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Aktuell Bahnprojekt

Baggerbiss am Südflügel wegen Stuttgart 21 - Proteste am Abend

STUTTGART. Um 15.07 Uhr ist es soweit: Mehr als eine Stunde später als ursprünglich angekündigt bricht ein gigantischer Abbruchbagger für das Bahnprojekt Stuttgart 21 die ersten Steine aus dem Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofes. Grund für die Verzögerung: Die widerspenstige Transportsicherung des 36 Meter langen Bagger-Arms macht den Arbeitern in letzter Minute einen Strich durch die Terminplanung. Das über 270 Meter lange Bauwerk soll nach der zweiwöchigen Entkernung innerhalb der nächsten acht Wochen verschwunden sein.

Demonstranten am Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs.
Demonstranten am Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Foto: dpa
Demonstranten am Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs.
Foto: dpa
Mit dem Baggerbiss zerschlägt sich auch die letzte Hoffnung der Stuttgart-21-Gegner, weitere Bauarbeiten am denkmalgeschützten Bonatz-Bau verhindern zu können. Allerdings haben sich bei Eiseskälte kaum mehr Demonstranten als Journalisten eingefunden. In der Nacht zum Montag hatten sich laut Polizei noch bis zu 250 Projektgegner sich an der Baustelle eingefunden; 17 von ihnen mussten aus einem abgesperrten Bereich getragen werden. Als die Baumaschine am Dach des Gebäudes ansetzt, sind gerade einmal 150 Protestierende vor Ort. Ihnen stehen etwa 200 Polizisten entgegen, um die Arbeit der 110 Tonnen schweren Baumaschine zu schützen.

Eine Demonstrantin erklärt resigniert, warum der Protest so gering ausfällt: »Viele wollen sich diese Demütigung nicht mehr antun.« Die Frau aus Schorndorf, die kaum eine Demonstration ausgelassen hat, trägt ein Plakat mit der Aufschrift: »Was hier geschieht, ist ein Verbrechen.« Erst am Abend versammeln sich mehr Mitstreiter: Zur sogenannten Montagdemonstration kommen nach Schätzungen der Polizei etwa 2300 Menschen.

Die »Parkschützer« sprechen von »sinnloser Zerstörung«. Sie betonen, die Bahn habe enorme technische Probleme noch nicht gelöst; der Konzern sei weder mit der Umleitung eines unterirdischen Stromes oder dem Technikgebäude weiter gekommen. Sprecher Matthias von Herrmann sagt: »Ministerpräsident Kretschmann darf es sich nicht weiter gefallen lassen, dass die Bahn auf Kosten der Bürger Fakten schafft, während weder die technische Machbarkeit noch die Finanzierung des Tunnelbahnhofs geklärt sind.«

Mehrere hundert Stuttgart-21-Gegner bringen am Abend den Verkehr in der Innenstadt für rund eine Stunde zum Erliegen. Nach der sogenannten Montagsdemonstration mit nach Polizeischätzungen rund 2300 Teilnehmern ziehen mehrere hundert Gegner des umstrittenen Milliardenprojekts der Bahn zum Charlottenplatz nahe des Bahnhofs und blockieren dort den Verkehr. Anti-Konflikt-Teams sind vor Ort. Erst allmählich löst sich die Versammlung auf. Die Aktion verläuft ohne Zwischenfälle.

Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim weist am Montagmorgen einen Eilantrag gegen den Abriss ab. Mit dem Antrag hatte Peter Dübbers, Enkel des Bahnhofs-Architekten Paul Bonatz, der Bauherrin Bahn den Abriss des urheberrechtlich geschützten Werkes seines Großvaters untersagen wollen. Jedoch erfüllt er nach Ansicht des VGH nicht die nötigen Voraussetzungen für die Klage. Der VGH wirft dem Kläger zudem vor, mit seinem Antrag bis zuletzt gewartet zu haben.

Der Nordflügel des Hauptbahnhofs war bereits im Jahr 2010 unter massivem Protest abgerissen worden. Das Hauptgebäude samt Bahnhofsturm bleibt jedoch stehen. In den kommenden zwei Wochen sollen auch Baumfällarbeiten im Stuttgarter Schlossgarten beginnen. Dafür muss das Protestcamp im Park weichen. Es wird mit massiverem Widerstand gegen das Roden und Verpflanzen der Bäume gerechnet als gegen den Abbruch des Südflügels.

Mehrere Dutzend Anwohner und Gegner des Tunnelbahnhofs Stuttgart 21 diskutieren am Montag über geplanten Änderungen am Fildertunnel. Die Planänderung für den zweiten Abschnitt der Bahn-Neubautrasse Stuttgart-Ulm sieht etwa zusätzliche Verbindungsstollen für mehr Sicherheit vor. Außerdem sollen die 9,5 Kilometer langen Röhren mit einer Tunnelbohrmaschine statt der bislang genehmigten Spritzbetonbauweise gebaut werden. Rund 4000 Einwände werden erhoben.

Die Kritiker sehen laut Regierungspräsidium vor allem geologische Risiken. Sie befürchten, dass sich die Erde beim Tunnelbau senken oder gar gefährlich abrutschen könnte. Die Bahn schreibt dazu in ihrer Stellungnahme: »Insgesamt betrachtet kann gesagt werden, dass die geplante Infiltration die wirksamen Kräfte und somit den Gleichgewichtszustand des Hanges nicht ändert.«

Der Erörterungstermin wird an diesem Dienstag (31.1.) um 9.00 Uhr fortgesetzt. (dpa)