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Kinder in der Kiste

Mit dem Packster2 vario 70 bietet Riese & Müller ein Lastenrad mit vielen Extras

Dank der innovativen Seilzuglenkung kann man sich mit dem Packster richtig in die Kurve legen.  FOTO: TKATZIK
Dank der innovativen Seilzuglenkung kann man sich mit dem Packster richtig in die Kurve legen. FOTO: TKATZIK
Dank der innovativen Seilzuglenkung kann man sich mit dem Packster richtig in die Kurve legen. FOTO: TKATZIK

REUTLINGEN. Uuiuiuih, die ersten Meter fühlen sich ganz schön wackelig an. 42 Kilo Rad, vorne eine riesige Box, gedacht für den Familieneinkauf und bis zu drei Kinder: Die Gewichtsverteilung ist ungewohnt, die ersten Meter sind ein Schlingerkurs.

Aber nur ein paar Hundert Meter, dann ist das wackelige Gefühl vorbei und weicht ungläubigem Staunen. Ist man erst einmal in Fahrt und das Vertrauen gewachsen, fühlt es sich einfach nur gut an! Leicht gleitet das wuchtig wirkende Gefährt dahin, kraftvoll unterstützt von einem leise surrenden Bosch-Antrieb. Stabil liegt es auf der Straße und in der Spur, auch enge Manöver sind kein Problem. Der Wendekreis des Lastenrads mit einem Radstand von 1,89 Metern ist mit rund zweieinhalb Metern überraschend klein. Eine innovative Seilzuglenkung macht einen fast rechtwinkligen Lenkeinschlag möglich und sorgt für ein dynamisches Fahrverhalten.

Technische Finessen

Zu sehen ist von dieser Technik: nichts. Sämtliche Kabel und Züge sind in der Transportbox verbaut. Das schützt die empfindliche Technik vor Verschmutzung, Beschädigung und Verschleiß. Und nichts stört die aufgeräumte Optik. Der Lastenrad-Spezialist Riese & Müller aus dem hessischen Mühltal hat mit dem Packster2 vario70 eine komfortable Familienkutsche auf den Markt gebracht. Technische Finessen für Komfort und Sicherheit stehen bei dem High-End-Modell klar im Vordergrund. Die Liste seiner Vorzüge ist lang: Die Transportbox besteht aus EPP (expandiertes Polypropylen). Der Kunststoff ist leicht, formstabil und stoßabsorbierend. Er gilt als umweltfreundlich und gesundheitlich unbedenklich, da ohne flüchtige Weichmacher. Ein Rahmen aus zwei umlaufenden Stahlrohren schützt die Transportbox zusätzlich. Ein solides Klappverdeck hält Fahrtwind, Regen und Kälte ab. Es lässt sich in der Höhe verstellen und bei schönem Wetter oder für große Lasten abmontieren. In die Transportbox integriert ist die Beleuchtung inklusive Fernlicht. Auf dem Hauptständer, mit dem sich das Packster bei minimalem Kraftaufwand fast von selbst hochbockt, steht das Rad stabil. Sattel und Cockpit sind höhenverstellbar und lassen sich schnell für Nutzer zwischen 1,60 und 1,90 Meter Körpergröße anpassen.

Bei der ersten Ausfahrt mit Last ist nur Gepäck in der Box – 240 Liter und 100 Kilo maximale Zuladung sind möglich, da ist der Wocheneinkauf locker drin. Nach diesem Test darf die wertvollste Fracht an Bord. Wie kleine Prinzen schauen die Enkelkinder über die Ladekante. Gemütlich aneinander gekuschelt sitzen sie auf der 60 Zentimeter breiten Zweierbank mit Kopfstütze. Die Sitzbank ist mit einem Handgriff dreifach verstellbar, die breiten gepolsterten Dreipunktgurte lassen sich leicht anpassen. 70 Zentimeter können sich die Kinderbeine nach vorn ausstrecken. Optional ließe sich laut Hersteller ein dritter Sitz einbauen – bequem dürfte das aber nur für sehr kurzbeinige Zwerge sein.

PowerTube und ABS

Die Unterstützung durch den kräftigen PowerTube 750 hört bei 25 Stundenkilometern auf, bergab kann es aber deutlich schneller werden. Dank des optionalen Bosch E-Bike ABS (in Kombination mit Magura-Scheibenbremsen) fühlen sich auch Bergabfahrten mit mehr als 50 Sachen gut und sicher an.

Nachdem sie sich an die zügigen Fahrten gewöhnt haben, meutern die Kinder, als sie wieder in ihren gewohnten Anhänger umsteigen müssen, in dem sie bei jeder Unebenheit durchgerüttelt werden. Und natürlich ist man mit Anhänger nie so flott unterwegs, da er bei mehr als 20 Stundenkilometern ins Schlingern gerät.

Mit der Plus- und Minustaste wechselt die linke Hand zwischen den Fahrmodi Eco, Auto, Tour oder Turbo. Am einfachsten bleibt man im Auto-Modus, der die Unterstützung ans Gelände und die eigene Tretleistung anpasst. Das Bosch-Display Kiox 300 informiert einen überdies, wie viel Prozent des Antriebs aus eigener Kraft kommt und was der Motor beisteuert. Bis zu 400 Prozent sind im Turbo-Modus möglich. Da ist nach rund 30 Kilometern allerdings der Akku alle. Im Eco-Modus reicht er je nach Streckenbeschaffenheit und Tretleistung für 60 bis 80 Kilometer.

Wer mehr Informationen und Navigation oder die Zusatzoption auf Diebstahlschutz durch Tracking möchte, der kann sein Smartphone an den Lenker klemmen und sich mit der RX Connect App verbinden. So oder so: Mit der rechten Hand wird geschaltet, und zwar stufenlos. Die Enviolo Nabenschaltung in Kombination mit Riemenantrieb verspricht Langlebigkeit und Zuverlässigkeit bei praktisch null Wartungsaufwand. Die Übersetzungsbandbreite könnte gerne größer sein.

Stufenlos schalten

Die Energie für den Bosch performance CX Cargo Line Motor liefert standardmäßig ein Bosch Power Tube mit 750 Wattstunden, der unter der Transportbox verwahrt ist. Wer an einer Steckdose parkt, kann das Packster direkt anhängen, sonst lässt sich der Akku leicht entnehmen.

So viel Rad und bis ins Detail durchdachte Technik hat natürlich ihren Preis. Ab 8.299 Euro (unverbindliche Preisempfehlung) ist das Packster in der Basisversion zu haben, das Testmodell mit Dual Battery Akku (1.299 Euro), ABS (499), Kinderdoppelsitz (199) und Wetterschutz (299) und einigem mehr kam alles in allem auf 11.928 Euro. Für diese Summe könnte man tatsächlich den einen oder anderen Kleinwagen bekommen, das Packster wird ja als Alternative zum Auto, zumindest zum Zweitwagen, angepriesen.

Was das Ladevolumen angeht, geht die Rechnung auf. Hinsichtlich technischer Finessen sowie Wendigkeit im Stadtverkehr muss das Packster den Vergleich nicht scheuen. Und als Fahrrad und somit Sportgerät macht es ja noch Extrapunkte: Es bringt Bewegung in den Alltag und spart somit Extra-Zeit für Konditionssport. Und leistet natürlich einen Beitrag gegen Verkehrslärm, Abgase und verstopfte Innenstädte. Parkplatzsuche ist mit einem Lastenrad allerdings auch ein Thema. Für gewöhnliche Fahrradständer sind Packster und Co. eine Nummer zu groß. Da punkten Geschäfte mit Extraparkplätzen für Fahrradanhänger und Lastenräder in Eingangsnähe, nicht nur bei Eltern kleiner Kinder. (GEA)