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Aktuell Terrorismus

Die Anschläge vom 11. September 2001: Ein Schock mit großen Folgen

Der 11. September 2001 hat die Welt für immer verändert. Der Schock nach den verheerenden Anschlägen in den USA ist bis heute nicht verarbeitet. Die USA riefen den globalen Krieg gegen den Terrorismus aus. Keine drei Jahre später verkündeten sie den ersten Sieg – ausgerechnet in Afghanistan. 20 Jahre später hat der Westen ausgerechnet dort eine schmachvolle Niederlage erlitten. Es sollte nicht die einzige katastrophale Fehleinschätzung bleiben.

Rauch steigt aus den brennenden Zwillingstürmen des World Trade Center auf. Foto:  Richard Drew/AP/dpa
Feuer und Rauchschwaden am Nordturm des World Trade Centers. Foto: Karp/dpa
Feuer und Rauchschwaden am Nordturm des World Trade Centers.
Foto: Karp/dpa

WASHINGTON. US-Präsident George W. Bush wollte die Nation aus ihrer Schockstarre erlösen, als er neun Tage nach den Anschlägen vom 11. September 2001 vor dem Kongress sprach. »Unsere Trauer hat sich in Zorn verwandelt und der Zorn in Entschlossenheit«, sagte Bush damals. »Unser Krieg gegen den Terror beginnt mit Al-Kaida, aber er endet nicht dort. Er wird erst enden, wenn jede Terrorgruppe von globaler Reichweite gefunden, gestoppt und besiegt worden ist.« Von einem Ende der internationalen Terrorbedrohung kann auch 20 Jahre später keine Rede sein. Und auf dem ersten Schlachtfeld in diesem Krieg – Afghanistan – ist der Westen gerade gescheitert.

Am 7. Oktober Angriff auf Afghanistan

Nachdem die Taliban sich weigerten, Al-Kaida-Chef Osama bin Laden auszuliefern, begann am 7. Oktober 2001 der US-geführte Angriff auf Afghanistan. Bush machte damals deutlich, dass sich der Kampf der USA ausdrücklich auch gegen jene Regierungen richte, die Terroristen Schutz böten. Das Taliban-Regime stürzte Ende 2001, eine Zeit lang schien es, als wäre Afghanistan auf einem guten Weg.

Es war eine von vielen katastrophalen Fehleinschätzungen. Spätestens die Abzugspläne von US-Präsident Donald Trump und seinem Nachfolger Joe Biden setzten in Afghanistan eine Dynamik in Gang, die zur erneuten Machtübernahme der Taliban geführt hat. Am 20. Jahrestag der Anschläge weht nun wieder die Flagge der Islamisten in Kabul.

Biden argumentiert, das wichtigste Ziel des Einsatzes sei dennoch erreicht worden – und zwar schon im Mai 2011, als US-Spezialkräfte Al-Kaida-Chef Osama bin Laden in Pakistan töteten. Richtig ist, dass die USA seit dem 11. September 2001 nie wieder zum Ziel eines vergleichbaren Terrorangriffs wurden. Die Gefahr ist aber nicht gebannt. In ihrem jüngsten Bericht zur Bedrohungslage schreiben die US-Geheimdienste, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), Al-Kaida und der Iran mit seinen militanten Verbündeten »planen weiterhin Terroranschläge gegen Personen und Interessen der USA, einschließlich in unterschiedlichem Ausmaß in den Vereinigten Staaten«.

UN: Al-Kaida schon vor Abzug in fast jeder zweiten afghanischen Provinz präsent

Bereits vor dem Abzug der internationalen Truppen war Al-Kaida nach Einschätzung der Vereinten Nationen in fast jeder zweiten afghanischen Provinz präsent. In einem Bericht des US-Sicherheitsrats vom Frühjahr hieß es: »Die Taliban sind weiterhin eng mit Al-Kaida verbunden und zeigen keine Anzeichen für einen Abbruch der Beziehungen.«

»Wir müssen aus unseren Fehlern lernen«, sagte Biden nach dem Ende des Einsatzes. »Bei dieser Entscheidung über Afghanistan geht es nicht nur um Afghanistan. Es geht darum, eine Ära großer Militäroperationen zur Umgestaltung anderer Länder zu beenden.« Die Schaffung demokratischer Strukturen könne nicht Ziel von Anti-Terror-Einsätzen sein.

Dass ein großangelegter Einsatz von Bodentruppen schwieriger zu beenden als zu beginnen ist, hat sich nicht erst in Afghanistan gezeigt. Bush nutzte den Krieg gegen den Terrorismus auch als Vorwand, um im März 2003 den Irak anzugreifen. Ende 2011 zogen die USA ihre Truppen aus dem Land ab. Keine drei Jahre später mussten sie zurückkehren, um die irakischen Sicherheitskräfte im Kampf gegen den IS zu unterstützen.

Wahlen, doch die ändern wenig an den realen Machtverhältnissen

Auch in Afghanistan unterstützten die US-Truppen die einheimischen Sicherheitskräfte, und noch eine Parallele ist im Irak zu erkennen: Eine funktionierende Demokratie, wie sie die USA nach ihrer Irak-Invasion 2003 in dem Land etablieren wollten, ist dort niemals entstanden. Zwar gibt es Wahlen zum Parlament, doch ändern diese an den realen Machtverhältnissen wenig. Die Politik des Landes ist geprägt von Misswirtschaft und Korruption. Der Frust vieler Iraker über ihre herrschende Klasse ist so groß, dass die Wahlbeteiligung 2018 auf ein historisches Tief fiel.

Vor allem öffnete der US-Militäreinsatz im Irak mit dem Sturz von Langzeitherrscher Saddam Hussein das Tor für massiven Einfluss des schiitischen Nachbarn Iran. Die schiitischen Muslime stellen im Irak nicht nur die Mehrheit, sondern dominieren auch die Politik. Teheran nutzt vor allem schiitische Milizen, um seine Interessen durchzusetzen. Das politische Chaos im Irak nutzte auch der IS, um 2014 große Teile des Landes unter Kontrolle zu bringen.

Druck auf die USA wächst

Auf die USA wächst der Druck, ihre Soldaten auch aus dem Irak abzuziehen. Zuletzt kam es immer wieder zu Raketenangriffen auf Einrichtungen, die von Amerikanern genutzt werden. Washington sieht schiitische Milizen am Werk. Doch ein Abzug hätte weitreichende Konsequenzen: »Der Iran übernimmt dann den Irak«, prophezeit Guido Steinberg, Irak-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Und auch der IS dürfte sich im Aufwind sehen.

Das würde erst recht gelten, wenn die Biden-Regierung auch den von Trump begonnenen Abzug aus Syrien vollenden sollte. Dort unterstützen die US-Truppen die Kurden im Kampf gegen den IS. Ohne Washingtons Hilfe wäre es kaum vorstellbar, dass sie die von ihnen kontrollierten Gebiete halten könnten. (dpa)