REUTLINGEN. Kanzler Olaf Scholz fordert eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro. Doch das ist nur billiges Wahlkampfgetöse. Denn die Entscheidung treffen andere.
Die SPD will ihr Profil schärfen. Schließlich beginnt in Kürze der Wahlmarathon: EU-Parlament und drei Landtage in diesem Jahr, Bundestag im nächsten Jahr. Da wollen die Sozialdemokraten die Stammklientel mobilisieren. Dafür setzen sie auf klassische Themen: erst Frieden, jetzt Lohngerechtigkeit. Tatsächlich fällt die geplante Erhöhung des Mindestlohns von derzeit 12,41 Euro auf demnächst 12,82 Euro mickrig aus und gleicht die Inflation nicht aus. Die Schere zu mittleren Löhnen geht weiter auf, denn in etlichen Branchen haben Gewerkschaften satte Steigerungen erkämpft. Im Niedriglohnsektor fühlt man sich abgehängt. Gleichzeitig schrumpft der Abstand zum höheren Bürgergeld. Das befeuert die Diskussion, ob Arbeit sich lohnt. All das spricht für eine stärkere Anhebung des Mindestlohns.
Trotzdem ist die Festsetzung nicht Sache der Politik. Die Entscheidung obliegt Arbeitgebern und Gewerkschaften, die in der Mindestlohnkommission einen Kompromiss finden müssen. Mit seiner Einmischung untergräbt Scholz die Tarifautonomie. Fraglich ist auch, ob Beschäftigte langfristig profitieren. Denn höhere Löhne führen zu höheren Preisen und setzen eine Negativ-Spirale in Gang. Arbeit - und zwar gering qualifizierte - wird teurer: ein Problem, mit dem Deutschland im internationalen Vergleich schon jetzt kämpft. Das verstärkt den Druck auf Unternehmen, Jobs ins Ausland zu verlagern oder durch Technik zu ersetzen. Damit hätte die SPD Geringverdienern einen Bärendienst erwiesen. (GEA)