BERLIN. Die Bundesregierung plant nach Aussagen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) derzeit keine Anerkennung Palästinas als eigenen Staat. Es gebe »keinen Anlass«, die Anerkennung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) als eigenen Staat zu vollziehen, erklärte Scholz. »Es gibt keine Klarheit über das Staatsgebiet, über alle anderen Fragen, die damit zusammenhängen«, sagte Scholz weiter. Es sei »noch nicht so weit«. Was stattdessen gebraucht werde, sei »eine verhandelte Lösung zwischen Israel und den Palästinensern, die auf eine Zwei-Staaten-Lösung hinausläuft«, bekräftigte Scholz. Welche Politiker sich in den letzten Tagen noch zur Debatte geäußert haben:
- Nils Schmid, SPD,
»Das ist ein verfrühter Schritt«, sagt Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD. Die Entscheidung ändere nichts an der Lebenssituation der Palästinenser. Auch die Voraussetzungen im Land selbst seien nicht gegeben. »Die palästinensische Autonomiebehörde ist nicht in der Lage, ausreichend Staatlichkeit und Kontrolle über das Gebiet auszuüben.« Die internationale Gemeinschaft müsse die Anerkennung Palästinas in einen politischen Prozess einbetten, fordert der SPD-Politiker. »Wir brauchen jetzt einen entschiedenen politischen Schritt, der entschlossen ist, aber nicht einseitig sein sollte«, sagt Schmid. Sobald ein Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln erreicht seien, brauche es ein politisches Maßnahmenpaket. Dieses müsse neben der internationalen Anerkennung des Staates Palästina auch die Normalisierung der Beziehungen der Arabischen Staaten, zu Israel vorsehen. »Es bleibt unterm Strich keine bessere Lösung für den Landkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern als eine Zweistaatenlösung«, betont Schmid. Die Anschläge vom 7. Oktober und der Krieg hätten den Weg dorthin erschwert. »Eine politische Lösung ist unverändert und dringender denn je erforderlich«, so der Außenpolitiker. Allerdings haben andere SPD-Politiker, wie etwa Ralf Stegner durchblicken lassen, dass sie Sympathie für die Anerkennung Palästinas haben.
Gregor Gysi, Linke
Der Linke-Politiker Gregor Gysi hat sich für eine staatliche Anerkennung auch durch Deutschland ausgesprochen. Ein solcher Schritt sei auch im Interesse der Sicherheit Israels, denn nur ein palästinensischer Staat könne die Hamas und andere Extremisten bekämpfen, argumentierte der außenpolitische Sprecher der Linken im Bundestag. Gysi sagte MDR Aktuell, er habe seiner Gruppe im Bundestag vorgeschlagen, ebenfalls einen Antrag auf Anerkennung einzubringen. »Palästinenser können die Hamas und andere Terrororganisationen viel wirksamer bekämpfen als Israel. Israel kann das nur militärisch machen. Die Palästinenser können es auch mit inneren Strukturen machen«, sagte er. In Deutschland gebe es aufgrund des Holocausts besondere Hemmungen, sich für eine Anerkennung Palästinas auszusprechen. »Trotzdem müssen auch wir uns einen Ruck geben. Es sind sehr, sehr viele Staaten, die inzwischen den Staat Palästina anerkannt haben. Man sollte so einen Zug der Zeit nicht versäumen und dann als Letzte oder Vorletzte zu diesem Schritt übergehen«, sagte er dem MDR. Gysi argumentierte, eine Anerkennung sei »gerade im Interesse der Sicherheit Israels«. Es gehe dabei nicht nur um die Palästinenser, es gehe auch um ein sicheres Israel. »Und wenn es keinen Staat gibt, der die Hamas und Ähnliches bekämpfen kann, wird das Ganze auch letztlich nicht funktionieren«, sagte er.
- Annalena Baerbock, Grüne
»Für eine Lösung dieser furchtbaren Situation, die wir gerade erleben müssen, da braucht es eben keine symbolische Anerkennung, sondern da braucht es eine politische Lösung«, sagte Baerbock. Ein eigenständiger Palästinenserstaat sei festes Ziel deutscher und europäischer Außenpolitik, sagte Baerbock. »Wenn eine einfache Anerkennung jetzt, in diesem Moment, Frieden bringen würde, dann würde, glaube ich, kein Mensch, kein Politiker auf dieser Welt zögern.« Die Außenministerin forderte erneut direkte Verhandlungen beider Seiten. So müssten die verschleppten Geiseln freikommen.
- Jürgen Hardt, CDU
Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, hat vor der Anerkennung eines Palästinenserstaates zum jetzigen Zeitpunkt gewarnt, wie sie jüngst von Spanien, Irland und Norwegen angekündigt wurde. Bei phoenix sagte Hardt: »Die Hamas wird diesen Schritt feiern, sie wird den Palästinenserinnen und Palästinensern sagen: Unser Freiheitskampf – in Anführungsstrichen – für Palästina hat Erfolg. Wenn wir mit Terror gegen Israel vorgehen, erreichen wir Fortschritte für das palästinensische Volk. Und das ist die denkbar schlechteste Botschaft, die wir uns vorstellen können.« Dies signalisiere, so Hardt weiter, dass offensichtlich der gewaltsame Weg zu einer Friedenslösung in der Region erfolgreicher sei als der Weg von Verhandlungen. »Deswegen kann ich der deutschen Bundesregierung nur dringend abraten, diesen Schritt auch zu machen«, sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion.
- Keine Mehrheit in der Bevölkerung
Ein Großteil der Deutschen ist einer Umfrage zufolge dagegen, Palästina zum jetzigen Zeitpunkt als eigenen Staat anzuerkennen. Das ist das Ergebnis einer Forsa-Erhebung für den »Stern«. Demnach ist die Hälfte der Deutschen (50 Prozent) gegen die Anerkennung, 38 Prozent sind dafür und 12 Prozent trauen sich keine Einschätzung zu. (GEA/dpa)