REUTLINGEN. Knapp ein Drittel der ukrainischen Flüchtlinge arbeitet. Über die Hälfte bezieht Bürgergeld. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland damit im Mittelfeld. Das muss besser werden.
Deutschland hat ein Problem: Einerseits werden Fach- und Arbeitskräfte gebraucht, andererseits erfolgt Zuwanderung in die Sozialsysteme. Dieser Widerspruch lässt sich der Gesellschaft nicht vermitteln. Daher steht die Regierung unter Druck. Sie hatte die Wahl zwischen schneller Arbeit und guter Arbeit – und hat sich für die zweite Option entschieden. Also investiert sie in Sprachkurse, Anerkennung von Abschlüssen und berufliche Qualifikation. Die Menschen lernen erst und arbeiten später. Das macht Sinn, wenn sie bereits gut ausgebildet sind und in Deutschland bleiben wollen – aber nicht als Grundregel. Wer Codes schreibt, der kann sich mit anderen Informatikern auf Englisch verständigen. Wer Pakete im Logistikzentrum packt, der kann Berufsdeutsch bei Kollegen aufschnappen.
Zumal den Sprachschulen Personal fehlt für den Unterricht ebenso wie den Behörden für die Anerkennung der Zeugnisse sowie den Kitas und Schulen für die Nachmittagsbetreuung der Kinder. Das bremst vor allem faktisch alleinerziehende Mütter aus – und um die handelt es sich größtenteils bei den ukrainischen Kriegsflüchtlingen. Da beißt sich die Katze in den Schwanz: Die Ukrainerinnen stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weil sie auf diese Dienstleistungen angewiesen sind. Diese Dienstleistungen werden aber nicht oder nur langsam erbracht, weil Arbeitskräfte fehlen. Da hilft nur eins: Deutschland muss den Turbo anwerfen. Wenn jemand den Job machen kann, dann soll er ihn machen. Dann verdient er eine Chance, sich in der Praxis zu beweisen – auch wenn er ein bestimmtes Sprachniveau oder eine formelle Qualifikation (noch) nicht nachweisen kann. Beim Arzt geht das zwar nicht, bei der Buchhalterin aber schon. (GEA)