Je älter er wird, desto aktiver scheint Alice Cooper zu sein. Gerade erst absolvierte der 75-Jährige mit Joe Perry, Johnny Depp und der gemeinsamen Supergroup Hollywood Vampires eine Europa-Tournee. Schon ist der Sänger von Rockklassikern wie »School's Out«, »No More Mr. Nice Guy« und »Poison« wieder solo in Nordamerika unterwegs. Jetzt veröffentlicht Alice Cooper sein 29. Studioalbum. »Road« dreht sich um das Leben auf Tournee - »on the road«.
Als vor 54 Jahren das erste Album erschien, war Alice Cooper noch der Bandname. Inzwischen steht er im Pass des Pastorensohns, der als Vincent Damon Furnier geboren wurde. In den 70er und 80er Jahren verkaufte er Millionen von Alben. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. »Ich hoffe, das klingt nicht aufgeblasen«, sagt Cooper der Deutschen Presse-Agentur in London, »aber ich mache die Alben nicht mehr wirklich fürs Geld. Denn man verdient damit kein Geld, wenn man nicht Taylor Swift heißt.«
Inzwischen nehme er neue Musik nur noch für die Fans auf - und für sich selbst. »Das war schon immer mein Ding: den Song schreiben, den Song aufnehmen, den Song auf der Bühne spielen«, sagt das Rockurgestein. »Das mache ich seit Jahren und ich glaube nicht, dass ich damit jemals aufhören werde.«
»Alice ist im Grunde eine Art Phantom«
In dem Lied »I'm Alice« setzt er sich amüsant mit seiner Bühnenpersönlichkeit auseinander, dem Mann mit dem dick aufgetragenen schwarzen Make-up um die Augen. »Wenn ich Alice spiele, bin ich eine Figur«, betont der Sänger. »Alice ist im Grunde eine Art Phantom. Und es macht viel Spaß, diesen arroganten Bösewicht auf der Bühne zu spielen, weil er nichts mit mir gemeinsam hat.«
Nicht immer fiel es ihm leicht, Bühnenrolle und Privatperson zu trennen. »Ich lebte in einer Grauzone, als ich noch gesoffen und Drogen genommen habe«, erinnert sich Cooper, der seit rund 40 Jahren clean ist. »Ich wusste nicht, wo ich aufhörte und wo Alice anfing oder ob ich immer Alice sein sollte. Erst seit ich trocken bin, ist mir klar, dass ich eine Figur erschaffen habe, die nicht in der realen Welt leben will, nur auf der Bühne und im Studio.«
In »Dead Don't Dance« geht es um jenen Drogen- und Alkoholmissbrauch in der Rock'n'Roll-Szene. In »Welcome To The Show« besingt er sein eigenes Bühnentheater, die amüsante Horrorshow mit Guillotine, Galgen, Frankensteins Monster und Feuerwerk, bei der auch Coopers Ehefrau mitspielt. Seit 1976 ist er mit der Tänzerin Sheryl verheiratet. Auf seinem Album singt er mit viel Humor über verlockende (»Big Boots«) und zu aufdringliche Frauen (»Go Away«).
Eine Geschichte erzählen
»Road« ist kein Konzeptalbum im engeren Sinne, aber die 13 launigen Rock'n'Roll-Songs passen inhaltlich zusammen und klingen wie aus einem Guss. »Ich kann mir nicht vorstellen, ein Album zu machen, auf dem einfach nur Songs sind, ohne dass es einen thematischen Zusammenhang gibt«, sagt Cooper. »Ich habe immer thematische Alben gemacht, zwölf Songs, die eine Geschichte erzählen.«
Den Abschluss des Albums macht das The-Who-Cover »Magic Bus«. »The Who hatten großen Einfluss auf die Alice-Cooper-Band. Ich glaube, es liegt daran, dass Pete Townshend immer noch der wütendste Gitarrist ist, den ich je gesehen habe«, schwärmt Cooper. »Deshalb ist er so großartig. Er ist ein toller Songwriter, aber er hat diese Attitüde auf der Bühne, die nicht mal die meisten jungen Bands haben.«
Produziert wurde »Road« von Veteran Bob Ezrin (Kiss, Pink Floyd), mit dem Cooper in den 70er Jahren einige seiner besten Alben aufgenommen hat. Seit 2000 arbeiten die beiden wieder regelmäßig zusammen und das trägt Früchte. Es liegt sicher auch an Ezrin, dass »Road« den Stil der frühen, klassischen Alice-Cooper-Werke hat, dennoch in einem modernen Sound. Dass viele Songs erst nach mehrmaligem Hören ihre Wirkung entfalten, ist kein Makel, eher im Gegenteil.
Aerobic-Workout auf der Bühne
Mit 75 hat es Alice Cooper immer noch drauf. Körperlich fühle er sich ohnehin in Topform, sagt der Hardrock-Veteran, der noch bis Dezember durch Amerika tourt. »Früher war die Tour vorbei und ich musste ins Krankenhaus, weil ich zu viele Drogen genommen und gesoffen und all das gemacht habe, wo ich Lust drauf hatte, das hat einen fertiggemacht«, sagt der Sänger. »Aber jetzt ist es wie ein großartiges Aerobic-Workout für mich.« Im nächsten Jahr will er wieder nach Europa kommen. Tourdaten stehen noch nicht fest.
»Ruhestand wird es für mich in Zukunft nicht geben, daran habe ich noch nie gedacht«, stellt Alice Cooper klar. »Wenn ich mich zur Ruhe setzen wollte, hätte ich das vor 30 Jahren gemacht. Finanziell wäre es möglich gewesen. Aber als Künstler bin ich der Meinung, dass ich meinen besten Song noch nicht geschrieben habe. Und ich glaube nicht, dass ich mein bestes Konzert schon hinter mir habe. Das treibt mich an.«
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