Die Feier zur umstrittenen Verleihung des Hannah-Arendt-Preises für politisches Denken an Masha Gessen hat am Samstag im kleinen Rahmen stattgefunden. Statt im großen Saal des Bremer Rathauses drängten sich gut 50 Gäste in einen kleinen Veranstaltungsraum im Steintorviertel, wohin der Trägerverein nach dem Rückzug der Heinrich-Böll-Stiftung und des Bremer Senats ausgewichen war. Viele der Gäste mussten in dem engen Raum stehen, vor der Tür sicherten Polizisten die Veranstaltung ab. Von einem Jury-Mitglied kam Kritik an der Auszeichnung.
Auslöser für die Diskussionen um die Ehrung waren Aussagen Gessens in einem Artikel im Magazin »The New Yorker« gewesen. Gessen verglich darin die Situation in Gaza mit den jüdischen Ghettos im besetzten Europa. Die Ehrung für Gessen war zu einem früheren Zeitpunkt beschlossen worden.
Die ursprünglich für Freitag im Rathaus geplante Veranstaltung war nach Kritik an den Äußerungen Gessens abgesagt worden. Zuvor hatten sich die Heinrich-Böll-Stiftung und der Bremer Senat von der Preisverleihung zurückgezogen.
Am Samstagmorgen hatten die Verantwortlichen den bereits zuvor gewechselten Veranstaltungsort noch einmal kurzfristig verlegt - aus Sicherheitsgründen, wie es beim Veranstalter hieß. Der Trägerverein des Preises zeigte sich am Ende dennoch zufrieden. »Es war eine sehr dichte Veranstaltung im kleinen Format, bei der wir alle froh sind, dass sie stattgefunden hat«, sagte Eva Senghaas vom Vereinsvorstand der Deutschen Presse-Agentur. Es sei eine »sehr fruchtbare Form des Dialogs« gewesen, die gezeigt habe, »dass man sich über strittige Fragen und Einschätzungen auf eine gute Weise auseinandersetzen kann«.
Das Jury-Mitglied Klaus Wolschner ging dagegen auf Distanz zu der Ehrung. »Die Jury hat im Frühsommer Masha Gessen als diesjährige Preisträgerin ausgewählt aufgrund ihrer Analysen des russischen Systems Putin«, erklärte der Journalist und Mitbegründer der »taz« nach der Preisverleihung in einer Stellungnahme. »Ich gehe nicht davon aus, dass Gessens Texte zu dem Krieg im Gaza von der Jury des Hannah-Arendt-Preises als besonderes Beispiel für politisches Denken ausgezeichnet worden wären.« Gessen hab »eine einseitige Sicht auf den Krieg im Gaza« und während der Ehrung in Bremen »auch auf ausdrückliche Nachfrage eine Charakterisierung der Rolle der Hamas abgelehnt«.
Da die Entscheidung der Jury bereits im Frühsommer gefallen war, könne man »nur noch die Preisvergabe, diesen feierlichen Rahmen absagen«, hieß es von der Böll-Stiftung. »Wir können nicht die Preisvergabe rückabwickeln.«
Der Trägerverein hatte das Festhalten an der Ehrung dagegen verteidigt und einen anderen Veranstaltungsort gesucht. Es sei bemerkenswert, dass ein öffentlicher Streit um das Verstehen des Konflikts verhindert und Gessen boykottiert werde, hieß es dort. Dabei sei Gessen darum bemüht, »Kenntnis, Einsicht und ein scharfes Denkvermögen in diesen Streit einzubringen«. Gessen, 1967 in Moskau geboren, schreibt über politische Strömungen und Konflikte in der US-amerikanischen und der russischen Gesellschaft. Gessen lebt in New York.
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