-Krieg

So sehr ihn die Partei für seine Wahlsiege gefeiert hat, erst in Niedersachsen und dann 1998 und 2002 im Bund, so dankbar sie ihm für sein Nein zu einer Beteiligung der Bundeswehr am Krieg im Irak war, so häufig ist sie auch an ihm verzweifelt. An seinen Sozialreformen, die Deutschland nach einer langen konjunkturellen Durststrecke wieder wettbewerbsfähig gemacht, der Sozialdemokratie aber viel zugemutet haben. An seiner Basta-Politik, die so gar nicht zu einer Partei passen wollte, die jedes Problem bis ins Letzte ausdiskutieren will. Und, nicht zuletzt, an seiner Loyalität zu Wladimir Putin, den er einst einen lupenreinen Demokraten nannte, der ihm und seiner damaligen Frau Doris half, zwei russische Kinder zu adoptieren, der sich inzwischen aber außerhalb jeder Ordnung gestellt hat. »Man muss sich leider für ihn schämen«, hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach gerade erst geklagt und damit nicht Putin gemeint, sondern Gerhard Schröder, der an diesem Sonntag 80 Jahre alt wird. 

Schröder und seine Neue: Mit seiner aktuellen Ehefrau So-yeon Schröder-Kim.
Schröder und seine Neue: Mit seiner aktuellen Ehefrau So-yeon Schröder-Kim. Foto: dpa
Schröder und seine Neue: Mit seiner aktuellen Ehefrau So-yeon Schröder-Kim.
Foto: dpa

Sie leiden aneinander, die SPD an Schröder und er an ihr, aber ganz ohne den anderen können sie eben auch nicht. Wolfgang Clement, den er einst zum Superminister für Wirtschaft und Arbeit gemacht hat, ist irgendwann aus Verdruss ausgetreten. Thilo Sarrazin akzeptierte seinen Ausschluss zermürbt von den quälend langen Auseinandersetzungen – Gerhard Schröder aber, so scheint es, verbindet noch immer etwas mit dieser Partei. Gerade erst hat er sich in einem Interview darüber empört, dass im Willy-Brandt-Haus auf der Vorstandsetage kein Bild von ihm hänge, wo er doch auch fünf Jahre Parteivorsitzender war.

Gleichzeitig aber schont er diese Partei auch nicht, wenn er in einer ARD-Dokumentation poltert: »Ich brauch doch für mein Lebenswerk nicht die Zustimmung der SPD-Führung.« Das seien alles »armselige Gestalten«, stichelt er da, und Generalsekretär Kevin Kühnert »ein armer Wicht«. Die SPD aber, findet Schröder, »ist größer als diese Leute«. Dass sie ihn inzwischen nicht einmal mehr zu ihren Parteitagen einlädt? Geschenkt. »Ich bin Sozialdemokrat, und solange man mich lässt, will ich das auch bleiben.« Das große Zerwürfnis mit seiner Partei und dem großen Rest der Republik erklärt er sich vor allem damit, dass er halt schon immer anders gewesen sei als andere Politiker. Weniger berechenbar. Ungeduldiger. Nicht so stromlinienförmig. Und seine Freundschaft zu Putin? »Ich bereue nichts.« 

Schröder und seine Ex: 2009 mit seiner Frau Doris Schröder-Köpf.
Schröder und seine Ex: 2009 mit seiner Frau Doris Schröder-Köpf. Foto: Deutsche Presse Agentur
Schröder und seine Ex: 2009 mit seiner Frau Doris Schröder-Köpf.
Foto: Deutsche Presse Agentur

Stargast in China

Der Versuch, ihn aus der SPD auszuschließen, ist jedenfalls gescheitert. Etwas verschämt hat die Partei ihn im Oktober sogar für 60 Jahre Mitgliedschaft geehrt, auch wenn viele Spitzengenossen ihn noch immer gerne los wären. Schröder selbst aber schert sich darum wenig. Lieber spielt er Golf mit seiner Frau So-yeon Schröder-Kim, die darauf achtet, dass er sich gesünder ernährt. Er hält Vorträge in China, wo er immer noch wie ein Staatsgast hofiert wird, oder sammelt Geld für ein neues Kirchenfenster in seiner Heimatstadt Hannover. 

Aus Freunden werden Feinde: Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine.
Aus Freunden werden Feinde: Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine. Foto: Deutsche Presse Agentur
Aus Freunden werden Feinde: Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine.
Foto: Deutsche Presse Agentur

Neuerdings mischt er sich sogar wieder in die aktuelle Politik ein, aus der er sich lange Zeit herausgehalten hat. Die defensive Linie von Olaf Scholz im Streit um die Waffenlieferungen an die Ukraine etwa heißt er ausdrücklich gut. Er selbst hat es beim Irak-Krieg genauso gehalten und war zugleich der erste deutsche Kanzler, der die Bundeswehr in einen Krieg geschickt hat – 1999 im Kosovo. Zwei Jahre später folgte dann der Einsatz in Afghanistan. 

Aus Feinden werden Freunde: Gerhard Schröder und Wladimir Putin.
Aus Feinden werden Freunde: Gerhard Schröder und Wladimir Putin. Foto: Deutsche Presse Agentur
Aus Feinden werden Freunde: Gerhard Schröder und Wladimir Putin.
Foto: Deutsche Presse Agentur

Schon kurz nach seiner Kanzlerschaft stieg er als Lobbyist bei russischen Energieunternehmen ein. »Ich war, als ich aufhören musste, knapp über 60. Da musste ich ja was tun und habe das auch gemacht – als Anwalt und in anderen Bereichen«, sagt er. Dass man auch als Bundeskanzler außer Dienst als Repräsentant seines Landes Verantwortung trägt, hielt Schröder nicht von seinem Russland-Engagement ab. »Das ist meine Sache«, sagt er auf Fragen danach auch heute noch trotzig. Hauptsache, es sei rechtlich nicht angreifbar. 

Genosse der Bosse: Gerhard Schröder gab sich arbeitgebernah und rauchte.
Genosse der Bosse: Gerhard Schröder gab sich arbeitgebernah und rauchte. Foto: dpa
Genosse der Bosse: Gerhard Schröder gab sich arbeitgebernah und rauchte.
Foto: dpa

Wer seinen 80. Geburtstag alles mit ihm feiere, sagt er, sei noch ein Geheimnis. »Das ist eine Überraschung für mich. Meine Frau hat Freunde und Freundinnen eingeladen. Ich weiß weder welche, und ich weiß nichts über ein denkbares Programm. Ich weiß nur, dass es in Berlin stattfindet.« Die offizielle SPD in Gestalt ihrer Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil wird dabei kaum vertreten sein, und Kevin Kühnert, »der arme Wicht«, sicher auch nicht, wohl aber ein paar alte Genossen, die den Kontakt nicht haben abreißen lassen. Sigmar Gabriel etwa, ebenfalls ein paar Jahre SPD-Chef, der frühere Innenminister Otto Schily oder sein erster Kanzleramtschef Bodo Hombach. Zu seinem 70. hatte die SPD dem kunstsinnigen Schröder noch einen großen Empfang in einem Berliner Museum organisiert – undenkbar heute. Sogar die Kaffeetassen mit seinem Konterfei nahm die Partei aus ihrem Onlineshop.

Vom Krieg in der Ukraine hat er sich distanziert, nicht aber von Wladimir Putin. Sein Versuch, kurz nach Kriegsbeginn zwischen der Ukraine und Russland zu vermitteln, scheiterte zwar früh. Schröder aber plädiert weiter für eine Lösung auf dem Verhandlungsweg und wähnt sich dabei, wie er selbst sagt, »in der Mitte der Sozialdemokratie«. Dass die das ganz ähnlich sieht, ist allerdings nur ein Gerücht. (GEA)