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Spannung vor den Grammys: Wird Jon Batiste zum Superstar?

Im Vorjahr krönte sich die glamouröse Beyoncé zur Königin der Grammys. Diesmal könnte mit Jon Batiste ein für viele noch recht unbekannter Musiker im Mittelpunkt der Gala stehen.

Jon Batiste
Jon Batiste geht mit elf Nominierungen ins Grammy-Rennen. Foto: Chris Pizzello
Jon Batiste geht mit elf Nominierungen ins Grammy-Rennen.
Foto: Chris Pizzello

Den Oscar und den Golden Globe für die beste Filmmusik hat er bereits seit einem Jahr im Schrank - jetzt könnte für Jon Batiste bei den Grammys 2022der nächste Triumph folgen. Der 35-jährige US-Amerikaner geht mit elf Nominierungen aussichtsreich ins Rennen um die begehrtesten Musikpreise der Welt.

Am Sonntagabend (Ortszeit) wird sich in Las Vegas zeigen, ob nach Beyoncé als Grammy-Königin der Vorjahre (insgesamt 28 Auszeichnungen) diesmal ein weit weniger bekannter Jazz- und Soulmusiker abräumt.

Jon wer? So dürften manche Musikfans gerätselt haben, als sich Batistes Favoritenrolle für die wegen Corona auf Anfang April verschobene Gala herauskristallisierte. Sollte der Afroamerikaner mit seinem auch politisch relevanten, bürgerrechtsbewegten Album »We Are« gegen starke Pop-Konkurrenz siegen, rückt er wohl endgültig in den Kreis der Musik-Superstars auf.

Album »We Are«: ein »Fest«

Batiste sei »on top of the world«, also Weltspitze, jubelte schon mal der Musiksender Jazz.fm91. Der in New Orleans geborene Sänger, Pianist, Bandleader und Komponist habe seine Karriere aufgebaut, »indem er die Musik dorthin gebracht hat, wo sie herkam - zu den Menschen«.

Im Interview sagte Batiste selbst über »We Are«, die Platte sei für ihn »ein Fest« gewesen, und auch eine Hommage an seine Heimatstadt: »Dieses Album hebt so viele unglaubliche ältere Musiker hervor, und die Geschichten, die sie während der Arbeit mit mir teilten, sind unschätzbar wertvoll.«

Auf dem Albumcover ist Batiste in einer Art Predigergewand zu sehen - ein Hinweis auf die Gospel-Färbung seiner Musik. Tatsächlich klingt »We Are« wie ein 38-minütiges Hochamt für die schwarze Popkultur. Der Piano-Jazz, von dem Batiste eigentlich herkommt, ist in den 13 Stücken nur noch ein Element unter vielen. Daneben sind Motown-Soul wie bei Stevie Wonder, Funk wie von Prince, Tanzmusik im Stil von Earth Wind & Fire, sogar Hip-Hop zu hören. Der Rap-Slang von »Whachutalkinbout« erinnert an Barack Obamas berührenden »Amazing Grace«-Gesang für Rassismus-Opfer in Charleston.

Liner-Notes von Quincy Jones

Dieser genreübergreifende Sound sei »sehr in meiner Geschichte und der Geschichte dieses Landes verwurzelt«, sagt Batiste. Vor seinem großen Durchbruch mit dem Soundtrack zu dem Pixar-Film »Soul« und mit »We Are« im vorigen Jahr war er Gründer und Frontmann der Band Stay Human, mit der er als musikalischer Leiter der »Late Show« von Stephen Colbert auftrat. Zudem fungierte Batiste als Kreativdirektor des National Jazz Museum in Harlem.

Die Liner-Notes zu »We Are« schrieb übrigens der legendäre Musikproduzent Quincy Jones (89). Er hat dem kommenden US-Star Batiste etliche Grammy-Auszeichnungen voraus: Jones erhielt bisher 28 Trophäen und steht damit neben Beyoncé auf Platz zwei der ewigen Bestenliste (hinter dem Dirigenten Georg Solti mit 31 Erfolgen). Batiste war bisher 14 Mal für Grammys nominiert, konnte aber noch keinen einzigen gewinnen.

Die 64. Grammy-Gala, bei der sich das nun ändern soll, war eigentlich für den 31. Januar geplant, wurde dann aber wegen der rasanten Ausbreitung der hochinfektiösen Omikron-Variante des Coronavirus auf den 3. April verschoben. Moderator der Veranstaltung ist der Comedian Trevor Noah. Hinter Batiste mit elf Nominierungen folgen der kanadische Popsänger Justin Bieber, die Rapperin Doja Cat und die Singer-Songwriterin H.E.R. mit je acht. Die Sängerinnen Billie Eilish und Olivia Rodrigo können sich sieben Mal Hoffnungen machen.

86 Kategorien

In den 86 Grammy-Kategorien haben aber zum Beispiel auch der frühere US-Präsident Obama für die Audio-Version seines Buches »Ein verheißenes Land« und mehrere Deutsche Gewinnchancen. Dazu zählen der Oscar-Preisträger Hans Zimmer für den Soundtrack zum Film »Dune«, Ann-Katrin Zimmermann für den Text im Booklet zum Album »Beethoven: The Last Three Sonatas« und der italienisch-deutsch-amerikanische Violinist Augustin Hadelich für das beste klassische Instrumental-Solo.

Rund 13.000 Mitglieder der Recording Academy entscheiden über die Preisträger. Bei der diesjährigen Gala sollen neben Batiste, Eilish und Rodrigo auch die Musiker Brandi Carlile, Lil Nas X, Nas, Chris Stapleton, Cynthia Erivo, Leslie Odom Jr. und BTS singen. Ihren geplanten Auftritt absagen musste die in drei Kategorien nominierte US-Rockband Foo Fighters nach dem Tod ihres Schlagzeugers Taylor Hawkins, wie ein Sprecher dem US-Branchenblatt »Entertainment Weekly« bestätigte. Des vor einer Woche mit nur 50 Jahren gestorbenen Drummers soll in der CBS-Fernsehsendung gedacht werden.

Kein Auftritt für Kanye West

Wirbel hatte es im Vorfeld mal wieder um den mehrfach nominierten Rapper Kanye West gegeben, der sich zuletzt öffentlich mit seiner Ex-Partnerin Kim Kardashian und deren neuem Freund Pete Davidson gestritten hatte. Wegen dieses Verhaltens sei ein möglicher West-Auftritt bei den Grammys von den Veranstaltern abgesagt worden, berichteten US-Medien.

Bereits am Vorabend der Gala in Las Vegas soll der Pop- und Soulmusiker John Legend einen Ehren-Grammy erhalten. Der 43-Jährige wird mit dem erstmals vergebenen »Recording Academy Global Impact Award« ausgezeichnet. Legend hat rund ein halbes Dutzend Alben herausgebracht. Er war auch schon bei den Oscars, den Emmys und den Tonys erfolgreich und gewann bisher zwölf Grammys.

© dpa-infocom, dpa:220401-99-755760/3