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Tony Awards in New York verliehen

Mit Entertainment kennt man sich in den USA bekanntlich aus. Doch selbst für Show-Profis war diese Preisverleihung etwas besonderes: eine zur Primetime ausgestrahlte Show ganz ohne Skript.

Tony Awards - Alex Newell
Alex Newell bekam den Preis für die beste Leistung eines Schauspielers in einer Nebenrolle bei den Tony Awards in New York. Foto: Charles Sykes
Alex Newell bekam den Preis für die beste Leistung eines Schauspielers in einer Nebenrolle bei den Tony Awards in New York.
Foto: Charles Sykes

»Well, well, well... welcome to the 76th Annual Tony Awards«: Mit diesen Worten begrüßte US-Schauspielerin Ariana DeBose am Sonntagabend ihr Publikum im New Yorker United Palace und kam dann schnell zum Punkt. »Wir haben kein Drehbuch, Leute – ich bin live und ohne Drehbuch!«

Die TV-Übertragung des wichtigsten Musical- und Theaterpreises der USA war zuvor auf der Kippe gestanden, weil die Autoren-Gewerkschaft »Writers Guild of America« derzeit streikt. Im Fernsehen ausgestrahlte Preisverleihungen folgen allerdings einem Drehbuch.

Schlussendlich gab es einen Kompromiss: Die Veranstalter verpflichteten sich dazu, auf der Bühne keine Drehbuchtexte zu verwenden. Zwei Teleprompter im Saal zeigten lediglich einen Countdown an, um bei den Dankesreden im Zeitplan zu bleiben. Gesungen und getanzt wurde trotzdem; unterstützende Worte einiger Preisträger für die Forderungen der Gewerkschaft gab es ebenfalls.

Als bestes Theaterstück wurde das Drama »Leopoldstadt« ausgezeichnet, das die Geschichte einer jüdischen Familie in Wien über mehrere Generationen hinweg erzählt. Der 1937 geborene Autor Tom Stoppard floh als kleines Kind mit seiner Familie aus der damaligen Tschechoslowakei vor den Nazis und kam nach Großbritannien, wo er seine jüdische Identität weitgehend ablegte und nicht wusste, wie viele Familienmitglieder im Holocaust getötet wurden.

Tony Awards - Tom Stoppard
Dramatiker Tom Stoppard wurde für sein Stück »Leopoldstadt« ausgezeichnet. Foto: Evan Agostini
Dramatiker Tom Stoppard wurde für sein Stück »Leopoldstadt« ausgezeichnet.
Foto: Evan Agostini

Tränen beim Publikum

Die Trophäe für das beste Musical erhielt die Komödie »Kimberly Akimbo« von Autor David Lindsay-Abaire und Komponistin Jeanine Tesori. Das Stück handelt von einer einsamen aber aufgeweckten Teenagerin in New Jersey, die wegen einer Krankheit aussieht wie eine alte Dame.

Zwei Preisträger schrieben unterdessen LGBTQ-Geschichte: J. Harrison Ghee wurde als bester Musical-Hauptdarsteller in »Some Like It Hot« ausgezeichnet. Alex Newell erhielt den Award als bester Musical-Nebendarsteller in »Shucked«. Die Künstler sind die ersten Tony-Gewinner, die sich zum Zeitpunkt ihrer Auszeichnung offen als nichtbinär bezeichnen.

LGBT ist die englische Abkürzung für lesbisch, schwul, bisexuell und Transgender. Oft wird auch die Variante LGBTQ verwendet. Wie bei den Oscars gibt es bei den Tonys nur geschlechtsspezifische Kategorien. Ghee und Newell hatten im Vorfeld einer potenziellen Nominierung für die Kategorie »Schauspieler« zugestimmt. Das Publikum reagierte mit stehendem Applaus, im Saal flossen Tränen.

Statt in der Radio City Music Hall im Herzen Manhattans fand die Preisverleihung dieses Jahr im nördlicher gelegenen Washington Heights statt. Die Entscheidung für den Ortswechsel war laut »New York Times« eine finanzielle: So sei die Miete für den United Palace - ein pompöser Kinosaal aus den 1930er Jahren - schlichtweg günstiger gewesen.

Die Tony Awards gelten als wichtigster Preis für Musicals und Theaterstücke in den USA, berücksichtigen aber nur Produktionen, die im zurückliegenden Jahr in einem der rund 40 Broadway-Häuser im New Yorker Theaterviertel neu aufgeführt wurden.

© dpa-infocom, dpa:230612-99-22694/5