LONDON. Selbst mit knapp 80 wollte Ginger Baker es noch mal wissen und gab mehrere Konzerte. Da hatte er schon eine Operation am offenen Herzen hinter sich, litt an Arthrose und einer chronischen Lungenerkrankung.
Am Sonntag nun starb Ginger Baker im Alter von 80 Jahren. Der weltberühmte Musiker hinterlässt seine vierte Ehefrau Kudzai Machokoto und drei erwachsene Kinder.
Am 19. August 1939 wurde »Ginger« - so genannt wegen seiner roten Haare - als Peter Edward Baker im Londoner Stadtteil Lewisham geboren. Schon als Schüler schlug er mit der Hand Rhythmen auf der Schulbank. Ein Außenseiter - die anderen Kinder machten ihn fertig, erzählte seine Tochter Nettie Baker später.
Baker wuchs vaterlos auf und träumte davon, Radrennfahrer zu werden. Doch ein Unfall verhinderte das. Stattdessen bildete ihn der britische Jazz-Schlagzeuger Phil Seamen (1926-1972) zum Profimusiker aus: »Er war Gott«, sagte Baker der Zeitschrift »Forbes« später. »Er hörte mich eines Nachts spielen und sagte danach: 'Setz dich, ich möchte mit dir reden. Du bist der einzige Schlagzeuger, den ich kenne, der es drauf hat.'«
In den frühen sechziger Jahren war Baker der am meisten bewunderte Schlagzeuger der britischen R&B-Szene. Dann gründete er mit Eric Clapton und Jack Bruce (1943-2014) die Superband Cream. Das ging nur zwei Jahre lang gut. Bis zu ihrer Auflösung 1968 verkaufte das gefeierte Trio mehrere Millionen Platten mit Klassikern wie »Sunshine Of Your Love«, »White Room« und »Crossroads«.
Baker war vor allem stolz darauf, dass er generell eine Spur hinter dem Takt spielte. »Zu viele Schlagzeuger spielen davor, und das Tempo nimmt zu«, erklärte er »Forbes«. »Mit Cream habe ich oft das Tempo von Jack und Eric gedrückt und dies bewusst getan.« Er wurde vor allem für seine polyrhythmischen Soli berühmt und sollte Generationen von Schlagzeugern damit beeinflussen.
Viele Faktoren trugen zum Ende von Cream bei: Bakers Temperament ging oft mit ihm durch und er geriet immer wieder mit Jack Bruce im Jähzorn aneinander - sogar auf der Bühne. Außerdem bot die ekstatische Fangemeinde einfach keine Herausforderung mehr: Das Publikum jubelte bereits, bevor die Musiker ihre ersten Noten gespielt hatten. Und die Band hatte gerade eine strapaziöse Tour hinter sich gebracht: »Eric [Clapton] kam zu mir und sagte: 'Ich habe es satt.' Und ich sagte: 'Ich auch.' Und das war's«, erinnerte sich Ginger Baker in »Forbes« an das Ende der Kultband.
Nach dem Aus von Cream gründete Baker mit Eric Clapton die kurzlebige Superband Blind Faith und das Jazz-Rock-Kollektiv Ginger Baker’s Air Force. In dem afrikanischen Superstar Fela Kuti fand er eine verwandte musikalische Seele, baute ein Aufnahmestudio in Lagos auf und steckte sein Geld in den Polosport. Später spielte er in der Post-Punk-Gruppe Public Image Ltd des früheren Sex-Pistols-Sängers John Lydon.
Damals war er schon mehrfach für tot erklärt worden, denn seine Heroinsucht war legendär. In einem Interview mit »Forbes« erinnerte sich Ginger Baker an einen Vorfall im Jahr 1968, als er in einem Sportwagen »mit drei wunderschönen jungen Mädchen« von Los Angeles nach San Francisco fuhr. »Das Radioprogramm wurde unterbrochen, um mitzuteilen, dass ich aufgrund einer Überdosis Heroin gerade tot in meinem Hotelzimmer aufgefunden worden war«, erzählte Baker. »Ich muss im Himmel sein, dachte ich. Ich bin auf der Route 101 unterwegs, die Sonne scheint, die Vögel sitzen in den Bäumen.«
Erst 1981 schaffte Baker es, vom Heroin loszukommen. Er hatte sein Vermögen in Nigeria verloren, sein Schlagzeug stand ein Jahr lang ungenutzt in der Scheune und aus Verzweiflung baute er Olivenbäume in Italien an: »Es war wahrscheinlich das Beste, was mir je passiert ist. Ich habe die Drogenwelt komplett hinter mir gelassen.«
2005 kam Cream in Originalbesetzung nach 37 Jahren wieder zusammen und feierte eine letzte Wiedervereinigung in London und New York. Im Februar 2006 erhielt die Band einen Grammy für ihr Lebenswerk. Ginger Baker brachte 2014 das Soloalbum »Why?« heraus und lebte zuletzt mit seiner vierten Frau in Canterbury. (dpa)