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Aktuell INTERVIEW

Ex-Finanzchef hat ein Buch über Curevac geschrieben

Der Ex-Finanzchef hat ein Buch über Curevac geschrieben und kritisiert die Standortpolitik in Deutschland

Wolfgang Klein, Die CureVac Story Vom Risiko, die Medizin zu revolutionieren.
Wolfgang Klein, Die CureVac Story Vom Risiko, die Medizin zu revolutionieren. 247 Seiten 24,95 Euro. Campus Verlag Foto: Gea
Wolfgang Klein, Die CureVac Story Vom Risiko, die Medizin zu revolutionieren. 247 Seiten 24,95 Euro. Campus Verlag
Foto: Gea

TÜBINGEN/REUTLINGEN. Das Tübinger Unternehmen Curevac gilt als Hoffnungsträger in der Impfstoffentwicklung. Im Juni soll der lange erwartete Curevac-Impfstoff auf den Markt kommen. War es Zufall, Glück oder gezielte Forschungsförderung und Standortpolitik, dass die beiden deutschen Unternehmen Curevac und Biontech hier an der Weltspitze mitspielen? Der Kusterdinger Wolfgang Klein war lange Finanzchef bei Curevac und hat nun mit der »Curevac-Story« ein Buch über das Tübinger Unternehmen und seinen Gründer Ingmar Hoerr geschrieben. Klein beschreibt in dem mit Anekdoten angereicherten Buch auf griffige und verständliche Art die Entstehung des mRNA-Impfstoffs und des Curevac-»Einhorns«. Einhörner sind Ausnahmeunternehmen, die schon bald nach der Gründung ihre Bewertung auf über eine Milliarde US-Dollar steigern können.

GEA: Herr Klein, zur Einführung: In welcher Beziehung stehen Sie zu Curevac-Gründer Ingmar Hoerr und wie kamen Sie zu dem Unternehmen?

Wolfgang Klein: Ingmar Hoerr habe ich bei unserem gemeinsamen MBA-Studium kennengelernt, noch bevor er Curevac gegründet hat. Wir haben uns angefreundet, waren zusammen segeln und von der Seitenlinie habe ich die Gründung von Curevac miterlebt. Irgendwann hat er mich dann gefragt, ob ich nicht mitmachen wollte. Das fand ich zunächst keine gute Idee, aber sehr schnell hat mich dann die Abenteuerlust gepackt.

Deutschland wird das Land der Erfinder und Entdecker genannt. Doch mit der Umsetzung in Produkte hapert es in Deutschland. Curevac und Biontech sind da eher zwei Ausnahmen. Woran liegt das?

Wolfgang Klein hat die Anfänge von Curevac hautnah miterlebt. FOTO: PRIVAT
Wolfgang Klein hat die Anfänge von Curevac hautnah miterlebt. FOTO: PRIVAT
Wolfgang Klein hat die Anfänge von Curevac hautnah miterlebt. FOTO: PRIVAT

Klein: Erfindungen gibt es in Deutschland viele, aber die Produktentwicklung findet hier selten statt. Es geht darum, wie man unseren Standort zu einem machen kann, in dem sich das Geld für Risiko-Investment wohlfühlt. Das ist eine Kernfrage und darin sehe ich auch einen Grund, warum wir hier in Deutschland die Einhörner nicht so häufig sehen wie anderswo. Es geht um Standortpolitik.

Das Thema ist nicht neu, und es hat sich bislang wenig getan. Sie haben die Hoffnung, dass sich daran etwas ändert?

Klein: Ich hoffe, dass es ein Thema im Bundestagswahlkampf wird. Ich sehe da Ansätze bei der FDP, den Grünen und der Union. Biontech und Curevac sind Beispiele dafür, dass einigen doch der Durchbruch gelingt, obwohl die Rahmenbedingungen dafür hierzulande nicht besonders gut sind. Das ist nicht neu, aber ich mache das mit dem Buch für eine breite Masse verständlich. Viele wissen gar nicht, dass das ein gravierendes Problem ist.

Dann war es Glück und Zufall, dass den beiden Unternehmen der Durchbruch gelungen ist?

Klein: Zufall und Glück ist immer dabei. Der Zufall ist durch die Beteiligten gefördert worden. Ein Ingmar Hoerr hat eben gesagt, ich mache das trotzdem. Vielleicht hätte er es nicht gemacht, wenn er gewusst hätte, wie groß die Schwierigkeiten sind. Und dann war da Dietmar Hopp, dem es letztlich egal war, dass er sein Geld hierzulande angelegt hat, auch wenn es an einer anderen Stelle mehr Rendite gegeben hätte. Er hat gesagt, ich lebe hier, ich bin hier groß geworden und versuche das hier zurückzugeben. So denken nicht viele.

Können wir im Juni mit einem Impfstoff von Curevac rechnen?

Klein: Ich kann nur meine persönliche Meinung kundtun. Mein Vertrauen in die Impfstoffentwicklung bei Curevac ist sehr groß. Die Terminankündigungen des Unternehmens sind in der Vergangenheit eingehalten und teilweise sogar übertroffen worden. Das allerdings muss dennoch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass wir da in einem Metier unterwegs sind, das mit großer Unsicherheit behaftet ist.

Der neue US-Präsident hat die Aufhebung der Patentrechte bei Covid-19-Impfstoffen ins Gespräch gebracht. Wie sinnvoll wäre das?

Das Logo des Biotech-Unternehmens Curevac mit dem Slogan »the RNA people« an der Unternehmenszentrale.  FOTO: GOLLNOW/DPA
Das Logo des Biotech-Unternehmens Curevac mit dem Slogan »the RNA people« an der Unternehmenszentrale. FOTO: GOLLNOW/DPA
Das Logo des Biotech-Unternehmens Curevac mit dem Slogan »the RNA people« an der Unternehmenszentrale. FOTO: GOLLNOW/DPA

Klein: Das hat für Unsicherheit gesorgt. Ich glaube allerdings nicht daran und würde es für fatal halten. Gerade mit Blick auf Deutschland, wo zwei Unternehmen im mRNA-Bereich unter großen Entbehrungen über lange Zeit eine Technologie vorangetrieben haben, ohne ein Produkt verkaufen zu können. Das geht nur, wenn im Hintergrund Patente da sind, die die Technologie auch schützen.

 

»Patentfreigabe würde die Bekämpfung der Pandemie auch nicht beschleunigen«

 

Um was geht es bei den Patenten?

Klein: Wahrscheinlich hat die Öffentlichkeit da falsche Vorstellungen. Es gibt nicht das eine Covid-19-Patent. Denn es geht um viele Aspekte. Es geht darum, wie man die Stabilität von mRNA verbessern kann oder auch um Patente, die die Herstellung schützen. Denn wer die Herstellung kann, der kann im Falle der RNA-Technologie schließlich alles herstellen. Wenn jetzt tatsächlich die Unternehmen, die das alles entwickelt haben, gezwungen werden, ihr Wissen jedem, der es haben will, zu schenken, würde das eine ganze Industrie kaputtmachen. Es würde die Bekämpfung der Pandemie auch nicht beschleunigen. Die Vorstellung, dass man ein Patent oder spezifische Patente freigibt und damit alles schnell gelöst wird, ist falsch. Da steckt eine Menge Know-how dahinter, das sich nicht so einfach übermitteln lässt.

Und das Geld wäre für die Geldgeber umsonst investiert.

Klein: Die Investoren weltweit wären verschreckt, inklusive derjenigen in den USA. Investoren legen Hunderte Millionen auf den Tisch, weil sie glauben, dass das irgendwann mal zurückkommt. Viele werden sich künftig sagen, lassen wir es, weil in irgendeiner Krisensituation ein Herr Biden kommt und die Patente aufhebt. Ich glaube allerdings nicht, dass das geschehen wird, und ein amerikanischer Präsident kann das auch nicht alleine. Aber alleine die Gefahr, dass solches geschehen könnte, wird Investoren verunsichern – und das ausgerechnet da, wo es besonders fehlt, zum Beispiel bei solch teuren und langwierigen Entwicklungen wie der RNA-Technologie für die Impfung bei Covid-19.

Wie können die Förderung und der Schritt von der Forschung in die Produktion verbessert werden?

Klein: Wir müssen mehr Geld in Deutschland in riskantere Anlageformen lenken: In Aktien und in Private Equity. Nur aus diesen Quellen können sich wirkliche Risikoinvestoren refinanzieren. In meinem Buch beschreibe ich dazu die fatale Rolle der umlagefinanzierten Altersversorgung und die wenig hilfreiche Neigung der Deutschen, alles Geld aufs Sparkonto zu legen. Grundsätzlich müssen wir Rahmenbedingungen schaffen, die es Risikokapital in unserem Land angenehmer machen.

Was ist da in unserem Land derzeit unangenehm?

Klein: Zum Beispiel hohe Steuern und dass wir so gut wie keine Steuergutschriften auf Forschung und Entwicklung geben. Zu letzterem Punkt ist man in Frankreich beispielsweise wesentlich weiter beziehungsweise um etwa Faktor 60 generöser. Bei uns ist zwar die letzten zehn Jahre ein Gesetz auf den Weg gebracht worden, das letztes Jahr schließlich in Kraft trat, das aber so gut wie nichts ändern wird. Eine Steuergutschrift bedeutet, wenn ein Unternehmen Ausgaben in Forschung und Entwicklung tätigt, dann kann es einen Teil davon vom Staat zurückbekommen in Form von Steuernachlässen. Das geht so weit, dass manche Länder das als Vergütung auszahlen bei Unternehmen, die eben noch keine Steuern zahlen, so wie Curevac die letzten 20 Jahre. Am Ende des Tages führt es dazu, dass Forschung und Entwicklung für Unternehmen, die sie betreiben, verbilligt wird. Das ist genau das, was das Risiko an einem ganzen Standort mindern würde. Das ist es, was wir brauchen. Das ist das Signal, das sagt, ›risikobereites Geld, komm hierher‹. Ein weiteres Thema wäre die Nutzung von Verlustvorträgen. Zuzeiten, als Dietmar Hopp in Curevac investierte, war das nicht möglich. Das ist eine Ungerechtigkeit im Vergleich mit großen Pharmaunternehmen, die Jahr für Jahr ihre Entwicklungsaufwendungen von Gewinnen absetzen können – und zwar unbegrenzt und ohne komplizierte Regeln. Ein Unternehmen, das noch keine Gewinne macht, kann bis heute nicht sicher sein, dass das klappt. Das sind die falschen Signale, denn wenn unter diesen Umständen die Alternative besteht, hier zu investieren oder beispielsweise in Israel, dann geht man doch lieber dorthin. Man kann sagen, wir riskieren unsere Zukunft, wenn wir nicht mehr riskieren.

Was bedeutet das Tal des Todes?

Klein: Wenn eine Erfindung gemacht wird, ist die Finanzierungsnot in dem Moment am größten, wo es von der Forschung in die Produktentwicklung geht. Bildlich wird da vom Tal des Todes der Finanzierung gesprochen. Durch dieses Tal muss eine Entwicklung, um dann in Gefilde zu gelangen, wo sie nahe genug am Markt und vielversprechend genug ist, damit das Risiko-Financiers überhaupt erst gerne in die Hand nehmen. Dieses Tal des Todes kann man verkürzen durch geeignete Standortpolitik. Dann würden mehr Produkte auf den Markt kommen, die nur langfristig entwickelt werden können und die sehr teuer sind und mit hohem Risiko behaftet. Das gilt für Medikamente wie für CO2-neutrale Energien oder andere Lösungen für unsere heutigen Probleme.

 

»Diesen Erfindungen muss der Weg hinaus in die Entwicklung geebnet werden«

 

Tübingen ist von daher gesehen eigentlich kein guter Standort?

Klein: Ja und nein. Die Stadt Tübingen, die Stadt Reutlingen und die Sparkasse haben letztendlich sehr dazu beigetragen, dass es mit Curevac etwas werden konnte. Sie haben früh investiert und das Risiko auf sich genommen. Das hängt hier allerdings an einzelnen Personen und ist überhaupt keine Selbstverständlichkeit. Man muss sagen, dass Deutschland insgesamt gesehen Rahmenbedingungen bietet, die langfristigen Entwicklungen in Technologien, die wir in Zukunft benötigen, nicht sehr förderlich sind.

Aber Rahmenbedingungen alleine sorgen nicht dafür, dass Erfindungen den Weg aus der Forschung an den Universitäten in die Entwicklung finden.

Klein: Erfindungen werden nach wie vor oft in akademischen Instituten gemacht. Diesen Erfindungen muss der Weg hinaus in die Entwicklung geebnet werden. Das nennt man Technologie-Transfer. Das können wir sicherlich noch professionalisieren. Der Stellenwert von Technologie-Transfer ist vielen Leitern von Instituten und Universitäten nicht unbedingt bewusst. Erst die Produktentwicklung außerhalb der Universität gibt der Gesellschaft, in der die Erfindung gemacht und oft durch Steuergelder finanziert wurde, etwas zurück. Gerade das zeigen Hoerr und seine Lebensgeschichte, die ich im Buch beschreibe. (GEA)

 

ZUR PERSON

Wolfgang Klein ist Mitgründer und CEO der Augenmedikamente entwickelnden Katairo GmbH. Zusammen mit Ingmar Hoerr, dem Gründer des Biotech-Unternehmens Curevac, absolvierte er in Krems ein MBA-Studium. Von 2002 bis 2010 war er Curevac-Finanzchef. (GEA)