Bernd Riexinger: Das sind die Genossen in Rheinland-Pfalz, die eine provokante Plakatkampagne machen. Wir in Baden-Württemberg haben klare Botschaften auf unseren Plakaten. Ich bin kein Anhänger von Helmut Kohl, obwohl ich sehr dafür wäre, die Spitzensteuersätze von Helmut Kohl wieder einzuführen. Er war ja in dieser Frage bekanntlich ein richtiger Sozialist.
Auch mit einem Satz von Papst Franziskus gehen Sie auf Werbetour. Verbindet denn die Linke neuerdings Religion und Politik?
Riexinger: Die Linke in Rheinland-Pfalz erregt mit dem Papst und Helmut Kohl Aufmerksamkeit. Papst Franziskus kritisiert die Profitgier des Kapitalismus und steht mit seiner konsequent mitmenschlichen Haltung in der Flüchtlingspolitik näher an meiner Partei als an denen mit dem großen C im Namen.
Die Flüchtlingspolitik ist das alles beherrschende Thema dieses Wahlkampfes. Angst vor Krieg, Terror und Flüchtlingszahlen bestimmen die Debatten. Was setzt die Linke der zunehmenden Verunsicherung der Menschen entgegen?
Riexinger: Die Menschen sind verunsichert, weil sie spüren, dass die regierenden Parteien ihnen Lösungskompetenz vorgaukeln. Wenn die Bundeskanzlerin sagt, »wir schaffen das«, dann muss sie auch sagen wie. Abschieben und Zäune bauen sind keine Lösung. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie ihrer Verantwortung nachkommt und für die Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft steht, die Mittel bereitstellt. Ein wichtiges Signal wäre eine Sozialgarantie – dass sich Merkel und der Bundesfinanzminister hinstellen und sagen: Eure Renten und Sozialleistungen sind sicher. Menschen, die verfolgt werden oder die vor Krieg fliehen, muss geholfen werden. Deswegen wehren wir uns gegen die Einschränkung des Asylrechts.
Die Zahl der hier ankommenden Flüchtlinge hat offensichtlich dazu geführt, dass Teile der Gesellschaft nach rechts rücken, wie es die Umfrageergebnisse für die AfD oder der Zulauf bei Pegida-Veranstaltungen zeigen. Da müsste sich die Linke als Gegengewicht noch besser profilieren können. Zumindest in Baden-Württemberg scheint das aber bislang nicht der Fall. Warum?
Riexinger: In den Umfragen verspüren wir gegenwärtig etwas Rückenwind. Die Tendenz zeigt nach oben. Wir haben zum ersten Mal Chancen, in das Parlament zu kommen. Sie haben aber insofern recht: Die Polarisierung geht stärker nach rechts. Die AfD nährt sich aber in erster Linie von der CDU und von Nichtwählern, die eine Protesthaltung zum Ausdruck bringen wollen. Das ist verursacht durch die Zerstörung des sozialen Zusammenhalts in den vergangenen 20 Jahren. Dadurch entstehen bei vielen Menschen Ängste. Offensichtlich gelingt es den Rechten, diese Ängste zu benutzen. In Wirklichkeit haben sie gar keine Lösungen anzubieten. Sie haben weder etwas zum Wohnungsbau, noch zum Mindestlohn zu sagen. Für die Rechte reicht es offensichtlich aus, die Flüchtlinge für alles verantwortlich zu machen. Das wird sich hoffentlich als vorübergehender Spuk erweisen.
Eine der Kernforderungen der Linken ist die Umverteilung von oben nach unten. Provozieren Sie damit angesichts der Flüchtlingskrise nicht noch zusätzliche Ängste, weil viele Menschen diese Politik mit einem Angriff auf die Besitzstandswahrung verbinden?
Riexinger: Nein, im Gegenteil. Ich hoffe, dass wir damit die Ängste nehmen. Es dürfen nicht die Flüchtlinge gegen Teile der Bevölkerung ausgespielt werden. Die Vermögensungleichheit in Deutschland ist erschreckend: Die reichsten zehn Prozent besitzen 52 Prozent des gesamten Vermögens, während sich die untere Hälfte der Gesellschaft ein Prozent des Vermögens teilen muss. Wir wollen die Durchschnittsverdiener und auch den Mittelstand entlasten. Belasten wollen wir die wirklich Reichen, die Millionäre und Milliardäre. Nach unserem Konzept sollen mit der Einführung der Vermögenssteuer ab der zweiten Million fünf Prozent Steuern gezahlt werden. Das würde Baden-Württemberg rund sieben bis acht Milliarden Euro in die öffentlichen Kassen spülen. Damit könnte man viele soziale Nöte beseitigen.
Sie wollen, dass sich die Landespolitik stärker gegen Armut einsetzt. Was konkret würden Sie bezogen auf die Landespolitik anders machen?
Riexinger: Wir kritisieren, dass Armut und Kinderarmut für diese Landesregierung kein Thema ist, obwohl jedes sechste Kind in Baden-Württemberg armutsgefährdet ist. Das betrifft insbesondere Kinder von Alleinerziehenden. Mieten machen viele Menschen arm. Wir fordern deshalb bezahlbaren Wohnraum und ein landesweites Sozialticket, damit einkommensschwächere Menschen Zugang zu öffentlichem Personennahverkehr, zu den Bädern und vielem mehr haben. Wir setzen uns auch für ein kostenloses warmes Mittagessen in Kitas und Schulen ein.
Sie kreiden der Landesregierung einen Kahlschlag im sozialen Wohnungsbau an. Was möchten Sie anders machen?
Riexinger: Das Versagen im Wohnungsbau ist evident. Wir haben überall Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Es geht dabei nicht um Luxuswohnungen. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren 84 000 Sozialwohnungen verloren. Gebaut wurden nach der aktuellsten Zahl im Jahr 2013 lediglich 90 Sozialwohnungen im Südwesten. Auf diesem Weg würde man 933 Jahre brauchen, um den alten Bestand wieder aufzubauen. Es ist deshalb das dringendste Thema, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Ich habe kein Verständnis dafür, dass das weder Ministerpräsident Winfried Kretschmann noch Finanzminister Nils Schmid wollen.
Bildungsgerechtigkeit ist seit jeher ein wichtiges Anliegen der Linken. Wie halten Sie es mit der Gemeinschaftsschule?
Riexinger: Für uns ist das Wichtigste, dass die Bildungschancen nicht von der sozialen Herkunft bestimmt werden. Wir sagen: das Beste ist die Gemeinschaftsschule, also zehn Jahre gemeinsam lernen mit entsprechender Ausstattung. Ganz wichtig dabei sind auch Ganztagsschulen. Gemeinschaftsschulen in Verbindung mit Ganztagsschulen sind die beste Möglichkeit, um alle Kinder zu fördern. Deshalb muss man das dringend flächendeckend einführen. Wir haben hier einen Flickenteppich, aber keine wirklich durchgängige Bildungsreform.
Herr Riexinger, Sie sind Parteivorsitzender der Linken und Spitzenkandidat Ihrer Partei für die Landtagswahl im Südwesten. Damit sind Sie auch Hauptverantwortlicher für den Wahlausgang. Steht Ihre Wahl zum Parteichef im Mai dieses Jahres auf dem Prüfstand, wenn die Linke den Einzug ins Landesparlament nicht schafft?
Riexinger: Ich beschäftige mich nicht mit dem Gedanken, dass wir es nicht schaffen. Wir sind da sehr optimistisch. Aber ich glaube, dass meine Partei mit dem Duo Katja Kipping und Bernd Riexinger an der Parteispitze ganz zufrieden ist und die Mitglieder deshalb sehr damit einverstanden sind, dass wir nochmals antreten. Über Wahlergebnisse hat man als Spitzenkandidat immer Verantwortung. (GEA)