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Everything But The Girl melden sich mit »Fuse« zurück

Mit »Missing« landete Everything But The Girl Mitte der 90er Jahre auch in Deutschland an der Spitze der Charts. Nun ist das britische Duo zurück - nach fast einem Vierteljahrhundert Pause.

Everything But The Girl
24 Jahre währte die Pause von Everything But The Girl. Jetzt sind Tracey Thorn und Ben Watt wieder da. Foto: Edward Bishop
24 Jahre währte die Pause von Everything But The Girl. Jetzt sind Tracey Thorn und Ben Watt wieder da.
Foto: Edward Bishop

Tracey Thorn und Ben Watt haben nicht viel zu verlieren, wie schon der Titel der ersten ausgekoppelten Single ihres neuen Albums verrät. Doch der Song »Nothing Left To Lose«, den das britische Indie-Pop-Duo Everything But The Girl schon im Januar veröffentlichte, eroberte schnell die Herzen von Kritikern sowie alten und neuen Fans.

Es könnte also viel zu gewinnen geben - mit ihrer ersten Platte seit 24 Jahren. Oder wie Thorn im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur sagt: »Ich nehme an, wir werden damit davonkommen.«

Wenn das Album »Fuse« am 21. April erscheint, ist fast ein Vierteljahrhundert vergangen, seitdem das Paar zuletzt gemeinsam eine Platte veröffentlicht hat. Eine lange Zeit. Und die beiden Köpfe hinter Everything But The Girl hatten wohl selbst nicht mehr damit gerechnet, noch einmal gemeinsam Musik zu machen.

Beruflich getrennte Wege

Als die beiden rund um die Jahrtausendwende auf dem damaligen Höhepunkt ihrer Karriere beschlossen, das Projekt Everything But The Girl aufzugeben, war es keine dramatische Trennung, wie sie manch andere Band durchlebt hat. Vielmehr kam Tracey Thorn und Ben Watt das Leben dazwischen: Die beiden gründeten eine Familie, zogen ihre Kinder groß. Sie blieben ein Paar, gingen beruflich jedoch getrennte Wege.

»Wir haben versucht, unsere Leben ein bisschen zu trennen. Wir hatten das Leben zuhause und waren ein Paar, waren Eltern, aber hatten separate Arbeitsprojekte. Wir haben entschieden, dass es wohl nicht besonders gesund wäre, alles zusammen zu machen«, erzählen sie im Interview.

Heute sieht das wieder anders aus: Die Kinder sind aus dem Haus, beide haben Bücher geschrieben und Solo-Projekte verfolgt: Watt war aktiv als DJ in der Club-Szene, Thorn schrieb eine regelmäßige Kolumne für das Magazin »New Statesman«.

Corona hat vieles verändert

Letztlich war es die Pandemie, die den entscheidenden Funken für das überraschende Revival entzündete. »Durch Covid kam alles zum Stillstand«, sagt Watt. Er selbst musste eine Tour abbrechen und verbarrikadierte sich wegen einer Autoimmunkrankheit so weit wie möglich zuhause. »Es war ziemlich hart«, sind sich beide einig. »Aber als wir am anderen Ende ankamen, haben wir uns angeschaut und gefragt: Was nun? Wie machen wir dort weiter, wo wir aufgehört haben? Oder haben wir uns verändert? Wollen wir etwas anderes machen?«

Es war schließlich Thorn, die vorschlug, einen neuen Anlauf als Duo zu nehmen. »Ich habe gemerkt: Sie hat Recht. Wenn wir es jetzt nicht tun, werden wir es vermutlich nie mehr tun«, erinnert sich Watt (60), der anfänglich zweifelte und das Projekt zunächst nur unter dem Namen TREN (»Tracey and Ben«) beginnen wollte, um Druck zu vermeiden.

Und so entstand »Fuse« - ein Album mit zehn Songs, von dem das Paar betont, dass es trotz seiner Geschichte kein Lockdown-Album sei, da die Aufnahmen erst ab dem Frühjahr 2022 stattgefunden hätten.

Wer Everything But The Girl noch aus den 80er und 90er Jahren kennt, als sich beide als feste Größe der britischen Indie-Szene etablierten und mit »Missing« durch den Remix des New Yorker Produzenten und DJs Todd Terry einen Welthit landeten, wird sie wiedererkennen - besonders an der ausdrucksstarken Stimme von Thorn. Diese schwebt bei Songs wie »Caution To The Wind«, aber auch »Nothing Left To Lose« über einem atmosphärischen, elektronischen Klangteppich. Temporeichere Stücke wechseln sich ab mit melancholischen Songs wie »Run A Red Light« mit Piano-Klängen.

Immer wieder geht es um Neuanfänge, um den Wunsch, den Moment auszunutzen, sich mit Menschen zu verbinden und ihnen näher zu kommen. Im Rückblick kann Thorn erkennen, dass darin auch viele Lockdown-Gefühle stecken. »Wir haben davon geträumt auszugehen. Wir haben davon geträumt, Menschen zu treffen und ihnen näher zu kommen.«

Wie ein neuer Anfang

Die Zusammenarbeit mit ihrem Partner habe sich zwar vertraut, aber auch wie ein neuer Anfang angefühlt, erzählt die heute 60 Jahre alte Musikerin. »Es fühlt sich nicht wie ein Rückschritt an, sondern wie etwas Neues. Wir sind jetzt andere Leute - viel älter, mit viel mehr Lebenserfahrung.« Die lange Pause sei wohl auch ihr Geheimnis, als Paar erfolgreich zusammenzuarbeiten, meint Thorn.

Ob von der Band nach dem Comeback-Album noch mehr zu hören sein wird, ist noch offen. »Wir wollen den Moment genießen und wertschätzen. Das ist unser Baby im Moment, das all unsere Aufmerksamkeit bekommt.« Sie lebten zurzeit von Woche zu Woche - und wollen auch nichts ausschließen. »Wenn wir über 80 sind, machen wir eine Dance-Platte, die es in sich hat«, witzelt Thorn und lacht schallend.

© dpa-infocom, dpa:230418-99-358503/4