BERLIN. Achtsamkeitsübung, Datingplattform und Insektensterben gehören zu den Neuaufnahmen im neuen Duden, der am 12. August erschienen ist. Gestrichen wurden Wörter wie Hackenporsche (Scherzwort für Einkaufsroller) und Vorführdame (Model).
Pünktlich zum Erscheinen der 28. Auflage des Dudens legte der Verlag nun auch nochmal das Buch »Was nicht mehr im Duden steht« von 2018 neu und erweitert auf. Es erläutert, wann Begriffe aus dem Duden flogen, und ist eine Reise zu Höhepunkten und Abgründen der deutschen Sprache.
Gemeint ist mit »Duden« stets der gelbe Duden, das Rechtschreibwörterbuch, das weder den Wortschatz vollständig abzubilden versucht, noch Angaben zu Wortherkunft und -bedeutung macht. Es ist Band eins der zwölfbändigen Dudenreihe. Im Online-Duden sind viele der gestrichenen Wörter nach wie vor als »veraltet« zu finden. Wörter fallen aber aus dem Duden-Buch, wenn sie außer Gebrauch geraten, oder andere Wörter sie recht eindeutig verdrängen - wie zum Beispiel »Tollwut« die »Hundswut«, die 1991 gestrichen wurde.
Zu den »schönsten« Wörtern, die der (gedruckte) gelbe Duden einst rausstrich, zählt der »Was nicht mehr im Duden steht«-Autor Peter Graf »schabernackisch« (1961 in der Bundesrepublik gestrichen; 1967 in der DDR), das 1991 gestrichene »fuchsschwänzeln« (jemandem nach dem Mund reden; schmeicheln) sowie das 2009 entfernte »verschimpfieren« (verunglimpfen/beschimpfen).
In thematischen Kapiteln durchkämmt der Autor die Wörtergeschichte. Dabei erfahren Leser auch, dass der »Urduden« von 1880 gerade mal rund 27 000 Einträge hatte. In der neuesten Auflage von 2020 ist die Zahl der Stichwörter auf 148 000 gestiegen.
Beim Thema »Mode und Textilien« erfahren Leserinnen und Leser zum Beispiel, dass 1941 der »Überschwupper« als halb scherzhafte Verdeutschung von Pullover verschwand; die Sweater-Verdeutschung »Schwitzer« aber erst 1957 im Osten und sogar erst 1967 im Westen.
Die »Agrumen« als Sammelbezeichnung für Zitrusfrüchte wurden 1980 im Westen und fünf Jahre später im Osten gestrichen. Das Wort »Zugemüse« für Gemüsebeilage erst im Jahr 2000.
Früher gab es erstaunlich kompakte Wörter fürs »alt werden« oder »Obst ernten« im Duden: nämlich »älteln« (1961 im Westen, 1985 im Osten gestrichen) und »obsten« (1961 im Westen weg, 1967 im Osten).
Die Jahre der Nazi-Herrschaft waren auch beim Duden düster. Sowohl die Auflage von 1934 als auch - in einem noch größeren Maße - jene von 1941 enthielten viel NS-Vokabular, wie Graf erläutert. Der Germanist Otto Basler, der die Redaktion der 11. und 12. Auflage geleitet hat, und nach dem Zweiten Weltkrieg seine Karriere als Hochschulprofessor fortsetzte, leistete keinerlei Widerstand - »oder wie es der Sprachwissenschaftler Wolfgang Werner Sauer 1989 in seinem Aufsatz «Der Duden im Dritten Reich» ausdrückte: Die Neuauflage hat er schon 1933 so angelegt, dass eine Gleichschaltung des Wörterbuchs überflüssig war.« Die Institution Duden passte sich dem Nationalsozialismus »mit bemerkenswerter Schnelligkeit« an.
Viele Wörter wurden dann 1947 schnell wieder gestrichen, darunter natürlich »Hitlergruß«, »kriegsbereit«, »Verjudung«, »Kraft durch Freude«, »fremdrassig« und »Untermensch«. Betroffen waren nach Hochrechnungen Wolfgang Werner Sauers rund fünf Prozent aller Stichwörter. Die erste Nachkriegsauflage erschien 1947 in Leipzig; ein Lizenznehmer vertrieb sie dann in den drei westlichen Besatzungszonen beziehungsweise in der Bundesrepublik.
Ab den 50er Jahren gab es eine Teilung in Ost-Duden und West-Duden. »Diese Parallelausgaben des Dudens trugen daher die gleichen Auflagenzahlen: In Westdeutschland (am Verlagssitz Mannheim) waren es insgesamt sechs, in Ostdeutschland (am bisherigen Verlagssitz Leipzig) fünf Auflagen. Während es in rechtschreiblichen Fragen so gut wie keine Unterschiede gab, wichen die Auflagen im verzeichneten Wortschatz durchaus voneinander ab«, heißt es in dem Buch.
Der »Einheitsduden«, die 20. Auflage von 1991, beendete die
Zeit der Parallelausgaben. Gestrichen wurden damals DDR-Begriffe wie »Kaderakte« (Personalakte) und »Namensweihe« (feierliche Namensgebung bei einem Neugeborenen als Ersatz für die christliche Taufe).
Auffällig ist, dass bei mancher gesellschaftlichen Entwicklung die Bundesrepublik Nachzügler war. Während im Osten zum Beispiel schon 1967 die »Arztfrau« verschwand - also die Frau, die mehr oder weniger als Gnade die akademischen Weihen des Herrn Gemahls tragen darf - war es im Westen erst 1980.
Und das in den 30er Jahren eingesickerte und faschistisch geprägte Wort »Volksverräter« (abwertend für: jemand, der das eigene Volk hintergeht, betrügt) verschwand schon 1951 im Ost-Duden, aber erst 1973 im West-Duden. Heute steht es wieder drin - allerdings nur wegen seiner neuerlichen Karriere in den letzten Jahren. Vor ein paar Jahren wurde es in Darmstadt von der dortigen Jury zum »Unwort des Jahres 2016« erklärt - und im Duden gibt es ganz hinten eine Liste der seit 1991 gekürten »Unwörter des Jahres« in Deutschland. (dpa)