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Leipziger Buchmesse eröffnet - Barbi Marković ausgezeichnet

Hunderttausende Menschen kamen im vergangenen Jahr zur Leipziger Buchmesse. In diesem Jahr hat sie eine neue Chefin - und ist seit Donnerstag für die zahlreichen Bücherfans geöffnet.

Preisträger
Die Preisträger der diesjährigen Buchmesse: Barbi Marković (r.), Tom Holert und Ki-Hyang Lee in Leipzig. Foto: Hendrik Schmidt/DPA
Die Preisträger der diesjährigen Buchmesse: Barbi Marković (r.), Tom Holert und Ki-Hyang Lee in Leipzig.
Foto: Hendrik Schmidt/DPA

Mit einem experimentellen Horror-Comic-Roman hat Barbi Marković den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik gewonnen. Die 1980 in Belgrad geborene Autorin wurde für ihr Buch »Minihorror« ausgezeichnet. »Barbi Marković erzählt hinreißend komisch und bitterernst von unserer Gegenwart, der Mensch im Spätkapitalismus wird dabei notgedrungen zur Witzfigur«, sagte Jury-Mitglied Shirin Sojitrawalla bei der Verleihung.

Proteste bei Steinmeier-Rede

Zur Buchmesse war auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Leipzig gekommen. Nach einem Rundgang unter anderem zum Stand der Ukraine hielt er später in der Alten Börse eine Rede zur Demokratie. Dabei kam es mehrfach zu Störungen. Sieben Aktivisten forderten einen Waffenstillstand im Gaza-Krieg und warfen Israel einen Genozid (Völkermord) vor. Zudem wurden deutsche Waffenlieferungen lautstark kritisiert.

Am Vortag war bereits die Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur Eröffnung der Buchmesse mehrfach von Aktivisten unterbrochen worden.

Steinmeier ging mehrfach auf die Unterbrechungen ein. »Das ist ein ernstes Thema, über das wir in diesem Lande nicht nur während der Buchmesse diskutieren.« Es gebe unterschiedliche Sichtweisen, aber: »Es gibt keine einfachen Sichtweisen auf dieses Thema.« Er hoffe sehr, »dass die jetzt aktuell auf Hochtouren laufenden Gespräche um die Freilassung der Geiseln Erfolg haben« und zu einem Waffenstillstand führen, so Steinmeier.

Preis für Anlehnung an Micky-Maus-Comic

In ihrem Buch beschreibt Marković in Anlehnung an den beliebten Micky-Maus-Comic den Alltag der Protagonisten Mini und Miki - der vor allem durch zahlreiche Horrorszenarien geprägt ist. Auch in ihrer Dankesrede, die sie - wie sie sagt - kurz vorher in der Kantine vorbereitet hat, erzählt die Autorin eine Horrorgeschichte, in der sich Mini verschluckt und auf der Bühne stirbt.

Die Belletristik-Preisträgerin hat Germanistik studiert und lebt seit 2006 in Wien. Ihr Buch ist im Residenz Verlag erschienen. Es geht um die albtraumhaften Erlebnisse von Mini und Miki, im Urlaub, auf Familienbesuch und auch - so scheint es - überall sonst. Groteske Formulierungen lassen den Lesenden immer wieder stolpern. So wird etwa an einer Stelle die Fratze einer familienfressenden Cousine auf gruselig detaillierte Weise beschrieben, dann kommt eine sprachliche Unterbrechung, dann eine unerwartete, witzige Bemerkung. Horror des Alltags, Kapitalismuskritik und Witz stehen nebeneinander.

Tom Holert und Ki-Hyang Lee weitere Preisträger

In der Kategorie Sachbuch/Essayistik wurde der Berliner Kunsthistoriker Tom Holert ausgezeichnet. Sein Buch »«ca. 1972» Gewalt - Umwelt - Identität - Methode« stellt die Zeit nach der revolutionären Euphorie von 1968 in den Mittelpunkt. In der Übersetzungs-Sparte gewann Ki-Hyang Lee für ihre Übertragung von »Der Fluch des Hasen« von Bora Chung aus dem Koreanischen. Die Buchmesse hat den Preis in diesem Jahr zum 20. Mal vergeben. Den Veranstaltern zufolge seien 486 Neuerscheinungen aus 177 Verlagen eingereicht und von einer siebenköpfigen Jury gesichtet worden.

Jury-Vorsitzende spricht über politischen Charakter von Literatur

In ihrer Eingangsrede sprach die Jury-Vorsitzende Insa Wilke über die Bedeutung des Buchpreises in politischen Krisenzeiten. »In den vergangenen sechs Monaten hieß ein zentraler Vorwurf Schweigen«, sagte sie in Bezug auf die Zeit seit dem Hamas-Massaker am 7. Oktober. »Er wurde von verschiedenen Seiten und in unterschiedliche Richtungen ausgesprochen. Es ging um das Verschweigen von Leid, das Schweigen zu Trauma und zum fundamentalen Verlust einer denk- und lebbaren Zukunft für viele Menschen in Israel, in Gaza und dem Westjordanland, aber eben auch hier bei uns haben jüdische, muslimische und arabisch gelesene Menschen geäußert, das Schweigen der anderen und oftmals auch das Schweigen von Freundinnen und Kolleginnen seit dem 7. Oktober als fundamentale Ablehnung und als existenziell bedrohlich erfahren zu haben.« Bücher gingen aus diesem Schweigen hervor und könnten eine Sprache finden.

Erste Buchmesse unter Führung der neuen Direktorin

Nachdem die Buchmesse ihre Türen am Donnerstag für Besucherinnen und Besucher geöffnet hatte, waren die Hallen im Norden Leipzigs gut gefüllt. Bis zum Sonntag sind rund 100 Veranstaltungen geplant, 2085 Aussteller aus 40 Ländern präsentieren ihre Bücher und Neuerscheinungen. Auf dem Messegelände finden während der Messetage seit 10 Jahren zudem die Manga-Comic-Con und seit 30 Jahren die Antiquariatsmesse statt. Auch das Lesefest »Leipzig liest« lockt mit 2800 Veranstaltungen an 300 Orten in der ganzen Stadt.

Nach einem positiven Vorverkauf wird in diesem Jahr mit einem Plus bei den Besucherzahlen gerechnet. Im vergangenen Jahr kamen 274 000 Menschen.

Als Gastland der Leipziger Buchmesse 2024 präsentieren sich in diesem Jahr die Niederlande und die belgische Region Flandern als gemeinsamer Sprach- und Kulturraum unter dem Motto »alles außer flach«.

© dpa-infocom, dpa:240321-99-411195/5