Seoul (dpa) - Nach 16 Folgen war für die TV-Show mit dem Titel »Die Nacht der Hass-Kommentare« Schluss. Sie endete mit dem Tod einer ihrer Moderatorinnen.
Die südkoreanische Sängerin Sulli, mit bürgerlichem Namen Choi Jin Ri, war auch ein Star des koreanischsprachigen Pop, kurz K-Pop. Die 25-Jährige wurde Mitte Oktober von einem Manager tot in ihrer Wohnung in Seoul aufgefunden. Die Polizei ging von Suizid aus. Der Sender JTBC beschloss danach, die Sendung einzustellen. Der Tod von Sulli und weitere mutmaßliche Suizide werfen Fragen über den Druck auf, unter dem die südkoreanischen Stars stehen.
Jede Woche begrüßten die Moderatoren der Sendung Prominente, die hasserfüllte Kommentare aus dem Internet vorlasen, deren Ziel sie selber waren. Die Sendung sollte nach Angaben des Senders therapeutisch wirken - in einem Unterhaltungsformat verpackt. »Es ist eine neue Form der Show, die Stars helfen soll, mental stärker zu werden«, kündigte der Sender im Mai vor der Premiere an. Jetzt wird im Netz gefragt, ob es wirklich so gut war, auch Sulli als Moderatorin einzuladen, die selber Opfer von Mobbing in sozialen Medien war und mit Panik-Attacken während ihrer K-Pop-Karriere zu kämpfen hatte.
K-Pop feiert seit Jahren große Erfolge. Elemente aus Rap, Rock und Techno mischten sich nach und nach in die Musik eines Landes, das geschichtlich und kulturell stark von japanischen und amerikanischen Einflüssen geprägt ist. Die bekanntesten Künstler der Szene treten heute schrill, modisch und auffallend jugendhaft auf.
Sängerin Sulli eckte mit ihrer offenen und kontroversen Art in der als konservativ geltenden Unterhaltungsindustrie und Teilen der südkoreanischen Gesellschaft an. Ihr Einsatz etwa für die No-Bra-Bewegung, die sich gegen das BH-Tragen ausspricht, brachte ihr Zustimmung, aber auch Kritik und sexistische Kommentare ein.
Mitte November erschüttert der Tod einer weiteren bekannten Sängerin die K-Pop-Welt. Die 28 Jahre alte Goo Hara wird am 24. November ebenfalls tot in ihrer Wohnung in Seoul gefunden. Wieder wird Suizid als Todesursache angenommen. Goo Hara, die durch ihre Mitgliedschaft bei der Girlband Kara bekannt geworden war, und Sulli waren gut befreundet. Sie beiden hatten Erfolg, beide zahlten aber auch den Preis dafür, im Rampenlicht zu stehen.
Goo Hara geriet im vergangenen Jahr wegen eines öffentlich gewordenen Streits mit einem früheren Freund in die Negativschlagzeilen. Sie beschuldigte den Freund, sie erpressen zu wollen, weil er gedroht habe, ein Sexvideo mit ihr zu veröffentlichen.
Anfang Dezember wurde dann die Leiche des 27-jährigen südkoreanischen Schauspielers Cha In Ha in seiner Wohnung gefunden. Bekannt war er durch Auftritte in TV-Serien. Der mutmaßliche Suizid eines weiteren Entertainers weckte im Land die Besorgnis, ein Nachahmungseffekt in der Unterhaltungsbranche könnte sich einstellen.
Insbesondere aber der Tod der Sängerinnen löste Debatten über den speziellen Druck aus, der von K-Pop-Stars, besonders den weiblichen Akteuren, als negativ erfahren wird. Ihr Tod habe die Diskussion über das Cyber-Mobbing intensiviert, schreibt die Zeitung »Hankyoreh«. In der Öffentlichkeit habe sich ein Konsens gebildet, »dass die Postings wesentlich zu ihrem Entschluss beigetragen haben, in den Tod zu gehen«. Gerade im stark vernetzten Südkorea ist Cyber-Mobbing und ein strikteres Vorgehen dagegen schon lange ein Thema.
Während die koreanischen Medien den Welterfolg der Boygroup BTS feiern, haben zuletzt der Tod von Sulli und Goo Hara sowie eine Reihe von Skandalen, in denen es unter anderem um Sex, Drogen und Glücksspiel geht, die Glitzerwelt des K-Pop überschattet. Die Diskussionen sind nicht zu verstehen, ohne die wachsende Bedeutung des K-Pop für die Wirtschaft des Landes oder auch die Wahrnehmung von außen zu kennen. Von deutschen Austauschstudenten in Südkorea ist zu hören, dass viele junge Deutsche das Land zuallererst mit K-Pop in Verbindung bringen.
Viele südkoreanische Teenager, die allgemein durch das rigide Unterrichtssystem des Landes einem großen Druck ausgesetzt sind, träumen davon, einmal ein großer K-Pop-Star zu werden. Der explosive Erfolg des K-Pop schien neue Möglichkeiten zu eröffnen. Viele versuchen, mit Unterstützung ihrer Eltern, eine Stelle bei einer Talentagentur zu ergattern, bei denen sie Sing- und Tanzunterricht erhalten.
»Die Südkoreaner sind tief amerikanisiert, wenn es darum geht, ihre Träume zu verfolgen, die zu Ruhm und Reichtum führen«, sagt der Soziologe John Lie von der Berkeley-Universität in den USA, der sich eingehend mit den Gesellschaften in Ostasien befasst. Doch gebe es einen großen Unterschied zu den USA, wo viele Wege zum Erfolg führen würden. »Der beherrschende Weg in Südkorea wird durch akademischen Wettbewerb bestimmt, und K-Pop eröffnet einen der wenigen Wege zum Ruhm.«
Nur wenige feiern den ganz großen Erfolg. Der Markt ist stark umkämpft. Die südkoreanische Jugend befinde sich unter großem Druck, sagt Lie. »Was jedoch K-Pop-Stars betrifft, so führen sie ein extrem reglementiertes Leben, und die Wenigen, die erfolgreich sind, stehen eine begrenzte Zeit im Rampenlicht.«