WIEN. Als sich der Sturm zusammenbraute, war sie in Kroatien. Handy aus. Bei der Rückfahrt stellte sie es wieder an. »Ich glaube, es summt heute noch«, erzählt Lisa Eckhart den rund 250 Besuchern im Wiener Stadtsaal.
Der Auftritt ist ihr Comeback nach mehrmonatiger Pause wegen der Coronakrise. Er fällt zusammen mit einem viel diskutierten Vorgang: der Ausladung der 27-jährigen österreichischen Kabarettistin durch die Veranstalter des Hamburger Literaturfestivals Harbourfront wegen Sicherheitsbedenken im Falle ihres Auftritts. Auch eine später doch ausgesprochene Einladung konnte die Situation nicht mehr retten.
Doch an diesem Abend in Wien ist von dem Wirbel wenig zu spüren. Eckharts scharfzüngigen zweistündigen Ritt durch Gesellschaft und Geschichte in ihrem Programm »Die Vorteile des Lasters« quittiert das Publikum mit viel Beifall. »Das Publikum hat gut abgeliefert«, zeigte sich die Künstlerin am Tag danach erleichtert.
Kritiker werfen der Kabarettistin vor, rassistische und antisemitische Klischees zu bedienen. Das lässt die junge Frau nicht gelten und feuert zurück. »Es gibt teilweise ein boshaftes Missverstehen«, sagte Eckhart dazu der Deutschen Presse-Agentur in Wien. Sie prangert einen verbreiteten Reflex an, auf bestimmte Reizworte zu reagieren. »Wie geht man mit Antisemitismus und Rassismus um? Erhebt man sie zum Tabu oder degradiert man sie zum Witz? Ich bin immer auf der Seite des Humors«, so Eckhart. Wenn man ihre Auftritte genau anschaue, trieften sie fast schon beschämend vor Humanismus und Feminismus. »Wenn mich jemand entlarven will, dann sieht er das.« Aber natürlich verpacke sie ihre Botschaft nicht ganz so plump, sagte die 27-Jährige.
Die seit ihrem Bühnen-Debüt 2015 vielfach ausgezeichnete Sprachkünstlerin und Poetry-Slammerin nimmt im Kabarett nicht gerade unübliche Zielgruppen ins Visier: Veganer, Sportler, Zeugen Jehovas, Transsexuelle und Deutsche, vor denen sie ausdrücklich warnt (»Auch Krautland ist Ausland«) - sie werden wortreich aufgespießt. Viele Passagen drehen sich um Katholizismus und Religion. So erinnere die Kippa der Juden an das Jungfernhäutchen Marias, das Jesus bei der Geburt auf den Kopf geklatscht sei. Nicht jeder im Publikum lacht. Sie lasse sich lieber von Monarchen als von Massen zensieren, erinnert Eckhart sich an Wünsche von Veranstaltern, ihr Programm weicher zu spülen.
»Der auffälligste Neuzugang des deutschsprachigen Kabaretts ist ein Augenschmaus«, schrieb der Berliner »Tagesspiegel« über Eckhart und bemerkte ihre Manierismen, ihre Arroganz und ihren sägenden, von österreichischem Schmäh durchsetzten Nölton. In Sachen Überheblichkeit hat sich Eckhart nach eigenen Worten viel von ihrem Vorbild, dem 1998 tödlich verunglückten österreichischen Musiker Falco, abgeschaut. »Ich bewundere an Falco wahnsinnig seine unglaublich charmante Arroganz. Er hat mir beigebracht, dass Bescheidenheit auf der Bühne keinen Stil hat«, sagte sie in einem Interview mit »auto touring«. Statt der Kabarett- war allerdings die Schauspielbühne geplant. Ihre Ambition scheiterte beim Vorsprechen. »Alle Schulen waren schwerst abgetan von mir.«
Jetzt hat sich die äußerst eloquente Künstlerin, die in Paris und Berlin Germanistik und Slawistik studiert hat, zusätzlich aufs Schreiben verlegt. Nächste Woche erscheint ihr Debütroman »Omama« über das Leben ihrer Großmutter. Die hat die russischen Truppen in der Nachkriegszeit im Dorf in der Steiermark von ihrer freundlichen Seite kennengelernt. Trinkwütig, aber harmlos. Nicht einmal verführen kann die damals junge Oma die Soldaten. Eckhart selbst bezeichnet ihr Werk als »Bastard aus Essay, Roman und Sprachspielerei«.
Seit drei Jahren lebt Eckhart in Leipzig. Berlin, wo sie vorher zu Hause war und ihre Masterarbeit zur Figur des Teufels in der deutschen Literatur geschrieben hat, sei ihr einfach zu groß.
Als Zugabe ihres Programms erzählt sie augenzwinkernd von den Gemeinsamkeiten der Österreicher und der Ostdeutschen. »Es wird uns beiden unterstellt, wir seien notorisch rechts. Als wenn wir den ganzen Tag mit erhobenem rechten Arm im Garten stehen und brüllen: «Früher war alles besser.»« Wegen des Scheiterns der deutschen Wiedervereinigung gelte es nun, ein Ostreich zu schaffen. »Österreicher und Ostdeutschland, wir sind doch füreinander geschaffen. Die hatten die Ost-Mark, wir waren die Ostmark.« Sie selbst als Kaiserin, eine Mischung aus Stalin und Sisi: Stasi. (dpa)