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Aktuell Kommentar

Angriffe auf Politiker: Keine Opfergruppe priorisieren

Nancy Faesers Forderung, Angriffe gegen Politiker schneller zu ahnden, klingt gut, führt aber in die falsche Richtung, kommentiert GEA-Redakteur Martin Zimmermann

Der SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke nach dem tätlichen Angriff.
Der SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke nach dem tätlichen Angriff. Foto: Matthias Ecke/dpa
Der SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke nach dem tätlichen Angriff.
Foto: Matthias Ecke/dpa

REUTLINGEN. Innenministerin Nancy Faeser will Bedrohungen gegen Amtsträger schneller verurteilt und die Verfahren weniger oft eingestellt wissen. Beim deutschen Richterbund kommt dieser Hinweis nicht gut an. Die Strafjustiz ziehe Straftäter schnellstmöglich zur Verantwortung. Statt Ratschläge zu geben, solle Faeser lieber zusätzliche Richterstellen bewilligen, sagt der Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn.

Bei dieser Debatte wird das Problem deutlich: Deutsche Gerichte sind überlastet. Es gibt zu viele Verfahren und zu wenig Richter. Es dauert deshalb viel zu lange, bis Straftäter verurteilt oder freigesprochen werden. Oftmals müssen Verdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen werden, weil sich das Verfahren zu lange hinzieht. Verdächtige, die nicht in Haft sind, haben das Gefühl, dass sie davonkommen. Dagegen, dass die Mühlen der Justiz zu langsam mahlen, hilft es nur, mehr juristisches Personal einzustellen. Das kostet aber Geld.

Bedrohungen gegen Amtsträger sind schlimm, keine Frage. Deshalb sollten sie auch schnell verfolgt werden. Allerdings ist es ein Grundsatz des Rechtsstaates, dass vor dem Gesetz alle gleich sind. Deshalb sollte eine bestimmte - ohnehin eher mächtige - Opfergruppe nicht priorisiert werden, gegenüber einer anderen. Gewaltdrohungen gegen Journalisten, Ärzte oder Ex-Partner sind genauso schlimm, wie Bedrohungen von Amtsträgern. Jeder, der bedroht wird, sollte den Schutz des Gesetzes genießen.

martin.zimmermann@gea.de