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Barbara Salesch: Die Wunderwaffe gegen den True-Crime-Boom

Kein True Crime, kein Krawall, kein Jugendwahn: Barbara Salesch widersetzt sich vielen Trends der Medienlandschaft - und ist dennoch erfolgreich. Wie kommt's?

Barbara Salesch
Fernsehrichterin Barbara Salesch kritisiert True-Crime-Formate. Foto: Federico Gambarini/DPA
Fernsehrichterin Barbara Salesch kritisiert True-Crime-Formate.
Foto: Federico Gambarini/DPA

Es sind mal gütige Worte, die aus ihrem Mund kommen. Mal ist es ein strenger Blick, den sie den Angeklagten über ihren Brillenrand zuwirft. Richterin Barbara Salesch gehört für viele Familien zum Nachmittag dazu.

Nach einer längeren Pause feierte sie mit ihrer RTL-Show »Barbara Salesch - Das Strafgericht« vor einem Jahr ein erfolgreiches Comeback. Ab Montag (15.00 Uhr) laufen neue Folgen.

»Wenn ich gewusst hätte, wie viel Spaß mir die Sendung noch macht, hätte ich nicht so lange überlegt«, sagt Salesch heute über ihr anfängliches Zögern vor ihrer Rückkehr ins Fernsehen.

200 TV-Fälle pro Jahr

Nach mehr als 2000 Fällen auf Sat.1 (1999-2012) hatte die Grande Dame der deutschen Gerichtsshow ihre Robe zunächst an den Nagel gehängt und ließ sich im vergangenen Jahr von RTL zu einem Comeback überreden. 200 TV-Fälle bearbeitet die früher in Hamburg praktizierende Strafrichterin nun im Jahr.

Das Nachmittags-Format mit oftmals reichlich kuriosen Wendungen liefert auch bei jungen Leute erstaunlich gute Quoten ab und ist auf gewisse Weise untypisch für die heutige Medienwelt.

Salesch stellt sich gegen einen Trend: Sie behandelt ausschließlich fiktive Fälle, die oft zumindest auf echten Straftaten basieren und lässt Laiendarstellerinnen und -darsteller auftreten. Dabei sorgen bei Streamingdiensten und Podcasts derzeit doch vor allem echte Kriminalfälle für Erfolg. Diese schon seit längerem boomenden True-Crime-Formate sieht Salesch allerdings kritisch.

Kritik an True-Crime-Formaten

»Das Opfer wird zu Unterhaltungszwecken degradiert und es wird zudem sehr aus Tätersicht berichtet. Nach einer Verurteilung möchte ich den Täter nicht mehr sehen und will nicht, dass er Profit schlägt aus seiner Tat. Und genau das wird gemacht.«

Bestes Beispiel ist der Netflix-Erfolg »Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer« vom vergangenen Jahr. Die Hinterbliebenen der Opfer des US-Serienmörders kritisierten, sie seien durch die Serie retraumatisiert worden. Solche Sendungen seien vor allem »eine Bühne für Täter«, findet Salesch.

Salesch: Bin keine Krawalltante

Die 73-Jährige mit den auffälligen, rot gefärbten Haaren hat während der 60-minütigen TV-Gerichtsverhandlung oft einen kessen Spruch auf den Lippen - doch im Gegensatz zu Reality-Shows wie »Das Sommerhaus der Stars« und Formaten mit Dieter Bohlen geht es beim RTL-Strafgericht äußerst gesittet zu.

»Fernsehen muss zwar abwechslungsreich und unterhaltsam sein. Ich bin aber keine Krawalltante, sondern Richterin. Eine Richterin tanzt nicht auf den Tischen, sondern hört im Wesentlichen zu. Das ist eh das Entscheidende.«

Außerdem widersetzt sich die routinierte Richterin, die das Strafmaß je nach Ablauf der Verhandlung spontan festsetzt, dem allgegenwärtigen Jugendwahn, den vor allem Schauspielerinnen beim Fernsehen beklagen. RTL hätte schließlich auch eine 30-jährige Juristin für das Gerichtsshow-Revival präsentieren können.

»Die Leute wollen mich sehen«

»Das hätten sie machen können. Aber ich glaube, die Sendung wäre im Keller«, entgegnet die in Karlsruhe geborene TV-Richterin selbstbewusst. »Die Leute wollen mich sehen, das haben alle Untersuchungen ergeben.«

Darin sieht auch die Medienwissenschaftlerin Joan Bleicher den Hauptgrund für den Erfolg der Sendung. »Aus meiner Sicht hängt vieles von der Person Barbara Salesch ab. Sie wirkt authentisch, ist humorvoll und vertritt klare moralische Positionen.«

Geht es nach der Hobby-Malerin Salesch, die in Ostwestfalen auf einem Bauernhof lebt und ein Atelier besitzt, wird sich daran so schnell nichts ändern. Aber: »Wenn ich eines Tages nicht mehr so viel schaffe, bitte ich vielleicht für einen Tag in der Woche um eine Stellvertreterin. Aber bitte mit glaubhafter Lebenserfahrung. Aber noch schaff ich es.«

© dpa-infocom, dpa:230902-99-48326/2