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Stuckrad-Barre liest aus seinem Roman »Noch wach?«

Selten hat ein neuer Roman eine solche Aufmerksamkeit wie dieser. Benjamin von Stuckrad-Barre startet vor den Augen von Promis seine Lesetour und betont erneut: Es sei ein fiktives Werk.

Benjamin von Stuckrad-Barre
Der Autor Benjamin von Stuckrad-Barre liest im Berliner Ensemble aus seinem Buch »Noch wach?«. Foto: Hannes P. Albert
Der Autor Benjamin von Stuckrad-Barre liest im Berliner Ensemble aus seinem Buch »Noch wach?«.
Foto: Hannes P. Albert

Der Bestseller-Autor Benjamin von Stuckrad-Barre hat seinen neuen Roman in Berlin vorgestellt. Am Mittwochabend las der 48-Jährige rauchend auf der Bühne im Berliner Ensemble aus dem belletristischen Werk »Noch wach?« vor. Laut Theater waren die rund 640 Tickets ausverkauft.

Im Publikum saßen zahlreiche Journalisten und Prominente, darunter waren die Schauspielerin Katja Riemann und der Regisseur Sönke Wortmann. Der Publizist Michel Friedman kam ebenso und sagte der Deutschen Presse-Agentur vor der Lesung, dass er als interessierter Romanleser gekommen sei.

Am Mittwoch wurde parallel der mit Spannung erwartete Roman veröffentlicht. In einem am selben Tag erschienenen »Spiegel«-Interview verwahrte sich Stuckrad-Barre dagegen, dass es sich - wie zuvor in Medienberichten spekuliert - um einen Schlüsselroman über das Medienhaus Axel Springer (»Bild«, »Welt«) handeln könnte.

Der Schriftsteller von Stuckrad-Barre sagte in dem Interview: »Schlüsselroman? Auf gar keinen Fall. Was ist das auch für ein unangenehmes Wort, was soll das überhaupt bedeuten? Bei «Schlüsselroman» denken alle an die falsche Tür.«

Alles Fiktion

Das belletristische Werk hat 370 Seiten. Stuckrad-Barre ist bekannt durch Bücher wie »Soloalbum« und »Panikherz«. In »Noch wach?« wird gleich zu Beginn betont, dass es zwar »in Teilen inspiriert von verschiedenen realen Ereignissen« sei. Der Roman sei »jedoch eine hiervon losgelöste und unabhängige fiktionale Geschichte«. Der Autor habe »ein völlig eigenständiges neues Werk geschaffen«.

Auch bei der rund zweistündigen Premierenlesung hob der 48-Jährige erneut das Fiktive seines Werks hervor und sagte etwa: »Es gibt so viele ausgedachte Personen in diesem Buch - das ist unglaublich.«

Auf die Bühne trat der Autor in gestreiftem Shirt und weißer Hose zur Musik »Out of the Dark« von Falco. Davor waren Instrumentalklänge zum Song »Toxic« zu hören. Er riss die Arme in die Höhe, später zeigte er auch mal das Victory-Zeichen. Stuckrad-Barre meinte zu Beginn, dass er aufgeregt sei. »Ich les mal jetzt 'n bisschen was vor.« Er animierte das Publikum, zu ihm auf die Bühne zu kommen, wenn jemand rauchen wolle - er blieb dort aber allein.

Stuckrad-Barre las aus mehreren Kapiteln vor, manche riss er nur an. Einmal rief er von der Bühne ins Publikum und fragte, ob eine befreundete Kickboxerin da sei. Aus dem Publikum war eine Frauenstimme zu hören: »Ja«.

Mittagessen mit dem Chef

Der Roman beginnt so: Im ersten Kapitel wird ein entstehendes Vertrauensverhältnis zwischen einer Auszubildenden und dem Chefredakteur eines TV-Senders geschildert. Der Autor skizziert, wie die junge Frau sich geschmeichelt fühlt durch Anerkennung und Aufmerksamkeit ihres Chefs. Sie essen zusammen mittags in seinem Büro, verabreden sich dann auch für abends.

In einem der vorderen Kapitel taucht auch ein Freund (sie seien »praktisch Brüder«) des Erzählers auf, dem ein Fernsehsender gehört. Unterwegs im Westen der USA berichtet der Erzähler im Auto diesem Freund von Nachrichten, die er als problematisch einstuft. Diese Nachrichten habe der Sender-Chefredakteur einer jüngeren Angestellten geschickt. Der Ich-Erzähler äußert deutlich seine Abneigung gegen den Chefredakteur.

Verlag: »Sittengemälde unserer Zeit«

Der Buchverlag Kiepenheuer & Witsch hatte angekündigt, es handele sich um ein »Sittengemälde unserer Zeit«. Der Roman erzähle von »Machtstrukturen und Machtmissbrauch, Mut und menschlichen Abgründen«. Er spielt unter anderem in der Medienbranche und behandelt auch die #MeToo-Bewegung.

Schon Tage vor dem Erscheinen hatte der in Bremen geborene Stuckrad-Barre mit einer PR-Aktion auf sich aufmerksam gemacht und Erwartungen an den Roman weiter angeheizt: Zahlreiche Prominente, darunter Schauspieler, Musiker und Journalisten der ARD, sprachen Überschriften der insgesamt 18 Kapitel auf, die über sein Instagram-Profil peu à peu an die Öffentlichkeit gelangten. Sie heißen zum Beispiel »Dann müssen sich die Frauen auch nicht wundern«, »Männer des Westens«, »Jetzt wird's schmutzig« oder »Ein offenes Geheimnis«.

Gleichzeitig zur Premierenlesung in dem Berliner Theater strahlte das ZDF prominent in der Hauptnachrichtensendung »heute journal« einen Beitrag zum Roman aus. Vorab hatte der öffentlich-rechtliche Sender mit Stuckrad-Barre sprechen können. Dort sagte der 48-Jährige: »Sagen wir mal: Ein Chef und eine Volontärin verlieben sich am Arbeitsplatz ineinander, wunderschöne Geschichte. Am Faxgerät ging es los, und heute kann sie keiner mehr trennen.« Und weiter: »Aber ist es für beide gleich leicht, diese Beziehung zu beenden? Die Antwort ist klar. Und da findet Machtmissbrauch statt.«

- Benjamin von Stuckrad-Barre, Noch wach?, Kiepenheuer& Witsch, 384 Seiten, ISBN: 978-3-462-00467-0.

© dpa-infocom, dpa:230419-99-369483/11