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Kämpferisch, poetisch, ungebärdig: Konstantin Wecker wird 75

Konstantin Wecker verbindet wie kaum ein anderer Gesellschaftskritik und Politik mit Musik. Seine Songs bewegen sich zwischen Poesie und Wut. Auch mit 75 Jahren hat er kein Problem anzuecken.

Konstantin Wecker
Der Sänger Konstantin Wecker feiert am 1. Juni seinen 75, Geburtstag. Foto: Peter Kneffel
Der Sänger Konstantin Wecker feiert am 1. Juni seinen 75, Geburtstag.
Foto: Peter Kneffel

Konstantin Wecker gilt vielen als Ikone des Widerstands gegen Rechts. Seine Ballade »Willy« über einen jungen Mann, der bei einer Kneipenschlägerei von Neonazis getötet wird, ist ein Kultsong.

Bei Festivals, Mahnwachen, Demos und Konzerten ruft der Liedermacher zum Kampf gegen rechte Gewalt und Hetze auf, in seiner Musik stecken Botschaften und Kritik an Missständen. Oberflächliche Unterhaltung liegt dem Münchner nicht, dazu hat er selbst zu viele Tiefen durchlebt: Haft, Drogensucht und Mitte der 1990er Jahre den finanziellen Zusammenbruch. Krisen, aus denen er sich selbst wieder rausholte. Am Mittwoch (1. Juni) feiert der Musiker nun seinen 75. Geburtstag, mit Familie und Freunden in seiner Zweitheimat Italien.

Drogenexzesse und finanzieller Ruin

»Auf einer Leiter, deren Sprossen aus Niederlagen gebaut sind, kann man auch nach oben klettern«, schrieb Wecker vor 15 Jahren im Vorwort zu einem Buch mit dem bezeichnenden Titel »Die Kunst des Scheiterns«. Schonungslos offenbarte er darin seine Drogenexzesse, bei denen er sich mit Kokain und Crack vollpumpte und in seiner Luxusvilla im noblen Münchner Vorort Grünwald einsam dahin vegetierte. 1995 dann seine Verhaftung wegen der Drogen, jahrelange Gerichtsprozesse, der finanzielle Ruin.

Ein Absturz, aus dem er sich selbst wieder hocharbeitete. Wecker ging wieder auf Tournee, komponierte Kindermusicals und Filmmusik, schrieb Bühnenprogramme, Romane, Lyrik und Songs und vertonte etwa Gedichte von Bertolt Brecht. 2018 wurde er Gastprofessor an der Universität Koblenz-Landau. Auch Preise gab es wieder, darunter den Bayerischen Staatspreis für Musik. Ein in gewissem Sinne geläuterter und reifer Konstantin Wecker. »Das, was man in der Gesellschaft als Erfolglosigkeit versteht, muss nicht wirklich eine Erfolglosigkeit sein für die innere Entwicklung«, resümierte er 2007.

Zweite Ehe und zwei Söhne

Auch privat ging es aufwärts. 1996 heiratete der Liedermacher in zweiter Ehe die deutlich jüngere Annik, 1997 und 1999 wurden ihre beiden Söhne geboren. 2013 trennten sie sich, ein paar Jahre später war wieder von Versöhnung die Rede.

Nun also der 75. Geburtstag - ein markantes Datum in sehr unruhigen Zeiten. Erst am Mittwoch hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München über den Kreuzerlass verhandelt, den Ministerpräsident Markus Söder (CSU) 2018 durchgesetzt hatte. Im Eingangsbereich von Landesbehörden soll danach ein Kruzifix hängen. Wecker gehörte zu denen, die sich einer Klage des religionskritischen Bundes für Geistesfreiheit anschlossen. Eine Entscheidung soll im Juni fallen.

Auch in die Debatte um Waffenlieferungen an die Ukraine mischte sich Wecker ein und unterzeichnete Ende April mit anderen einen offenen Brief, der zu einem Ende des Blutvergießens aufruft. »Wir fordern daher die Bundesregierung, die EU- und NATO-Staaten auf, die Waffenlieferungen an die ukrainischen Truppen einzustellen und die Regierung in Kiew zu ermutigen, den militärischen Widerstand - gegen die Zusicherung von Verhandlungen über einen Waffenstillstand und eine politische Lösung - zu beenden«, heißt es darin.

Liedermacher wegen Erkrankung nicht zu erreichen

Fragen an Wecker gäbe es viele. Etwa, wie so eine politische Lösung aussehen könnte, die den Sicherheitsinteressen der Bevölkerung und dem Wunsch der Ukraine nach Souveränität Rechnung trüge. Und was er den Kritikern antworten würde, die seine Forderungen angesichts des Leids der Menschen in der Ukraine als zynisch, realitätsfern oder verletzend werteten.

Doch der Liedermacher ist nicht zu erreichen. Eine Erkrankung zwinge ihn dazu, alle anstehenden Konzerte bis Anfang Juni zu verschieben, teilt sein Management mit. Wecker selbst schreibt: »Ich bedauere dies zutiefst und bitte meine Anhänger sowie alle betroffenen Veranstalter um Verständnis für die nun anstehende Rekonvaleszenz.«

Manifest auf Homepage

Kein Interview also, dafür aber ein Manifest, das Wecker wenige Tage nach Kriegsbeginn Anfang März auf seiner Homepage veröffentlicht hat. Es macht deutlich, dass der Münchner mit dem ausgeprägten Hang zum Widerspruch und zur Kritik lieber aneckt, als sich selbst untreu zu werden oder sich gar einem Zeitgeist zu unterwerfen.

»Meine Gefühle und Gedanken und meine ganze Empathie und meine Solidarität sind bei den Menschen, die in der Ukraine verletzt und getötet werden«, schreibt Wecker in diesem Manifest und ruft dazu auf, mutige Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu unterstützen. »Wir müssen die Herzen von Millionen Menschen erreichen, damit die russischen Soldaten desertieren und sie das Morden der mutigen Menschen in der Ukraine stoppen.«

© dpa-infocom, dpa:220528-99-460088/4