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Sponsor springt von Musikpreis Echo ab

Campino, Maffay, Westernhagen: Die alten Hasen im Musikgeschäft haben sich schon zur Echo-Debatte rund um Rap und Antisemitismus geäußert. Sagen jetzt die jüngeren Stars auch mal etwas? Und wie reagiert die Plattenfirma des umstrittenen Rap-Albums?

BERLIN. Ein erster Sponsor springt ab, ein anderer prüft sein Engagement, immer mehr Preisträger distanzieren sich, und hinter den Kulissen brodelt es weiter: Der Eklat um den Musikpreis Echo zieht immer größere Kreise.

Mit Volker Kauder schaltet sich ein CDU-Spitzenpolitiker in die Debatte über Popmusik und Antisemitismus ein. Auslöser war die Echo-Trophäe für ein als judenfeindlich kritisiertes Rap-Album.

Der Saft-Hersteller Voelkel kündigte am Mittwoch seinen Rückzug als Sponsor des Musikpreises an. Die Preisträger Kollegah und Farid Bang zögen in einem prämierten Song »auf beschämende Weise Vergleiche zu Opfern des Holocausts«. Der Autohersteller Skoda, der Stars und Gala-Gäste in 75 Fahrzeugen fuhr, erwartet derweil »eine rasche und eindeutige Aufarbeitung durch den Veranstalter«, wie ein Sprecher mitteilte. »Sollte uns das Ergebnis nicht überzeugen, werden wir den bestehenden Sponsorvertrag bei diesem Event auf jeden Fall nicht fortführen.«

Unions-Fraktionschef Kauder kritisierte im Gespräch mit der "Schwäbischen Zeitung" (Donnerstag) die deutsche Musikindustrie scharf. "Schon die Echo-Preisverleihung an diese Rapper war eine unfassbare Fehlentscheidung, die jede historische Sensibilität vermissen ließ. Angesichts des wachsenden Antisemitismus hätte der
Preis nie an Künstler gehen dürfen, die mit dem Holocaust in ihren Texten spielen und offensichtlich auch völlig uneinsichtig sind." Kauder sagte: "Man sollte diesen Preis abschaffen."

Die Plattenfirma BMG stellte sich jedoch hinter das umstrittene Album: »Wir nehmen Künstler und künstlerische Freiheit ernst, und wir sagen unseren Künstlern nicht, was ihre Texte enthalten sollten und was nicht«, teilte die Tochter des Medienunternehmens Bertelsmann am Mittwoch auf Anfrage in Berlin mit.

Ohne Zweifel hätten manche Zeilen des Rap-Albums viele Menschen tief verletzt. Auf der anderen Seite seien viele Menschen nicht so sehr verletzt worden, so dass das Album vergangenes Jahr eines der meistverkauften in Deutschland gewesen sei. Die Rapper hätten betont, dass sie weder rassistisch noch antisemitisch seien, und ihr Bedauern über verletzte Gefühle ausgedrückt.

Das Album sei auch nicht indiziert worden. Der Ethikbeirat des Musikpreises habe es zur Verleihung zugelassen. »Wir bekräftigen unsere Verpflichtung zur künstlerischen Freiheit, so lange sich die Künstler an das Gesetz halten«, so BMG.

Das Rap-Album »Jung, Brutal, Gutaussehend 3« enthält Textzeilen wie »Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen« und »Mache wieder mal 'nen Holocaust, komm' an mit dem Molotow«. Dass diese Musik beim Echo preiswürdig war, hatte heftige Kritik ausgelöst. Ob das Album wie vorherige aus Jugendschutzgründen auf den Index kommt, ist nach Angaben der Bundesprüfstelle in Bonn noch offen. Eine Entscheidung wird Ende Juni erwartet.

Der langjährige Musikmoderator Peter Illmann (»Formel Eins«) zeigte sich über die Auszeichnung für Kollegah und Farid Bang »entsetzt«. Er hätte den Preis den Musikern vor die Füße geworfen, so Illmann. »Ich fordere auch die jüngeren Künstler wie Helene Fischer oder Mark Forster auf, sich wie Maffay und Westernhagen von Texten, die Gewalt verherrlichen oder antisemitisch sind, zu distanzieren.« Illmann rief zudem dazu auf, das umstrittene Album zu boykottieren.

Bislang hatten sich überwiegend ältere Musiker zur Wort gemeldet. Campino war bei der Show am vergangenen Donnerstag der einzige, der auf der Bühne anprangerte, dass eine Grenze überschritten sei. Mehrere Preisträger wollen ihre Trophäen zurückgeben, außer Marius Müller-Westernhagen aber meist aus dem Klassik-Bereich. Am Mittwoch distanzierte sich das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Chefdirigent Mariss Jansons von seinen Echo-Auszeichnungen.

Der Bundesverband Musikindustrie hat den Preis für das Rap-Album mittlerweile als Fehler bezeichnet und will die als kommerziell kritisierte Verleihung überarbeiten. Der Echo ist der wichtigste deutsche Musikpreis. Er wird nach Verkaufszahlen und Juryempfehlung vergeben. In strittigen Fällen wird ein Beirat angerufen. Im Fall des Rap-Albums hieß es vor der Verleihung, die künstlerische Freiheit sei in dem Text »nicht so wesentlich übertreten«, dass ein Ausschluss gerechtfertigt wäre.

Nach dem Deutschen Kulturrat kündigte am Mittwoch auch der Präsident des Deutschen Musikrates, Martin Maria Krüger, seinen Austritt aus dem Echo-Beirat an. Die Entscheidung des Gremiums, das umstrittene Album nicht aus dem Echo-Rennen zu nehmen, sei ein Fehler gewesen.

Charlotte Knobloch, die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, erklärte, die Einsicht des Bundesverbands Musikindustrie sei zögerlich und spät gekommen, »aber sie kam und lässt hoffen, dass eine glaubhafte Umkehr in Denken und Handeln zu erwarten ist«. Knobloch weiter: »Hut ab vor dem Mut der Preisträger, die diesen Preis nicht mehr mittragen wollen!«

Die Frankfurter Sängerin Namika sagte: »Über die Texte kann man sicher an vielen Stellen diskutieren. Das geht mir oft viel zu weit, und ich empfinde das oft als geschmacklos. Das weiß Farid auch. Ich distanziere mich von allem, was Hass verbreitet. Meine Musik verbreitet Liebe«, sagte die 26-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.

Rapper Farid Bang hatte sich Anfang April nach Bekanntwerden der Kritik auf seiner Facebookseite für mögliche Verletzungen entschuldigt. Kollegah und er würden sich von »jeglicher Form des Antisemitismus oder Hass gegen Minderheiten« distanzieren. Kollegah erklärte Ende März, jüdische Fans hätten ab sofort auf Lebenszeit freien Eintritt zu jedem Konzert des Duos.

Derbe Grenzüberschreitungen gehören zu den Stilmitteln im Rap. Zum älteren Album von Kollegah und Farid Bang, »Jung Brutal Gutaussehend 2«, schrieb die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien im Jahr 2014: »Das Gremium stufte Inhalte der CD als jugendgefährdend ein, weil sie verrohend wirken, zu Gewalttätigkeiten anreizen und Frauen und Homosexuelle diskriminieren.« (dpa)