Mit dem nostalgischen Filmmusical »La La Land« lieferte US-Regisseur Damien Chazelle 2017 eine beschwingte Hommage an Hollywood. Die nette Romanze über eine junge Schauspielerin und einen Jazzmusiker im heutigen Los Angeles machte Chazelle mit damals 32 Jahren zum jüngsten Gewinner eines Regie-Oscars überhaupt. Nun legt das Wunderkind mit einer weiteren Hommage an die Traumfabrik nach - allerdings liegen Welten dazwischen.
»Babylon - Rausch der Ekstase« entführt ins frühe Hollywood der 1920er Jahre, als die junge Filmmetropole von der Stummfilm-Ära ins Tonzeitalter schlitterte. Chazelle geht mit rauschenden Partys, viel nackter Haut, bombastischen Filmsets und dekadenten Exzessen in die Vollen. Zurecht trägt der über dreistündige Leinwand-Exzess den Untertitel »Rausch der Ekstase«.
Chazelle, der auch das Drehbuch schrieb, konnte dafür ein Star-Ensemble gewinnen. Brad Pitt spielt einen gefeierten Movie-Star, Margot Robbie ein aufstrebendes Starlet, Jean Smart eine Gossip-Kolumnistin auf der Suche nach Skandalgeschichten, Tobey Maguire einen perfiden Drogenboss der Unterwelt. Jovan Adepo wird zum Trompeten-Virtuosen, Li Jun Li verwandelt sich in eine geheimnisvolle Cabaret-Sängerin. Auch Olivia Wilde, Eric Roberts, Lukas Haas und Musiker Flea mischen mit.
Ein vielversprechender Newcomer
Doch gleich zum Auftakt des Films tritt mit Diego Calva die eigentliche Hauptfigur in Aktion. Der 30-jährige Mexikaner, Hollywoods Neuentdeckung, spielt einen jungen Einwanderer, der in der Filmmetropole sein Glück sucht. Als ersten Handlangerjob muss er einen Elefanten in einem Truck über eine steile Landstraße zu einer Luxus-Villa befördern, als Attraktion für eine rauschende Party.
Das aufgeregte Tier entleert mit aller Wucht seinen Darm - und Regisseur Chazelle lässt es schonungslos über Darsteller und Leinwand spritzen. Das ist der noch harmlose Vorgeschmack auf die folgende »Babylon«-Orgie mit wilden Sexszenen, Drogen-Exzessen, kühnen Träumen und tragischen Abstürzen.
Es ist das Jahr 1926, Stummfilm-Star Jack Conrad (Pitt) ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere. »Ich glaube was wir hier in Hollywood haben ist hohe Kunst«, trumpft der Charmeur lächelnd auf. Das unheilvolle Ende des Schauspielers, der am Siegeszug des Tonfilms zerbricht, bahnt sich schon an. Conrad ist eine fiktive Figur, inspiriert von der damaligen Hollywood-Größe John Gilbert.
Nellie LaRoy (Robbie) stürzt sich als wilder Vamp in Hollywoods Glamour-Spektakel und wird als Starlet entdeckt. Robbie, die in Quentin Tarantinos Hollywood-Hommage »Once Upon a Time in Hollywood« (2019) die aufstrebende Schauspielerin Sharon Tate verkörperte, dreht in »Babylon« mitreißend auf und zeigt ebenso fesselnd den tragischen Absturz, als Nellies Karriereträume platzen.
Golden Globes und Oscars
»Babylon« holte gleich fünf Golden-Globe-Nominierungen. Letztlich gewann der Film nur die Auszeichnung für die beste Filmmusik: US-Komponist Justin Hurwitz, der schon für »La La Land« den Globe und Oscar gewann, heizt das Geschehen mit einem Jazz-Score an.
Chazelles »La La Land« war 2017 für sensationelle 14 Oscars nominiert und wurde schließlich mit sechs Trophäen ausgezeichnet. »Babylon« hat bei der Verkündung der Oscar-Nominierungen am 24. Januar gute Chancen, aber ein Abräumer dürfte diese freizügige Satire nicht sein. Die US-Filmzensur hat dem Film den strengen R-Stempel aufgedrückt, Jugendliche unter 17 Jahren sind nur in Begleitung Erwachsener zugelassen.
»Babylon« ist eine ungewöhnliche, komplexe Liebeserklärung an Hollywood. Chazelle bombardiert die Zuschauer mit fetziger Musik, schrillen Szenen und schrägen Charakteren. Dabei schlägt er gelegentlich mit Vulgaritäten über die Stränge, aber hinter all dem übertriebenen Wirbel sind seine Bewunderung und Liebe für die Anfänge der Filmkunst deutlich zu spüren.
Babylon - Rausch der Ekstase, USA 2022, 188 Minuten, FSK ab 12, von Damien Chazelle, mit Brad Pitt, Margot Robbie, Diego Calva, Jean Smart, Tobey Maguire
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