NEW YORK. Die Fernseh-Geschichte schrieb den 22. September 1994: Die Tür des New Yorker Cafés »Central Perk« ging auf, und herein kam eine junge Frau im Brautkleid, etwas verloren und hilfesuchend. Sie setzte sich zu fünf anderen jungen Leuten auf ein orangefarbenes Sofa - und das Schicksal nahm seinen Lauf.
Vor einem Vierteljahrhundert startete in den USA die Serie »Friends« um Ross und Rachel (die im Brautkleid), Chandler und Monica, Joey und Phoebe. Zwei Jahre später kamen die »Freunde« auch nach Deutschland. Die Darsteller wurden schließlich zu hochbezahlten Hollywood-Stars - allen voran Jennifer Aniston. Bis 2004 lief die Serie, zum Schluss sollen die sechs Hauptdarsteller eine Million US-Dollar pro Folge bekommen haben.
Die Serie ist auch heute, in Zeiten des Serien-Booms, noch Kult, zumindest bei Menschen Mitte 30 und aufwärts. Nachfolge-Formate wie »How I Met Your Mother« oder »Big Bang Theory« kopierten das Thema Freunde als Ersatzfamilie ebenso erfolgreich. »Das zeigt, wie zeitlos dieses Konzept ist«, sagt Ronny Behrens vom Lehrstuhl für Marketing und Medien der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster.
»«Friends» war ein wichtiger Einfluss auf das heutige Quality TV«, sagt auch die Hamburger Medienwissenschaftlerin Joan Kristin Bleicher: komplexe Figuren, staffelübergreifende Erzählstränge, pointierte Dialoge. Die Serie habe mit ihrer humorvollen Realitätsnähe das Lebensgefühl junger Menschen in der Großstadt getroffen und abgebildet.
Unvergessen Phoebes (Lisa Kudrow) Ode an die stinkende Katze (»Smelly Cat«) oder Joeys (Matt LeBlanc) Kopf im Truthahn-Hintern. Und dann war da ja noch die bis heute womöglich größte und umstrittenste Frage der Seriengeschichte: Hatten Ross (David Schwimmer) und Rachel (Aniston) nun eine Beziehungspause oder nicht, als er mit Chloe ins Bett ging? Dazu unzählige hochkarätige Gastauftritte von Stars wie Brad Pitt, Alec Baldwin und Danny DeVito.
Zehn Staffeln lang ging das so - bis zum großen Ross-und-Rachel-Happy End und der erlösenden Antwort: »Ja, sie hat's geschafft«. Der Original-Satz »I got off the plane« ist seither zu einer Art Synonym für ein glückliches Serienende geworden, die Szene, in der Rachel (Aniston) in Ross' Wohnung auftaucht, ein beliebtes Gif-Motiv.
Seit 2018 ist die 90er-Jahre-Serie nun bei Netflix zu sehen. Allerdings mischen sich in den großen Nostalgie-Jubel auch kritische Stimmen. Die Serie löse »rückblickend zwar nostalgische Gefühle aus«, sagt Bleicher. Das aktuelle Lebensgefühl treffe sie aber nicht mehr. »Besonders die queere Community kann derzeit mit einigen schwulenfeindlich wirkenden Äußerungen nichts mehr anfangen.«
Befremdlich könnten aus heutiger Sicht Äußerungen über Chandlers (Matthew Perry) Transgender-Vater wirken, sagt Bleicher. Und dass Ross nicht will, dass sein Sohn mit Barbie-Puppen spielt, macht ihn nicht gerade zur sympathischsten Figur der Serie.
In sozialen Netzwerken wird vor allem die Folge kritisiert, in der Ross nicht damit zurecht kommt, dass eine männliche Nanny seine Tochter betreut. Eine Episode der ersten Staffel befasst sich ausgiebig und klischeehaft mit der Frage, warum so viele Menschen Chandler für schwul halten. Auch die ständigen und wenig empathischen Verweise darauf, dass Monica (Courtney Cox) als Kind dick war und darum gemobbt wurde, würde es in einer Serie von heute so mutmaßlich nicht mehr geben.
In anderen Serien und Sitcoms aus dem 1990er Jahren sei Sexismus aber noch sehr viel präsenter gewesen, sagt Alegra Kaczinski, ebenfalls vom Lehrstuhl für Marketing und Medien der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster - und großer »Friends«-Fan. »Dass Ross' Exfrau in einer homosexuellen Beziehung lebt, wird von Anfang an ganz selbstverständlich in die Geschichte eingebaut, und es gibt in der Serie keine Frau, die einfach nur heiraten möchte. Monica macht ein eigenes Catering-Business, und Phoebe ist von vornherein wahnsinnig unabhängig. Fortschrittlicher geht es ja eigentlich nicht.«
Bei den Darstellern scheinen die Erinnerungen an die Serie ohnehin weitgehend gut zu sein, auch wenn Lisa Kudrow jüngst mitteilte, sie habe Angst gehabt, mit den schönen Kolleginnen Aniston und Cox nicht mithalten zu können.
Für Aniston wäre sogar eine Fortsetzung denkbar, wie sie noch im Juni in der Talkshow von Ellen DeGeneres sagte: »Ich würde es machen.« Gleiches gelte für die anderen Charaktere aus der Serie: »Die Mädels würden es machen. Und die Jungs auch. Da bin ich mir sicher.« Alles sei möglich.
Das sehen die Serienmacher wohl anders. Wie das Branchenmagazin Variety berichtete, wurde die »Friends«-Erfinderin jüngst beim Tribeca TV Festival in New York deutlich: »Wir werden keine Reunion machen und auch keinen Neustart«, sagte TV-Produzentin Marta Kauffman. »Es würde das, was wir gemacht haben, nicht übertreffen.« (dpa)
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