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Viel Theater um Dresdner Semperopernball

»Märchenhaft rauschend - Dresden jubiliert« lautet 2020 das Motto des Semperopernballs. Ein Orden für Ägyptens Machthaber Al-Sisi erscheint vielen aber eher obskur als märchenhaft. Kurz vor dem Ball zieht der Impresario die Notbremse.

Semperopernball
Der Dresdner Semperopernball 2020 ist in aller Munde, aber ganz anders als gedacht. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa
Der Dresdner Semperopernball 2020 ist in aller Munde, aber ganz anders als gedacht. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Dresden (dpa) - Eine skandalöse Ehrung, brüskierte Partner, Absagen von Prominenten: Der Dresdner Semperopernball 2020 ist in aller Munde, aber ganz anders als gedacht.

Die Macher, ein privater Verein um den umtriebigen Kulturmanager Hans-Joachim Frey, bemühen sich seit Tagen um Schadensbegrenzung. Die Preisverleihung im Vorfeld an Ägyptens Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi, der gegen Kritiker und Oppositionelle hart vorgeht, überschattet die 15. Auflage am Freitag (7. Februar).

Nun zieht Frey die Notbremse, um das Ballprogramm zu retten. Mit der Übergabe des St.-Georgs-Ordens trotz vielfacher Kritik vor anderthalb Wochen in Kairo hat Frey nach Auffassung vieler Beobachter den Bogen überspannt, Partner und Akteure der Ballnacht in die Bredouille gebracht und den Event zum Politikum gemacht. Während Zuschauerraum und Bühne von Dresdens berühmtem Opernhaus zum Ballsaal und die Ränge zu Logen umgebaut werden, versuchen die Macher zu retten, was noch zu retten ist.

Nach der Rückkehr aus Kairo hatte Frey die Auszeichnung verteidigt - der Verein habe damit »Kulturbrücken bauen« wollen. Kurz vor dem Event nun musste er sich dem anhaltenden Druck beugen: Al-Sisi wird der Orden wieder aberkannt - nach neun Tagen. Dem voraus ging am Dienstag ein Treffen mit Rocksänger Peter Maffay, dem die Entschuldigung des Ballvereins nicht reichte. Er knüpfte seinen Auftritt an die Bedingung, dass Al-Sisi der Ballorden aberkannt wird.

Doch die Liste der Künstler und Promis wird kürzer. Inzwischen hat auch Model Eva Padberg abgesagt. »Ich habe mich als Botschafterin für Unicef sehr auf den Semperopernball gefreut«, schrieb sie auf Instagram. Sie habe als Gast über die wichtigen Projekte sprechen wollen, um Kindern weltweit zu helfen. »In den letzten Tagen habe ich leider den Eindruck gewonnen, dass dieses Anliegen durch die Diskussionen rund um den Ball in den Hintergrund rückt und nicht den gewünschten Raum erhalten würde.«

Auch das aus der TV-Serie »Babylon Berlin« bekannte Moka Efti Orchestra mit Sängerin Severija wird nun nicht gemeinsam mit dem MDR-Sinfonieorchester auftreten. Ihr Song »Zu Asche zu Staub« thematisiere den Untergang der Weimarer Demokratie und das Heraufziehen des Totalitarismus. »Wir sehen uns klar in der Verantwortung für Erhalt und Förderung von Menschenrechten und Demokratie«, erklärten die Musiker. »Wir können und werden uns nicht einspannen lassen für die Rehabilitierung eines Autokraten.«

Es war nicht der erste Eklat mit dem undotierten Ballorden, einer Nachbildung des barocken Anhängers mit dem Heiligen Georg als Drachentöter aus dem Dresdner Grünen Gewölbe. Schon 2009 hatte Frey mit der Auswahl des russischen Präsidenten Wladimir Putin für Misstöne gesorgt. Sachsens damaliger Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hielt die Laudatio auf den Kreml-Chef.

Kulturmanager Frey, der die bis 1939 gepflegte Balltradition in Dresden als Direktor an der Sächsischen Staatsoper 2006 wiederbelebt hatte, sah den Ball in internationalen Sphären angelangt. Ziel seines Semper Opernball-Vereins zudem: Glamour wie in Wien. Ein Orden garantierte Promis im Musentempel. Das kommt nun auf den Prüfstand. Auch Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch (CDU) will mit Blick auf die Zukunft des gesellschaftlich für Dresden und Sachsen wichtigen Ereignisses eine Aufarbeitung.

Obwohl Al-Sisi nicht in der Semperoper tanzen sollte, war der öffentliche Druck diesmal größer. Der Semperoper-Intendant erklärte seine ausdrückliche Missbilligung und betonte, dass das Haus »als führende Kulturinstitution stets Stellung für Frieden, Toleranz und Menschenrechte bezieht«, Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) prüfte kritisch seine Ballteilnahme. Auch Medienpartner distanzierten sich, Moderator und Schlagersänger Roland Kaiser gar »mit allergrößtem Nachdruck«. Die Vergabe des Ballordens an Al-Sisi »widerspricht allem, wofür ich als Künstler und als Mensch stehe«, schrieb er auf Facebook.

»Tagesschau«-Sprecherin Judith Rakers zeigte sich wie Kaiser »irritiert« und löste ihren Vertrag als Co-Moderatorin; auch Stadt, Oper und MDR kündigten mit Blick auf die Zukunft Konsequenzen an. Frey streute Asche auf sein Haupt: »Die Verleihung war ein Fehler.« Die »Irritationen« würden von Herzen bedauert, man wolle über das Selbstverständnis als Kulturbotschafter nachdenken. Um nur ein paar Zeilen zu schwärmen von »einem wunderbaren Fest« und »einmaligen Ballerlebnis« - als wäre nichts gewesen.

Die Wogen aber glätteten sich dennoch nicht. Auch Mareile Höppner, die quasi aus dem Hut gezauberte neue Dame für den Abend an der Seite von Roland Kaiser, machte einen Rückzieher, weil sie nach eigenen Angaben angefeindet und bedroht wurde. Konkret wurden weder sie, der MDR noch der Ballverein. Die Absagen von SAP-Gründer Dietmar Hopp als Preisträger und Fußballmanager Uli Hoeneß als Laudator läuteten das Ende für den St.-Georgs-Orden ein - zumindest für die Jubiläumsausgabe.

»Ein Ball ohne Preis würde der rauschenden Nacht keinen Abbruch tun«, sagt Oberbürgermeister Hilbert. Er hält die Vergabe für »inflationär« und verweist auf viele Dresdner Preise »mit großem Renommee und Außenwirkung« wie den internationalen Friedenspreis oder den Erich-Kästner-Preis.

Nach wiederholter Kritik hatten die Veranstalter das Prozedere für diesen Ball gestrafft und das Catering vorverlegt. Nun bleibt den bis zu 2500 Gästen im Saal der Ordens-»Marathon« erspart. Wie das Programm unter dem Motto »Märchenhaft rauschend - Dresden jubiliert« nun konkret aussieht, ist unklar. Beim SemperOpenairball vor dem Opernhaus mit »märchenhafter Show«, zu dem Tausende erwartet werden, hat Amnesty International eine Mahnwache angekündigt.

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