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Aktuell Hintergründe

Warten auf Teherans Racheakt

Die iranische Führung ist entschlossen, den Tod ihres Generals zu vergelten. Vor allem dem Irak droht deswegen neues Chaos. Dabei hat das Krisenland schon genug Probleme. Mittendrin: die Bundeswehr.

Trauerfeier für Soleimani
Die Teilnehmerinnen einer Trauerzeremonie für den getöteten General Soleimani gehen auf ihrem Heimweg an der satirischen Zeichnung einer verstümmelten Freiheitsstatue vorbei. Foto: Vahid Salemi/AP/dpa
Die Teilnehmerinnen einer Trauerzeremonie für den getöteten General Soleimani gehen auf ihrem Heimweg an der satirischen Zeichnung einer verstümmelten Freiheitsstatue vorbei. Foto: Vahid Salemi/AP/dpa

Bagdad/Teheran/Washington (dpa) - Menschenmassen ziehen durch Teheran. In Schwarz gekleidet und mit Trauer im Gesicht nehmen sie am Montag in der iranischen Hauptstadt Abschied vom getöteten Top-General Ghassem Soleimani, der bei einem gezielten US-Raketenangriff starb.

Die Wut auf US-Präsident Donald Trump ist groß, selbst unter den Iranern, die ihre eigene Führung nicht unterstützen. Für Teheran ist die Zeremonie auch eine Demonstration der Einheit, der Stärke und Entschlossenheit.

Es gibt kaum Zweifel, dass der Iran für den Tod seines hohen Militärführers Vergeltung suchen wird. Dann droht der Region eine neue Spirale von Gewalt und Gegengewalt. Soleimani hat in der arabischen Welt ein dichtes Netz iranischer Verbündeter aufgebaut, die Racheaktionen übernehmen könnten: die Schiitenmiliz Hisbollah im Libanon, paramilitärische Gruppen und die Regierung in Syrien, die Huthi-Rebellen im Jemen - vor allem aber zahlreiche schiitische Milizen im Irak, die so genannten Volksmobilisierungskräfte.

In der Krise zwischen Teheran und Washington rückt der Irak immer weiter in den Fokus. Dort wurde nicht nur Soleimani getötet. Der Irak bietet sich aus iranischer Sicht auch für eine Vergeltung an, denn hier ist Teherans Einfluss besonders stark - und zugleich sind dort noch rund 5000 US-Soldaten stationiert. Auch Trump nimmt das Krisenland in den Blick.

IRANS EINFLUSS AUF DEN IRAK

Irans Führung pflegt enge Verbindungen zu zahlreichen irakischen Milizen, mächtigen bewaffneten Gruppen, die unabhängig von der Regierung agieren. Viele ihrer Anführer lebten früher lange im iranischen Exil. Sie haben auch politisch starken Einfluss in Bagdad. Gegen den Willen der Milizen - und somit auch gegen den Willen Teherans - kann dort keine Regierung gebildet werde.

Schon in den vergangenen Monaten standen die Milizen unter Verdacht, US-Bürger im Irak angegriffen zu haben. Sie sollen auch für die Proteste an der US-Botschaft in Bagdads stark gesicherter Grüner Zone verantwortlich gewesen sein, so jedenfalls die Anschuldigung aus Washington. Die Wut auf die USA unter den Milizen und ihren treu ergebenen Anhängern ist auch deshalb groß, weil bei dem US-Angriff neben Soleimani auch ihr hoher Anführer Abu Mahdi al-Muhandis starb.

INSTABILER IRAK

Die neue Eskalation trifft das Krisenland Irak in einer ohnehin äußert instabilen Phase. In den vergangenen Monaten kam es immer wieder zu Protesten gegen die Regierung, aber auch gegen den starken Einfluss des Irans. Der ohnehin schwache Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi reichte daraufhin seinen Rücktritt ein. Er ist nur geschäftsführend im Amt und damit praktisch handlungsunfähig.

Überhaupt leidet das Land noch unter dem langen und zerstörerischen Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Der milliardenteure Wiederaufbau kommt kaum voran, nicht zuletzt wegen der grassierenden Korruption. Vor allem die jüngere Generation ist angesichts der politischen und wirtschaftlichen Krise frustriert.

MACHTKAMPF IN BAGDAD

In der Hauptstadt wird seit Wochen um einen Nachfolger für Abdel Mahdi gerungen. Teheran dürfte nach Soleimanis Tod versuchen, das Land noch mehr unter seine Kontrolle zu bringen. Am Sonntag beschloss das Parlament in Bagdad, dass alle ausländischen Truppen den Irak verlassen sollten. Sollten die US-Truppen tatsächlich abziehen müssen, gäbe es kaum noch ein Gegengewicht zum iranischen Einfluss. Dann hätte Trump mit seiner Militäraktion das Gegenteil dessen erreicht, was er wollte: Der Iran würde zumindest im Irak gestärkt.

Doch das Land ist tief gespalten. Sunniten und Kurden - neben der Mehrheit der Schiiten die wichtigsten Blöcke im Irak - wollen keinen US-Abzug, weil sie einen zu großen iranischen Einfluss befürchten. Ihre Abgeordneten boykottierten die Parlamentssitzung am Sonntag.

BEDROHUNG DURCH DEN IS

Die internationale Anti-IS-Koalition hat wegen der Krise ihren Einsatz gegen die Terroristen genauso eingestellt wie die Ausbildung der irakischen Truppen. Dabei sind die Dschihadisten noch lange nicht geschlagen. IS-Zellen sind weiter aktiv und verüben vor allem im Norden und Westen des Landes immer wieder Angriffe. Sie haben schon früher bewiesen, dass sie Krisen zu ihren Gunsten zu nutzen wissen und besonders dann stark werden, wenn die Regierung schwach ist. So könnte der IS von der Eskalation profitieren.

DER NUTZEN DER KRISE

Die Risiken einer Eskalation sind gewaltig - warum hat Trump es trotzdem gewagt, die Krise zu entfesseln? Und warum jetzt? Die Fragen werden dieser Tage immer wieder aufgeworfen - und es gibt viele mögliche Antworten darauf. Spätestens seit der versuchten Erstürmung der US-Botschaft in Bagdad stand Trump parteiintern unter Druck, auf Provokationen des Irans zu reagieren. Trump könnte außerdem darauf hoffen, dass sich das gespaltene Land angesichts der Krise hinter dem Präsidenten sammelt - wie es in der Vergangenheit oft der Fall war.

Die USA sind zehn Monate vor der Wahl tief gespalten. Ein Grund dafür ist das von den Demokraten angestoßene Amtsenthebungsverfahren, dem sich Trump als dritter Präsident in der Geschichte des Landes stellen muss. Ist die Iran-Krise ein gezieltes Manöver, um davon abzulenken? Mit einem Tweet nährte Trump diesen Verdacht am Montag, als er das Amtsenthebungsverfahren erneut beklagte. »Zu diesem Zeitpunkt in unserer Geschichte, wo ich derart beschäftigt bin, Zeit mit diesem politischen Schwindel zu verschwenden, ist traurig!« Und eine Parallele drängt sich auf: 1998 war der damalige Präsident Bill Clinton beschuldigt worden, mit Luftangriffen im Irak von dem gegen ihn gerichteten Amtsenthebungsverfahren abzulenken. Den Befehl dafür hatte Clinton am Vorabend einer wichtigen Abstimmung gegeben.

INNENPOLITISCHE GRABENKÄMPFE

Die Fronten zwischen den Republikanern und den Demokraten in den USA sind verhärtet - nicht erst seit der Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump. Die Iran-Krise treibt die politischen Lager weiter auseinander. Führende Demokraten zweifeln allerdings die Begründung der US-Regierung für den Luftangriff auf Soleimani an. Die Frontfrau der Demokraten, Nancy Pelosi, will nun mit einer Abstimmung im Repräsentantenhaus Trump an einer weiteren Eskalation des Iran-Konflikts hindern, indem das militärische Vorgehen der US-Regierung auf 30 Tage begrenzt wird - auch wenn als unwahrscheinlich gilt, dass der von den Republikanern dominierte Senat für ein solches Vorgehen stimmen würde. Der einflussreiche Trump-Verbündete, Senator Lindsey Graham, sagte unlängst über Trumps Vorgehen gegen Soleimani: »Er hat das Richtige getan.«

DIE NÄCHSTEN SCHRITTE

Trump droht und droht - sowohl dem Iran als auch dem Irak. Unverblümt warnte er Teheran am Samstag vor Vergeltung - und drohte mit dem Angriff auf Dutzende iranische Ziele, darunter kulturell bedeutende Orte. Trumps Worte lösten im In- und Ausland Empörung aus bis hin zum Vorwurf, dass er Kriegsverbrechen plane. Angriffe auf zivile Kulturstätten sind völkerrechtlich verboten. Tags drauf nahm Trump dann den Irak in den Blick: Für den Fall eines feindseligen Rauswurfs der US-Soldaten könnten Sanktionen »wie nie zuvor« verhängt werden. Trump forderte, die Regierung in Bagdad müsse die Kosten für bestimmte von den USA im Irak gebaute Infrastruktur zurückerstatten. Als Beispiel nannte er einen modernen Luftwaffenstützpunkt, der Milliarden US-Dollar gekostet habe.

DIE HALTUNG DER US-BEVÖLKERUNG

Soleimani hatte amerikanisches Blut an seinen Händen, so lautet der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich US-Politiker über die Parteigrenzen hinweg verständigen können. Daran dürfte auch die breite Öffentlichkeit nicht zweifeln. »Aber das bedeutet nicht, dass die Öffentlichkeit glaubt, dass es im besten Interesse ihres Landes ist, in einen Krieg zu ziehen«, schreibt der Professor der University of Maryland, Shibley Telhami, in einem Beitrag für das Magazin »Foreign Policy«. Umfragen zeigten in den vergangenen Monaten, dass die Amerikaner einen Krieg mit dem Iran mehrheitlich ablehnen. Nach den traumatischen Erfahrungen der Kriege in Afghanistan oder Syrien, die weit über die zeitlichen Vorstellungen Washingtons hinausgingen, ist die Bevölkerung kriegsmüde.

WAS DAS GANZE FÜR DIE BUNDESWEHR BEDEUTET

Der Einsatz der etwa 120 deutschen Soldaten, die für die Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte im Land sind, hängt in der Luft. Die Flüge deutscher Tornado-Aufklärer, die von Jordanien aus IS-Verstecke in Syrien und dem Irak suchen sollen, sind zunächst nicht direkt betroffen. Doch bei einem Abzug des Hauptquartiers der Anti-IS-Koalition aus Bagdad steht der ganze internationale Einsatz gegen die Dschihadisten in Frage, wird in Berlin betont. Deswegen will die deutsche Regierung den Irak in Gesprächen für eine gemeinsame Fortsetzung gewinnen, gleichzeitig aber auch die Sicherheitsinteressen der eigenen Soldaten fest im Blick behalten.

Die Krisendiplomatie und die Bewertungen der Sicherheitslage laufen in einem Dreieck zwischen Außenministerium, Verteidigungsministerium und dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam auf Hochtouren. Keinesfalls wolle man gegen den Willen von Parlament und Regierung im Irak bleiben, sagt ein Sprecher der Auswärtigen Amtes. »Wir werden jede Entscheidung des Iraks respektieren«, erklärt er - und lässt damit auch den Abstand zur Politik Trumps erkennen, der dem Irak mit schweren Sanktionen für den Fall eines Rauswurfs droht.

Foreign Policy, Stimmung in der US-Bevölkerung

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