Bengasi (dpa) - Der Minister, der Feldmarschall und die heimliche Hauptstadt: Der einflussreiche und militärisch erfolgreiche General Chalifa Haftar, ein Hauptakteur im libyschen Bürgerkrieg, empfängt Außenminister Heiko Maas (SPD) in seinem Hauptquartier in Bengasi im Nordosten des Landes.
Der Militärkomplex nahe dem Flughafen ist am Donnerstag weiträumig abgesperrt, als Maas in einer Kolonne schwerer Geländewagen, gestellt von einer französischen Sicherheitsfirma, anrollt.
Auch für den Flug von Berlin in das Bürgerkriegsland wurde ein ziviler Businessjet angemietet. Langes Händeschütteln und ein: »Ich freue mich, Sie zu sehen«. Es kann ein Schlüsselmoment werden im Engagement Deutschlands, das bisher kein großes Gewicht in dem Konflikt entfaltet hat, nun aber als ehrlicher Mittler zwischen den Konfliktparteien im Land und den ausländischen Akteuren gelten kann.
Nicht als Militärmacht tritt Deutschland an, sondern als Dialogmacht. Europa hat aber erhebliches Interesse an Stabilität an der Südküste des Mittelmeeres. Libyen ist ein wichtiger Öllieferanten der Europäischen Union. Das Land hat sich durch das Chaos in den vergangenen Jahren aber auch zu einem der wichtigsten Transitstaaten für Flüchtlinge auf dem Weg Richtung Norden entwickelt. Die Macht in Libyen ist gespalten zwischen der Regierung in Tripolis und einer zweiten im Osten Libyens, die mit Haftar verbündet ist.
Haftar (76) kontrolliert gemeinsam mit Verbündeten einen Großteil Libyens. Seine Truppen kämpfen um Tripolis und haben ihren Kampf in den vergangenen Wochen noch verstärkt. »Unsere Botschaft ist klar: Dieser Konflikt ist für niemanden militärisch zu gewinnen«, sagt Maas aber. Drei Tage vor dem in Berlin geplanten Libyen-Gipfel trifft er Haftar erstmals persönlich.
Das Gespräch dauert fast drei Stunden. Die Botschaften, die Maas anschließend verkündet, klingen ziemlich zuversichtlich. Haftar sei zu einem Waffenstillstand bereit - auch wenn er eine Vereinbarung darüber bisher nicht unterzeichnen wollte. Der General wolle auch, dass der große Libyen-Gipfel in Berlin am Sonntag ein Erfolg werde. Und er sei sogar bereit, dafür nach Deutschland zu kommen.
Stoßrichtung der Konferenz ist es vor allem, internationale Einigkeit herzustellen: Ein Waffenstillstand, eine Verpflichtung ausländischer Mächte zur Einhaltung des Waffenembargos sowie eine gemeinsame internationale Sicht auf Libyen als ein einheitlicher Staat mit zentral kontrollierten Sicherheitskräften und Institutionen.
Die Teilnehmer der Berliner Konferenz sollen sich dann einzelner Themen annehmen und diese verantwortlich weiterführen. Machtpolitische Ziele und ein Ringen um die Aufteilung von Rohstoffen haben in Libyen eine brisante Mischung ergeben. Die Konfliktparteien werden von konkurrierenden Staaten wie Russland, der Türkei, Frankreich, Italien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten und Saudi-Arabien unterstützt. Zunehmend sollen auch ausländische Söldner im Einsatz sein. Demnach hat Haftar militärische Unterstützung aus Russland, dem Tschad und dem Sudan.
Die Türkei hat zur Unterstützung der Regierung in Tripolis auch islamistische, syrische Milizen geschickt. Auch Frankreich und Italien, traditionell Käufer des libyschen Öls, konkurrieren. Praktisch unbeteiligt an diesen Machtkämpfen: Deutschland - aber vielleicht gerade deswegen als Makler einer Lösung geeignet.
Der säkulare Haftar - in der Sowjetunion und Ägypten militärisch ausgebildet und später auch US-Staatsbürger - ist eine militärisch und politisch überaus schillernde Figur. Im Jahr 1969 half er dem späteren Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi beim Putsch gegen König Idris von Libyen. Es folgte eine steile militärische Laufbahn und die Beteiligung am arabisch-israelischen Krieg 1973. Als Militärführer erlebte er die Niederlage bei der Intervention im Tschad und Kriegsgefangenschaft.
Bei Gaddafi fiel er in Ungnade. Die US-Amerikaner holten ihn angeblich aus der Kriegsgefangenschaft. Jedenfalls lebte Haftar 20 Jahre lang in den USA, was später zu Spekulationen führte, er habe mit dem US-Geheimdienst CIA zusammengearbeitet. Im Jahr 2011 kehrte er nach Libyen zurück und kämpfte gegen Langzeitherrscher Gaddafi, der schließlich gestürzt und auf der Flucht getötet wurde.
Seit dem vom Westen unterstützen Sturz Gaddafis tobt in Libyen der Bürgerkrieg. Die Türkei unterstützt die international anerkannte Regierung von Al-Sarradsch. Russland stärkt - wie Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) - General Haftar. Der hat inzwischen die Kontrolle über weite Teile des Landes gewonnen. Haftar erscheint als wendig, ob er verlässlich ist, wird sich zeigen. Gegen ihn aber - so scheint es - geht kaum noch etwas.
Das weiß auch Maas. Deswegen die Reise nach Bengasi kurz vor dem Gipfel. Sein persönlicher Eindruck von seinem Gesprächspartner: »General Haftar ist ein Militär und deshalb der Auffassung, dass der Konflikt militärisch zu lösen ist.« Aber immerhin bestehe Gesprächsbereitschaft über einen politischen Prozess hin zu einer Friedenslösung, fügt Maas dann noch hinzu.