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Simone de Beauvoir und ihr Klassiker des Feminismus

Simone de Beauvoir hat im Paris der Nachkriegsjahre einen Klassiker der Frauenbewegung geschrieben. Dafür wurde die schöne Frau mit dem ernsten Blick lange angefeindet. Heute werden sie und ihre »Bibel des Feminismus« gewürdigt.

Ausstellung »Das andere Geschlecht«
Alice Schwarzer, Autorin und Feministin, in der Ausstellung »Das andere Geschlecht« in Bonn. Foto: Oliver Berg
Alice Schwarzer, Autorin und Feministin, in der Ausstellung »Das andere Geschlecht« in Bonn.
Foto: Oliver Berg

Für Alice Schwarzer, die bekannteste deutsche Feministin, steht fest: »Simone de Beauvoir ist heute aktueller denn je«. Das Ausmaß von Schönheits- und Schlankheitswellen, das Wirken von Influencerinnen und Körperkult, es würde die französische Intellektuelle nicht ruhig lassen.

»Für Beauvoir wäre das ein Material ohnegleichen«, sagt Schwarzer mit Bestimmtheit am Donnerstag in Bonn. Schließlich habe sie als junge Frau die befreundete Schriftstellerin aus Paris regelmäßig getroffen, Filme über sie gemacht und Interviews geführt.

Die Bundeskunsthalle stellt die weltberühmte Intellektuelle Simone de Beauvoir (1908–1986) und ihr bekanntestes Buch in einer Ausstellung vor. Es geht um die 1949 erschiene Studie »Le deuxième sexe«, auf Deutsch 1951 als »Das andere Geschlecht« herausgekommen. Die Räume des Museums verbreiten im Halbdunkel die Atmosphäre von Cafés im Paris der Zeit nach 1945, begleitet von Jazzmusik, überlebensgroßen Fotos, Bistro-Tischen und Texten, die zum Mitlesen über die Wände flimmern.

Tabus gebrochen

»Das andere Geschlecht« behandelt die Situation der Frauen in der westlichen Welt. Es war in der Nachkriegszeit ein Skandal, dass tabuisierte Themen wie Sexualität, lesbische Liebe oder Abtreibung darin vorkamen. Vor allem männliche Kritiker meldeten sich. Der französische Schriftsteller und spätere Literatur-Nobelpreisträger Albert Camus schmiss das Buch quer durch den Raum und fand empört, sie habe den französischen Mann lächerlich gemacht. Der Vatikan, die Sowjetunion und Spanien setzten das Werk auf den Index der verbotenen Bücher.

Aber für die Frauenbewegung war der in der Taschenbuchausgabe 900 Seiten dicke Wälzer eine Initialzündung. Das Buch wurde in mehr als 40 Sprachen übersetzt und zu einer Art Bibel des Feminismus. Auch die Person der Autorin ist wichtig für Generationen. »Für uns ist sie ein Vorbild«, sagt Eva Kraus, die Intendantin des Museum, am Donnerstag bei der Vorstellung. Die intime Schau in einem Seitentrakt ist Teil einer Reihe von Ausstellungen über Frauen, die wichtige Akzente für die Emanzipation gesetzt haben.

»Man wird nicht als Frau geboren, man wird dazu gemacht«, ist eine der Aussagen in dem Klassiker des Feminismus. Sie stellte die Kategorie des Geschlechts ins Zentrum ihrer Arbeit und traf damit den Nerv von Frauen, die sich aus engen, traditionellen Rollen befreien wollten. »Sie öffnete uns die Tür«, schrieb die amerikanische Schriftstellerin Kate Millet 1986. Im gleichen Jahr sagte die Feministin Gloria Steinem, de Beauvoir sei mehr als jeder andere Mensch verantwortlich für die aktuelle internationale Frauenbewegung.

Lebenslange Gefährtin von Jean-Paul Satre

Wer über Simone de Beauvoir spricht, kommt an dem Philosophen Jean-Paul Sartre nicht vorbei. Beide waren lebenslange Gefährten in einer offenen Beziehung, die staunend von der Öffentlichkeit beobachtet wurde. In einem Film von Alice Schwarzer kommen beide, inzwischen ergraut, zu Wort. Auf Fotos erscheint die schöne Simone oft ernst, mit streng zurückgekämmten Haaren. Eine Zigarette zwischen den Fingern, mit rot lackierten Nägeln.

Schwarzer hat de Beauvoir aber nach eigenen Angaben als eine sehr lebenslustige, zugewandte und herzliche Person erlebt. Sie habe sich eine etwas schroffe, abwehrende Art angewöhnt, erinnert sie sich. Man müsse aber wissen, dass sie sehr angegriffen und diffamiert worden sei. »Ich hab immer an Beauvoir bewundert, dass sie im Zweifelsfall eher zu radikal war als das Gegenteil«, sagt Schwarzer.

© dpa-infocom, dpa:220303-99-370518/2